Schon mal vorab: An dieses Gebäude kann sich keiner der Leserinnen und Leser mehr erinnern. Der Blick nämlich geht zurück in die letzte Epoche des Alten Reichs sowie zu den Napoleonischen Feldzügen, grob datiert in die Zeit um das Jahr 1800. War es der Aufbruch in eine neue Ära, wurde es als zu klein betrachtet oder befand sich das Bauwerk schlichtweg in einem desolaten Zustand? Heute wissen wir nicht mehr, was den Ausschlag zum Abriss des alten Illertisser Rathauses und der Errichtung eines offenbar nicht besonders attraktiven Nachfolgebaus gegeben hatte.
Leider war vor 225 Jahren die Fotografie noch nicht erfunden, sodass wir heute lediglich auf eine Zeichnung aus dem 18. Jahrhundert zurückgreifen können, welche ein stattliches Gebäude aus Fachwerk, gemauertem Erdgeschoss und einer steinernen Außentreppe zeigt. Betrachten wir hierzu die Ausführungen von Albrecht Rieber, der sich wiederum auf den Illertisser Chronisten Anton Kanz bezog. Möglicherweise war es unter der Herrschaft von Erhard Vöhlin, als der Grundstein zu diesem Ratsgebäude gelegt wurde; die Datierung verortet die Konstruktion jedenfalls in das 16. Jahrhundert.
Illertissens früheres Rathaus: Ein historischer Rückblick
Ob dies das erste Rathaus Illertissens war? Wir wissen es nicht, zumal das genannte Fachwerkgebäude – es stand im Übrigen an exakt derselben Stelle, an der sich die heutige Stadtverwaltung befindet – zunächst als Waaghaus diente. Im Erdgeschoss wurden zudem die Märkte abgehalten, wie es auch als Vorratslager für Getreide und dessen Verkauf fungierte. Im ersten Obergeschoss hingegen war die Gerichtsstube eingerichtet, welche bereits 1532 eine Erwähnung in den Akten fand. Hinter dem hohen und steilen Dach verbargen sich Lagerräume für Korn; quasi ein multifunktionales Gebäude, dessen Aufteilung im ausgehenden Mittelalter sowie der frühen Neuzeit auch in anderen Gemeinwesen üblich war.
An der Nordseite des Tissener Rathauses fand sich zudem im Erdgeschoss eine Huf- als auch eine Nagelschmiede, daneben das Gefängnis der Bürgerschaft. Auf der anderen Seite, der Südwestecke, musste so mancher Einwohner Scham und Spott ertragen, war an dieser Stelle doch der Pranger des Marktortes angebracht. Der Zugang zu den Obergeschossen erfolgte wie erwähnt über eine steinerne Stiege an der Ostseite. Die ursprüngliche Aufstiegshilfe, eine schlichte Holztreppe, brach am 13. Mai 1682 „jäh zusammen“, sodass der Marktrat fortan auf eine stabilere Variante setzte. Rathäuser mit steinernen Außentreppen waren weit verbreitet und können immer noch bewundert werden, so in der weiteren Umgebung beispielsweise in Lindau oder auch in Nördlingen.
Gebäude entstand wohl in der Zeit der Vöhlin
Der heutige Platz zwischen Stadtverwaltung und Schranne war auch vor Jahrhunderten schon das politische und gesellschaftliche Zentrum des Marktortes. Hinter dem Rat- und Waaghaus befand sich entlang der heutigen Straße „Am Reichshof“ der Zehntstadel des Stiftes Edelstetten, welches in Illertissen über Besitz und Rechte verfügte. Rechtwinklig angelegt, ist die jetzige Schranne ein Nachfolgebauwerk dieses einstigen Getreidespeichers, der im Übrigen 1552 zusammen mit den Einkünften aus dem Zehnt an die Herrschaft der Vöhlin überging.
Hinter dem Zehntstadel lag mit dem sogenannten Bauhofstadel nochmals ein Vorratsgebäude. Im Viereck von Reichshof, Kirchgasse, Spöck und Langgasse waren dann auch einige Wirtshäuser des Marktes angesiedelt: zunächst die Krone, später auch vis à vis der Adler.
Ganz anders als heute muss sich das Illertissen des 17. Und 18. Jahrhunderts gegeben haben. Vorherrschend war, wie in allen steinarmen Gegenden, die Holzbauweise. Wenn man auch nicht von einer geschlossenen Straßenfront ausgehen kann, so mag der Blick entlang der fachwerkbestückten Gassen hinauf zum Schloss sicherlich etwas Pittoresk-Heimeliges ausgestrahlt haben. Was den ungeliebten Nachfolgerbau des Rathauses betrifft, so war diesem kein langes Leben beschienen: Anton Kanz erwähnt, dass bereits im Jahr 1891 ein Neubau im Stil der Neorenaissance an der Stelle errichtet wurde: der heutige Sitz der Stadtverwaltung.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden