Augsburger Puppenkiste wagt sich an den "Ring des Nibelungen"
Die Augsburger Puppenkiste hat keine Scheu vor Wagner. Seinen „Ring des Nibelungen“ dampft sie zu einem rasanten Comic ein - große Oper im kleinen Format.
Wagner! Seinen Namen spricht der Deutsche mit ehrfürchtiger Emphase aus. Ausgerechnet der Titan der Oper soll für die Augsburger Puppenkiste taugen?
Ja, er tut es und hätte gewiss seinen Spaß daran gehabt, wie treffend sein „Ring des Nibelungen“ mit leichter Hand fürs Marionettentheater inszeniert werden kann. Das Premierenpublikum am Freitagabend war hingerissen von der augenzwinkernden und doch werktreuen Adaption der vier Opern in zwei Spielstunden, hinter der zwei Jahre harte Arbeit stecken.
Natürlich dampft die Puppenkiste den Stoff auf die Essenz ein. Flott trabt das Spiel durch die oft verworrene Handlung. In der Kurzfassung wird nicht jedes Motiv für Intrige und Sinneswandel völlig klar. Aber was soll’s.
Der entstehende Comic ist keinesfalls oberflächlich, auch wenn er rasant durch die mythische Story prescht. Eine Kostprobe aus den Szenenbeschreibungen à la Puppenkiste: „Alberich legt Gold nicht konservativ an: Mime schmiedet ihm einen Ring der Macht daraus – den Wotan und Loge samt Goldhort rauben! Überraschung: Alberich verflucht den Ring!“
Bei den Puppen wurde der komödiantischen Lust freien Lauf gelassen
Der Ring leuchtet über allem im Bühnenbild der Puppenkiste. Er bildet die Zentralsonne über dem fatalen Gezerre im germanischen Götterhimmel. Wotan und Fricka herrschen darin reichlich dilettantisch, königlich ausstaffiert zwar mit Halskrause und Taftrobe, aber auf dem Kopf tragen sie hoch toupierte punkige Frisuren.
Florian Moch, der neben Buch und Inszenierung auch die Puppen für den „Ring“ schnitzte, hat sich bei seinen Figuren an das klassische Repertoire der Puppenkiste mit Knollennase, Hängebacken und hoher Stirn gehalten, doch dabei komödiantischer Lust freien Lauf gelassen.
Fafner und Fasolt treten als tapsige, kindische Riesen auf, gekrönt mit lächerlich kleinen Bauhelmen. Feuergeist Loge flattert als windiger Advokat herum. Hagen mit neckischem Pelzkragen kommt geradewegs aus der Travestieshow. Hunding bläst sich zum antiken Heroen auf, doch er muss sich seine Bedeutsamkeit ständig selbst vorsagen.
In seinen Soundtrack baut Enjott Schneider die Leitmotive Wagners ein
Der Gang der Ereignisse folgt Richard Wagners Libretto. Das heißt: Es wird immer jemand beraubt, übers Ohr gehauen, hinterrücks gemeuchelt. Auch die Götter ändern wankelmütig ihren Sinn, vor allem der ehebrüchige Wotan kuscht zur rechten Zeit vor seiner Fricka, mag er auch gerade noch seine Kinder Siegmund und Sieglinde geschützt haben.
Kurzum: Es geht in dieser Familie um wie in der Seifenoper. Irgendwann gerät fast jeder an jeden. Wenn das nicht reicht, stiften die Intriganten von außen Verwirrung, schüren Neid, verblenden sogar Verliebte. Und es muss unnachsichtig gestorben werden.
In solchen dramatischen Momenten dürfen Wagners Hörner nicht fehlen. Der Soundtrack des Komponisten Enjott Schneider baut sich effektvoll dräuend in seine elektronische Klangwelt ein.
Durchgängig greift er musikalische Motive Wagners auf, sodass der Opernkenner wohl auf seine Kosten kommt. Wie perlend steigen die drei nixenhaften Rheintöchter in ihrer Wasserwelt auf und nieder. Wie heftig tobt der Sturm. Wie schmachtend bekunden sich Siegmund und Sieglinde in der Höhle des Löwen ihre Liebe.
Ein Höhepunkt jagt in "Ring des Nibelungen" den nächsten
Munter zitiert das Libretto von Florian Moch aus der Weltliteratur, was gerade hineinpasst. Etwa Bert Brechts „Die im Dunklen“ oder Hamlets „Sein oder Nichtsein“. Enjott Schneider bedient sich ebenso freizügig an den Genres. Brünnhildes Techtelmechtel mit Siegfried unterlegt er mit entspannter Barmusik, ehe die Götterdämmerung auch musikalisch in die Suspense eines Krimis umschlägt.
In diesem „Ring“ jagt ein Höhepunkt den anderen und das Spiel packt die Zuschauer von Anfang bis Ende. Bühnentechnisch setzt Moch ganz klassisch Feuerzauber und Nebel ein. Der Drache Fafner auf dem Goldhort blinkt gefährlich mit rotglühenden Augen – was den rustikalen, furchtlosen Siegfried überhaupt nicht beeindruckt.
Eine Projektion lässt das Rheingold noch mehr glänzen und mitunter leuchten Wotan und Fricka als virtuelles Über-Ich im Hintergrund auf. Über allem schwebt schließlich weise im Lotossitz die Urmutter Erda mit der herrlich dunkel-rauchigen Stimme von Mechthild Großmann, der Staatsanwältin des Münsteraner „Tatorts“.
Termine: Noch acht Vorstellungen finden bis 8. Dezember und wieder am 17./18. April 2019 statt.
Karten: Tickets gibt es unter Tel. 0821/45034540 und unter www.puppenkiste.com.
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