Mit der Inszenierung des Musicals „Siddhartha“ von Stefan Zimmermann wurden die Besucherinnen und Besucher des Vöhringer Kulturzentrums in eine Welt geführt, die mit der Hippiebewegung in den 60er-Jahren eine Renaissance erlebte: Gewaltlosigkeit – „make love, not war“ – war das Credo der Hippie-Gemeinde. Hermann Hesse (1877 -1962) fing seine Eindrücke von Reisen nach Sri Lanka und Indonesien ein und verarbeitete sie in seiner Erzählung „Siddhartha“. Ausdrücklich betont wird in verschiedenen Begleitlektüren des Musicals, dass Hesses Werk „lediglich als Inspirationsquelle gedient hat.“ Dennoch werden Zitate von Hesse – wie „und in jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft“ – wörtlich übernommen.
Siddhartha-Musical war vielen Zuhörerinnen und Zuhörern in Vöhringen zu laut
Die Besucherinnen und Besucher der jüngsten Abo-Veranstaltung in Vöhringen taten gut daran, sich mit dem Inhalt des Musicals vorher vertraut zu machen. Möglich war das durch das städtische Kulturamt, das den Abonnentinnen und Abonnenten stets ausführliche Inhaltsangaben bei der Vorstellung eines neuen Programms zusendet. Denn manche Theaterfreundinnen und -freunde – so machten mehrere Pausengespräche deutlich – fanden mental keinen Zugang zum Bühnengeschehen.
Etwas zusammenhanglos reihten sich im ersten Teil Szenen aneinander. Lag es möglicherweise daran, dass die Aufführung Tournee-tauglich eingedampft worden war? Das hatte den erfreulichen Vorteil, dass nicht auf Italienisch gesungen und gesprochen wurde, wie noch bei der Premiere 2017 durch das renommierte a.gon-Theater in München. Weniger erfreulich – Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Galerie fühlten sich akustisch überfordert, ihrer Meinung war das Musical unisono „zu laut“. Auch die Textverständlichkeit ließ zu wünschen übrig.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht der junge Siddhartha (Alexander Bambach). Er gehört der Brahmanen-Kaste an, der höchsten gesellschaftlichen Stufe im alten Indien. Aber dieses Umfeld, das ihm Reichtum und ein angenehmes Leben ermöglicht, reicht ihm nicht. Er will wissen, wie es jenseits der Palastmauern aussieht. Also streift er den Fürstensohn innerlich und äußerlich ab, will die Welt erleben und das, was ihm bisher verborgen blieb.
Der zweite Teil des Siddhartha-Musicals in Vöhringen war Emotion pur
Er lernt Askese kennen, das einfache Leben, wie es ein Fährmann am Fluss lebt, und schließlich auch die Liebe. In einer Szene, in der sich Intensität mit Sensibilität paart, dient ein großes rotes Tuch als Symbol der vorsichtig ausgelebten Erotik – oder vielleicht auch, um die Zuschauerinnen und Zuschauer mit zu viel Freizügigkeit nicht zu verschrecken.
Was im ersten Teil bisweilen zusammenhanglos wirkt, verdichtet sich im zweiten Teil zu Emotion pur. Jahrzehnte sind ins Land gegangen, nun geht es um das Beziehungsgeflecht zwischen den Generationen. Siddhartha hat sich selbst gefunden, er ist alt und weise geworden. Er braucht weder Prunk noch Pracht. Sein Leben erfüllt sich am Ufer des Flusses, dort arbeitet er als Fährmann. Für den ergrauten Siddhartha ein Déjà-vu-Erlebnis. Denn der alte Fährmann gewährte ihm einst als Suchender bescheidene Unterkunft und konnte den jungen Mann von dem Reichtum eines einfachen Lebens überzeugen.
Die Musik von Christian Biehlmair ist bei dem Musical-Abend in Vöhringen passend, aber nicht prägend. Ein E-Klavier und ein kleines Ensemble saßen versteckt in einer Bühnenecke – wohl aufgrund dieser Positionierung überdrehten sie die Phonstärke. Das Bühnenbild bestand aus leicht verschiebbaren großen Elementen, für ein Tourneetheater eine passable Lösung. Zum Schluss anerkennender Beifall – vor allem für den stimmigen zweiten Teil des Musicals.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden