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Essay
26.12.2020

Ist es (endlich) vorbei? Ein Rückblick auf das Jahr 2020

Demonstrationen in Deutschland gegen die Maßnahmen: mit Politikern und Virologen als Schuldigen (links oben) und mit Reichsflagge vor dem Reichstag (rechts unten); ansonsten weltweit (obere Reihe) das Ausheben neuer Gräber in Brasilien, die teils überforderten Hilfskräfte in New York und (untere Reihe) der links oben leere Markusplatz in Venedig und bei Ausgangssperre den Hilfskräften applaudierende Menschen in Spanien.
Foto: dpa/Kombo: AZ

Wir blicken zurück auf ein ganz besonderes Krisenjahr. Über Corona und die große Frage, ob man sich freuen darf, dass ein Jahr zu Ende geht.

Das Wort des Jahres, das Wort dieses Jahres ist ein Wort, das man in Deutschland seit vielen Jahren kaum benutzt hat, kaum benutzen musste. Es lautet: Zumutung. Die Bundeskanzlerin hat es oft verwendet, wenn sie vom Coronavirus und den dadurch nötig gewordenen Einschränkungen sprach, um eine "demokratische Zumutung" handele es sich dabei. Diejenigen, die eben jene Corona-Maßnahmen einhalten mussten, empfanden diese oft als "Zumutung", ihre Freiheit aufgeben zu müssen. Andere fanden es eine "Zumutung", überhaupt jene erdulden zu müssen, die sich über derlei doch aus ihrer Sicht eindeutig gerechtfertigten Zumutungen aufzuregen wagten.

Und wieder andere schrieben, das ganze Jahr 2020 wirke auf sie wie ein Albtraum, aus dem man einfach nicht aufwache, oder wie ein besonders schlechtes Skript für einen Horrorfilm, von dem es Endlos-Fortsetzungen gebe, fast wie "Und täglich grüßt das Coronavirus", was viele genauso als Zumutung empfanden wie einst Bill Murray in seinem ewig gleichen Tagesablauf im Film über das täglich grüßende Murmeltier...

Corona-Jahr 2020: Alles verschwimmt und wird gleichförmig

Nach so vielen Zumutungen in diesem Jahr ist es die ultimative Zumutung, eine Art Jahresrückblick auf das Jahr 2020 verfassen zu müssen? Ist den Menschen – und natürlich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser – das Gefühl zumutbar, dass man ein ganzes Jahr am liebsten ausradieren, vergessen, abhaken möchte? Darf man so was überhaupt? Ist es statthaft, ein Gefühl zu haben, wie vor kurzem, als die Uhr eine Stunde zurückgedreht wurde und mancher insgeheim stöhnte: Was, jetzt dauert dieses Seuchenjahr noch länger? Sind solche Überlegungen statthaft, wo es doch gerade immer um Fragen von Leben und Tod geht, und wir doch viele der aktuellen Maßnahmen gerade treffen, um Lebenszeit zu erhalten oder zu verlängern?

Dieser Essay kann und will diese großen Fragen gar nicht beantworten. Der Autor muss zugleich um Verständnis bitten, dass es eine Chronologie des Jahres gar nicht bieten kann, so furchtbar viel ist ja gefühlt außer Corona nicht passiert. An so schrecklich viel erinnert man sich auch gar nicht mehr, das ist vielleicht eine erste dieser "Corona"-Lehren, die nun ja alle einfordern: Wenn alles verschwimmt und so vieles gleichförmig wird, kann man sich auf seine eigene Erinnerung gar nicht mehr so gut verlassen.

Und, halt, andererseits gilt doch auch: In welchem Jahr haben wir jemals so viel erlebt? Wenn gerade über die "Corona-Generationen" an den Schulen gesprochen wird, heißt es dann nicht stets, die aktuellen Schülerjahrgänge hätten zwar vielleicht weniger aus dem Lehrplan gelernt, doch dafür so viel aus dem Leben und für das Leben? Improvisieren, erdulden, Opfer abverlangen, das kannten wir alle gar nicht mehr in Deutschland, deswegen eingangs der Hinweis zum aus der Mode gekommenen (oder ganz anders definierten) Begriff der "Zumutung".

