„Verboten ist jede Veranstaltung von Maskenfesten, Redouten, Bal parés und dergleichen, sowie das maskierte Erscheinen auf öffentlichen Straßen“, diese höchstministerielle Verordnung ließ keinen Zweifel über die Einstellung der Staatsgewalt zu „Tanzlustbarkeiten“ im engeren wie auch erweiterten Sinn. In dieser Wortwahl ist das im Fasching des Jahres 1919 den Krumbacher Wirten „nachrichtlich“ übermittelt worden. Freilich: Heute wäre das unvorstellbar. Aber: Es ist lokale Geschichte zum Faschingsgeschehen vor Ort.
Polizei geht gegen „Vergnügungssucht“ vor
Damals, kurz nach dem verlorenen Krieg und in einer bedrückenden Epoche gab es ganz andere Sorgen: Der Münchner „Staatskommissär für Demobilmachung“ begründete die genannte Anordnung über Einschränkungen der Tanzlustbarkeiten im Bayerischen Staatsanzeiger: „Der Ernst der Zeit und die Notwendigkeit einer tunlichsten Einsparung von Brennstoffen, Beleuchtungsmitteln und Bekleidungsstoffen fordern eine Einschränkung der in der letzten Zeit das vernünftige Maß überschreitenden Veranstaltung von Tanzunterhaltung.“ Jahre später noch wurden die örtlichen Schutzmannschaften angewiesen, auch auf die Einhaltung der festgelegten Polizeistunde für Faschingsveranstaltungen „mit Nachdruck“ zu achten und „auch gegen sonstige Ausschreitungen der Vergnügungssucht ist mit Strenge vorzugehen“.
Tanzen erlaubt, Maskerade verpönt
Geraume Zeit später, im Jahr 1947, eröffnete das Landratsamt Krumbach den Herren Bürgermeistern des Landkreises erneut eine Verfügung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern. „Betreff: Fasching 1947“, worin klar definiert wurde, „dass in der gegenwärtigen Notzeit maskierte Tanzveranstaltungen nicht angebracht erscheinen und daher nicht zu erlauben sind“. Gegen die Zulassung von Tanzveranstaltungen in „bürgerlicher Kleidung“ sind hingegen keine Bedenken ausgesprochen worden. Solche Direktiven konnten jedoch nicht dauerhaft verhindern, was „Volkes Wille“ im Herzen Mittelschwabens war: Man erinnerte sich der Tanzvergnügen und Faschingsgesellschaften, die in Sälen und Lokalitäten vor dem Krieg für Lustbarkeiten und Abwechslung gesorgt hatten: Vorneweg die Bälle in Stadtsaal, Turnhalle und „Bärensaal“ oder die Faschingstermine im „Hirsch-Saal“ (bei Scheppach), dem „Adler-Saal“ (Munding), im Krone-Saal, der Einsle’schen Weinstube am Marktplatz oder im dort benachbarten „Cafe Kaiser“.

In Krumbach erwacht der Fasching zu neuem Leben
Anfang der 1950er Jahre kam der Krumbacher Fasching wieder richtig in Fahrt. Will heißen: Im Fasching anno 1950, vor genau 75 Jahren also, wusste sich Krumbach erstmals unter der Regentschaft närrischer Hoheiten, nämlich des Prinzen „Friedrich I. von den Rittlen“ (Fritz Eilingsfeld) und „Ihrer närrischen Durchlaucht Prinzessin Mimosa von Lichtenstein“ (Mimi Faist geborene Bader), die die „Volksherrschaft der Freude und des Frohsinns“ übernahmen. Die Mittelschwäbischen Nachrichten berichteten damals ausführlich: Beim ersten Hofball wurde dem erlauchten Paar ein jubelnder Empfang zuteil, der Auftritt begleitet von der Prinzenkapelle und Pagen. Die lokalen Faschingsgilden „Schlorper“ und „Zylinderer“ samt des Elferrates vervollständigten das Bild eines triumphalen Einzugs zur Thronbesteigung. Die Begrüßung des hohen Paares oblag, in launigen Worten formuliert, dem Hofmarschall (Roman Junginger) und dem Zeremonienmeister (Otto Noreisch). Im Kegel des Scheinwerferlichts vollzog sich die Thronbesteigung und die Verlesung der Regierungsproklamation des Prinzenpaares an die „Untertanen“, ehe Bürgermeister Franz Aletsee als Stadtoberhaupt „allergnädigst zur Audienz befohlen“ wurde. Alsdann regierte „Prinz Karneval“ - und das Volk erfreute sich am frohen Treiben. Bis nach Mitternacht sorgten das „Trommel-Trio Brunninger, Wilhelm, Ganz, die Ziemetshauser Nachtigall Fräulein Anni Kraile“, die Prinzenkapelle unter ihrem Hofkapellmeister Bene Niederwieser in „pausenloser Kombination mit der Schallplattenanlage“ für Unterhaltung bei Musik und frohem Tanz.

