
Eine Rundum-spaßige-sorglos-Woche bei vollem Lohn wird es nicht geben

Viele junge Menschen haben andere Vorstellungen von Arbeit, welchen und wie viel Platz diese in ihrem Leben einnehmen soll. Nicht alles ist daran falsch. Gedanken zum 1. Mai.
Ist John Maynard Keynes der Opa der Generation Z? Man könnte es meinen, hat der berühmte Ökonom doch bereits 1930 in hundert Jahren die 15-Stunden-Woche vorausgesagt. Und nach allem, was man weiß und derzeit heiß diskutiert wird, geht es den jungen und derzeit in den Arbeitsmarkt einsteigenden Menschen genau darum: weniger Zeit mit Erwerbsarbeit verbringen zu müssen, daneben natürlich viel Flexibilität – und sinnstiftend soll das Ganze auch noch sein.
Die Reaktionen darauf fallen entsprechend aus: Arbeitgeberverbände klagen über die verwöhnten, viel fordernden und zudem illoyalen, weil oft den Arbeitsplatz wechselnden Blagen, und selbst die ehemalige SPD-Vorsitzende und jetzige Arbeitsagentur-Chefin Andrea Nahles redete der neuen Generation ins Gewissen: Ist kein "Ponyhof" da draußen!
Mehr Produktivität = weniger Arbeitszeit?
Nun, das ist es ganz gewiss nicht, aber auf dem Ponyhof beziehungsweise Arbeitsmarkt ist gerade dennoch einiges los. Stichwort: Fachkräftemangel. Stichwort: Demographie und Rentensystem. Stichwort: Wirtschaftswachstum am Laufen halten (im ersten Quartal sah’s damit bekanntlich ja recht mau aus). Passen die Forderungen der Jungen also zu dieser, auch noch von äußeren Faktoren wie Krieg und Klima befeuerten, krisenhaften Lage? Und wie kam der zugegeben bei neoliberalen Wirtschaftswissenschaftlern nicht unbedingt gelittene Keynes überhaupt zu seiner kühnen Prognose?
Letzteres zuerst: Er ging damals schlicht und richtigerweise von einer immensen Steigerung der Produktivität aus. Und machte dann die Gleichung auf: Mehr Produktivität = weniger Arbeitszeit. Diese ist aber nur zum Teil richtig, weil sie a) das Gewinnstreben sowohl von Arbeitgebern wie auch Arbeitnehmern und b) das somit systemimmanente Wachstumsgebot unserer Gesellschaft übersieht – im Übrigen auch das des Staates, der ja nicht ohne Grund und auf den ersten Blick paradoxerweise Arbeit am höchsten besteuert.
Und damit wieder zur sogenannten Generation Z und ihren Ansprüchen, über die man die Nase rümpfen kann, die es aber gar nicht gibt, also diese eine Generation jetzt. So ist es etwa eine akademische Phantom-Diskussion, wenn es um die Forderung nach einer besonders sinnhaften Betätigung, quasi dem unentfremdeten Pflanzen von Apfelbäumchen angesichts des bevorstehenden Weltuntergangs geht. Viele – auch junge Arbeitnehmer – haben gar nicht den Luxus, so etwas für sich in Anspruch zu nehmen.
Und doch gibt ihnen ihre Tätigkeit in vielen Fällen Wert und Würde. Einen Wert haben sie aber auch ökonomisch gesehen so oder so allesamt, und es ist schon eine besondere Pointe, dass ausgerechnet diejenigen, die ansonsten am lautesten nach dem Markt schreien, nun nicht bereit zu sein scheinen, in den Wettbewerb um junge Arbeitskräfte einzusteigen. Und stattdessen Forderungen mit Gegenforderungen (Aufhebung der seit 1918 geltenden Arbeitszeit etc.) beantworten.
Mit einer Sache hatte Keynes in jedem Fall recht
Nein, liebe Arbeitgeber, und das zum 1. Mai: In einer zunehmend und trotz aller Produktivitätsgewinne verdichteten Arbeitswelt kommt man so vielleicht nicht unbedingt an die knappen und besten Arbeitskräfte. Und aber auch nein, liebe "Generation Z": Eine Rundum-spaßige-sorglos-Teilzeit-Woche bei vollem Lohnausgleich wird es auch nicht geben. Aber es ist nunmehr in beider Hand. Und es lohnt sich, über die Zukunft und den Wert von Arbeit zu streiten, und zwar nicht nur an Feiertagen und auf lange Sicht. Denn, da hatte Keynes dann doch recht: "Auf lange Sicht sind wir alle tot."
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