Trotz Wut, Frust, Verzweiflung: Unterstützung für Corona-Maßnahmen bleibt hoch

Und jetzt? Natürlich kann man ewig darüber diskutieren, ob es wirklich eine mit dem Zweiten Weltkrieg vergleichbare Kraftanstrengung darstellt, daheim in der geheizten oder (je nach Jahreszeit) klimatisierten Wohnung bleiben zu müssen, mit genug gehamstertem Toilettenpapier natürlich. Aber jede Generation definiert das nun mal für sich selber, da hilft der Blick in die Geschichte wenig. "Pandemiemüdigkeit", mit dem Begriff hantieren wir nun – und wir reden auch, als wieder der Lockdown (oder Lockdown Light?) begann, von einem Déjà-vu, also dem (irreführenden) Eindruck, dass man gerade etwas wieder erlebt, was man schon einmal erlebt hat binnen nur eines Jahres?

In einem Spätkauf läuft die TV-Ansprache von Bundeskanzlerin Merkel auf einem kleinen Fernseher.
Foto: Christophe Gateau, dpa (Symbolbild)

Psychologen bieten eine Erklärung, warum uns das so umtreibt: Weil die Angst mitschwingt, dass, was sich einmal vermeintlich wiederholt, auch ein zweites, drittes, x-tes Mal wiederkehren kann. Das erklärt gerade die ungeheure Nervosität quer durch die Republik angesichts der (neuen) Lockdown-Maßnahmen. Zwar bleibt die Unterstützung dafür in Umfragen hoch. Doch wenn die Umfrageinstitute weghören, ist anderes zu hören: Wut, Frust, Verzweiflung, auch Hilflosigkeit. Im März dachten viele Bürger noch, ein wenig Zusammenreißen werde reichen, manche Veränderung war auch aufregend neu. Und: Der Sommer stand vor der Tür. Jetzt, im Winter, wird es um fünf Uhr dunkel, wie lange alles dauert, ist ungewisser denn je – genau wie die Frage, siehe oben, ob es der letzte Lockdown bleiben wird.

Daher die kollektive Gespanntheit, die auch Angespanntheit ist, dieses gemeinsame Hinfiebern auf die nächste Pressekonferenz, auf die nächste Live-Schalte, gelegentlich auch das Unwohlsein, wie schnell das alles gehen kann mit der Freiheit, die zumindest teilweise auch wieder abgeschafft werden kann?

Das war für uns Journalisten, für uns Bürger, die ganze Krise lang eine Abwägungsfrage, und diese erlebte durchaus verschiedene Phasen. Im Frühjahr schien es eine Zeitlang, als dürfte man solche Fragen wie gerade formuliert gar nicht mehr stellen. Das war die Phase, als etwa Die Zeit schon den Ober-Virologen Christian Drosten als unseren neuen Bundeskanzler ausgerufen hatte. So ein Virologen-Bundeskanzler könnte auch richtig durchregieren, denn demokratische Vorbehalte schienen in Sachen Virenpolitik ja gerade kurzerhand weitgehend abgeschafft. Abgeschafft hatte sich praktischerweise auch die Opposition in Bundestag und Bundesrat, selbst wenn es um einen Corona-Nachtragshaushalt in Höhe von 156 Milliarden Euro ging.

Im Frühjahr wirkte es, als gäbe es in Deutschland keine Parteien mehr

Fast wirkte es im Frühjahr, als gebe es in Deutschland keine Parteien mehr, nur Corona-Bekämpfer. Drohte der aktuelle Ausnahmezustand – politisch, gesellschaftlich, wirtschaftlich – zur Regel zu werden? Und: Durfte man diese Frage überhaupt noch stellen?

So absurd, wie das jetzt klingen mag, war diese Frage damals gar nicht: Als der Autor dieses Essays wenige Wochen nach Beginn der Corona-Krise einen Text mit der Überschrift "Schaffen wir gerade unsere Freiheit ab?" verfasste, erhielt ich tausende von Zuschriften, darunter sehr kritische. Tenor von vielen: Wer als Journalist die aktuellen Schutzmaßnahmen auch nur hinterfrage, handele mindestens unsolidarisch, wenn nicht gar ungehörig.