Die närrische Faschingssaison 1950 fand ihren Abschluss mit einem umjubelten Faschingszug, der auf das Motto „Gaudium um d’Kammel rum“ zugeschnitten war. Der damalige Berichterstatter war offenbar beeindruckt, als er festhielt: „Romantik und Barock, mit allen Akzenten der Lust und des Jubels, des Übermutes und des Spotts, der Narretei und der Zartheit, waren die geistige Basis, aus der gestaltend der große umjubelte Faschingszug erwachsen ist. Wahrhaftig, auch die Skeptiker sind bekehrt und die Schwermütigen beschwingt worden über dem Märchen, das sie in Krumbachs Straßen erwartete.“ Tatsächlich: Festwagen vieler Krumbacher Vereine, maskiertes Fußvolk, Musikvereine und -gruppen formierten sich zu einem Zug, zu dem auch Kutschen, Chaisen (und sogar ein Ochsengespann) zählten. Moritatensänger und – hoch auf dem Festwagen und weit über dem jubelnden Volk thronend – das Prinzenpaar. Alle „Kumbacher und Hürbener“ hatten damals mitgeholfen, den Faschingsumzug zu dem werden zu lassen, was er im Empfinden der Akteure und Betracht auch tatsächlich war: „Ein ganz großes Freudenfest“, notierte der Berichtende.
Kultig: Der Ball der Flurer in den 1950er-Jahren bricht Rekorde
Als ebenfalls in den beginnenden 1950er Jahren die „Flurer“ sich anschickten, das Krumbacher Faschingstreiben voranzubringen, erlebten die Flurerbälle viel Zuspruch. Premiere war im Faschingsfebruar des Jahres 1952. Die Dekoration des Bühnenraumes im wieder eröffneten Stadtsaal war symbolträchtig: Der alte Krumbacher Kirchturm und das Türmlein auf dem Flurbereinigungsamt suchten sich fröhlich zu umarmen – wie in den Stunden auch das Band der Freundschaft zwischen „den alten, mittelalten und neuen Bürgern der Stadt“ sichtlich enger wurde. Ein Situationsbericht im Rückblick: „Wenn die Scheinwerfer ihr wechselndes Licht über das bunte Gewoge der Tanzfläche gleiten ließen und vielfältige Reflexe auf die Maskenkleider, Flimmergirlanden, Wand- und Deckenflächen zauberten, dann erkannte der Ballbesucher die Berechtigung des Mottos „Fluoreszierende Nächte“.

Unter der Fülle humorvoller Einlagen nahm das Tauziehen um die Ansiedlung des Flurbereinigungsamtes in Krumbach einen besonderen Platz ein. Humoristischer Höhepunkt war der Einzug des Prinzenpaares mit obligater Regierungserklärung und ebensolchen Ordensverleihungen. Die Tagespresse wusste seinerzeit rückblickend zu berichten: „Die Weisen der unermüdlichen Tanzkapelle des Musikvereins sorgten dafür, dass die Wogen der Frohstimmung nicht abebbten, bis schließlich die fluoreszierenden Lichter dieser Nacht in der Dämmerung des nahenden Morgens verblassten“. Kein Wunder, dass damit ein Maßstab gesetzt war, den es im Folgejahr zu halten galt. Die originellen Faschingsbälle der Flurer wurden Kult, gehörten schnell zum Höhepunkt des Krumbacher Faschings. Über 700 Gäste belagerten im Folgejahr 1953 den Stadtsaal: Türkische Paschas, Beduinen-Häuptlinge, indische Fakire, Südseeinsulaner und Matrosen tummelten sich im dekorierten Saale, zusammen mit vornehmen Señoritas und leicht beschürzten Girls … Ein Ballbesucher hielt als Erinnerung seinerzeit fest: Dazwischen sah man ganz vereinzelt, wie naturgeschützte Überbleibsel aus vergangenen Zeiten auch mal einen zivilisationsdekorierten Mitteleuropäer und seltener noch ein weibliches Exemplar dieser Gattung in gewöhnlicher Kleidung …“. Ja es war Beobachtern vor Ort zufolge, augenscheinlich eine grandiose Schau, als die Flurer den „Ozean des Frohsinns durchpflügten“, keine Flaute aufkommen ließen und ein buntes Feuerwerk der guten Laune zündeten mit Einlagen, humorigen Darbietungen und dem Tanz in „Wind und Meer“. Die Kehrseite des guten Zuspruchs war, dass die Flurerbälle, von da an nur noch als geschlossene Veranstaltung gefeiert werden konnten – der Stadtsaal wäre sonst aus allen Nähten geplatzt, das Sicherheitsrisiko erschien nicht mehr tragbar. 1958 fand der letzte große Flurer-Ball im satt. Es folgten kleine interne Bälle im Bärensaal und später im Munding-Saal.
So entwickelt sich die närrische Jahreszeit in Krumbach bis heute
In den Folgejahren schickte sich der Turn- und Sportverein an, größere Faschingsunterhaltungen („TSV-Ball“, „TSV Kinder-Ball, „Kehraus“) zu gestalten, wie dies auch andere Vereine der Stadt in ihre Faschingsterminplanung aufnahmen. In Erinnerung sind hier die Einladungen von Alpenverein und Ski-Club, die Faschingsball-Aktivitäten des Motorsportclubs, des „Roten Kreuz“, der „Metzgergesellen“ und nicht zuletzt der „Sudetendeutschen Landsmannschaft“.
Heute sind die heimischen Faschingsgilden „Schlorper“, „Zylinderer“, „Rosenmontagswitwen“ und „Gaudiweiber“ fürs lokale Faschingstreiben aktiv. Und das konzentriert sich vornehmlich auf den Faschingsendspurt und den Rosenmontag.
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