Wen überraschte also, dass Fragen zur Sinnhaftigkeit mancher Corona-Politik anfangs kaum zu hören, sehen, lesen waren – dafür aber sehr viel eilfertige Verbreitung der gerne auch mal widersprüchlichen Aussagen von Medizinern (merke: fast unfehlbar) oder gar Virologen (merke: in jedem Fall absolut unfehlbar!). Was man oft nicht mehr zu stellen wagte, waren solche Fragen wie: Was zur Hölle machen wir da gerade? Vergessen wir aus Angst vor dem Virus jede Abwägung? Und sollte uns nicht frösteln lassen, mit welcher Geschwindigkeit Grundrechte zur Disposition gestellt werden?

Die Gegenargumentation war immer gleich: Rechte seien ja nur kurzzeitig ausgesetzt und nur in allerbester Absicht. Und außerdem: Was bitte schön sei die Alternative?

Springer-Chef Döpfner: Auftrag der Journalisten darf sich nicht ändern

Dass Mediziner so argumentieren müssen,  wenn es um Lebensschutz geht, ist klar. Aber darf es ein reines Primat der Medizin geben, wenn eine ganze Gesellschaft so stark eingeschränkt wird wie seit dem Weltkrieg nicht mehr – und unsere Wirtschaft zweistellige Wachstumsverluste erleiden könnte, mit all den lebensverkürzenden Maßnahmen (Selbstmorde, Verzweiflung, Depressionen!), die damit einhergehen?

Man konnte in diesen (ersten) Virus-Wochen den Eindruck gewinnen, die Politik schiebt die Legitimation unpopulärer Maßnahmen nur auf Wissenschaftler ab, die aber nun mal nicht gewählt sind – und sich (zu Recht!) auch laufend selbst korrigieren.

Das letzte Gegenargument gegen Kritiker der aktuellen Corona-Politik lautete: Sie lieferten ja keine Alternativvorschläge. Aber Kritik an Entwicklungen muss die nicht immer liefern, Alternativen können sich durch Debatte entwickeln.

Springer-Chef Matthias Döpfner hielt bemerkenswert klar fest: "Am Auftrag der Journalisten darf sich aber auch in der Krise nichts ändern. Gerade dann nicht. Sie sollten weiter zweifeln und hinterfragen. Es braucht jetzt nicht nur Solidarität und Gemeinsinn, sondern auch Kritik. Und vor allem Vielfalt der Informationen und Meinungen. Wir brauchen keine zentralstaatliche Propaganda, sondern einen Wettbewerb kritischer Intelligenz."

Debatte über Corona-Krise ist schwierig geblieben

Man könnte auch sagen: Diskussionsbereitschaft war in Deutschland in dieser Krise besonders "systemrelevant". Zum Glück hat sich diese Debatte weiter entwickelt. Sie ist aber schwierig geblieben, auch für uns Medien. Viele Leser hielten uns erst vor, das Virus zu verharmlosen. Bald schrieben Kritiker, wir würden es im Regierungsauftrag hysterisch dramatisieren, Angela Merkel oder Markus Söder erteilten uns offenbar täglich Schreibbefehle. Aus Frust bestellten manche die Zeitung ab. Manche glauben auch nur noch ihren eigenen Fakten, sie surfen in Internetforen, schauen YouTube oder ServusTV und sind ganz felsenfest überzeugt, dass den "Rechercheuren" dort in jedem Fall zu trauen ist, uns Journalisten hingegen in keinem Fall.

Wir diskutierten in unserer Redaktion viel darüber, wir tun es noch immer. Sollten wir etwa mehr dieser kritischen Stimmen zu den aktuellen Corona-Maßnahmen ins Blatt heben? Manches aber können wir nicht diskutieren. So wie wir keinem fanatischen Klimaschutzgegner Raum geben oder eine Holocaust-Leugnerin zur Erinnerungskultur befragen würden, wollen wir keine Tribüne bieten für Leute, die das Virus völlig verharmlosen oder als große Verschwörung abtun. Wir wissen mittlerweile: Ja, Corona ist tödlich, das Virus hat weltweit bereits weit mehr als eine Million Menschen getötet. Aller Wahrscheinlichkeit nach wäre der Ausbruch ohne restriktive Maßnahmen deutlich schlimmer verlaufen. Mit einer Grippe ist Corona wahrlich nicht vergleichbar. Natürlich gibt es akute Nebenwirkungen der Pandemiebekämpfung, soziale, gesellschaftliche, gesundheitspolitische und ökonomische – aber es gibt eben auch die reale Gefahr einer Überforderung unserer Gesundheitssysteme, wie jetzt in der zweiten Welle zumindest möglich scheint.

Ebenso nehmen wir jedoch wahr: Die Corona-Rettungspolitik schwankt und muss sich oft revidieren, die Debatten um Masken, Tests und nun die Ausgestaltung der aktuellen Lockdown-Maßnahmen sind dafür gute Beispiele. Noch immer tasten sich die Politiker voran, ihnen fehlt es in der Regel an medizinischer Qualifikation. Wissenschaftler haben diese Qualifikation, laufen aber Gefahr, den Gesundheitsschutz über alles zu stellen. Zudem korrigieren sie sich oft, was wissenschaftlich verständlich ist, aber Menschen verständlicherweise verwirrt.

Man kann Politik und Wissenschaft kaum vorwerfen, dass sie beim Umgang mit einer ganz neuen Bedrohung Fehler machten. Unsere Aufgabe, als Medien und Bürger, ist jetzt aber, genau nachzufragen, was wie nötig ist, bleibt, wird – ohne das Argument zu fürchten, der Gesundheitsschutz verbiete Debatten. Und, wichtig, auch denen zuzuhören, die kritisch sind, aber nicht gleich radikal. Dass wir alle wieder aufeinander zugehen müssen, könnte die schwierigste Corona-Nachwirkung sein.

Viele zittern während der Corona-Pandemie um ihre Arbeitsplätze

Denn natürlich kommen wir Deutschen bislang zum Glück weit besser durch diese Krise als viele andere Völker und Länder. Doch existenzielle Krisen wirken individuell, sie beeinflussen den fiebrigen Geist oft stärker als den kühlen Verstand. Das erklärt die Unruhe, die Deutschland erfasst hat, durch alle Schichten und Lebensbereiche. Unsere Wirtschaft ist verpflastert durch Kurzarbeit und Rettungspakete. Aber das Abziehen dieser Pflaster wird sehr wehtun, und manche Branchen könnten nicht nur Schrammen behalten, sondern gar verschwinden.

Die Politik sonnt sich zwar im Umfragehoch, zittert aber zugleich vor Zorn und Frust der Bürger. Denn der ist spürbar, jenseits von irren Reichstagsstürmern. Mit jeder Woche Corona wird klarer, dass das Virus zutiefst ungerecht ist. Bürger, die von der Krise kaum etwas spüren, vielleicht gar Entschleunigung genießen, leben Seite an Seite mit anderen, die sich ihrer Lebenschancen beraubt sehen. Wir fordern von den Jungen, dass sie für die Alten ihr Leben auf "Halt" stellen, halsen ihnen zugleich aber Milliardenschulden auf. Wir bestellen sicher von zu Hause, während die Auslieferer und Paketboten sich auf die Straße trauen müssen. Viele zittern um ihre Arbeitsplätze, Börsenmakler zittern vor Aufregung über neue Höchststände. Und manche Bereiche, die Kultur etwa, bekamen mehr oder weniger offen mitgeteilt, sie seien leider nicht so wirklich relevant, jedenfalls nicht so sehr wie Baumärkte.

Diese Spaltungsgefahr lässt sich übertragen auf die große Welt. Dies ist die erste globale Krise seit Menschengedenken, in denen die Vereinigten Staaten von Amerika nicht als Retter in der Krise auftreten, sondern eher als Krisenfall erscheinen. Das hatte viel mit dem irrlichternden Mann im Weißen Haus zu tun, der zum Glück bald ausziehen muss aus dem Weißen Haus.

Aber eben nicht nur. Schon seit geraumer Zeit zeichnete sich ab, dass die Amerikaner sich selber so zerfleischen, politisch und gesellschaftlich, dass sie in einem failed state, einem gescheiterten Staat, leben. Sie werden als Ordnungsmacht so schnell nicht ihre alte Rolle zurückfinden, auch nicht unter einem Präsidenten Joe Biden. Weite Teile von Latein- und Südamerika, genauso wie Afrika, dürften durch die Pandemie noch weiter abgehängt werden als zuvor. Zugleich erleben wir einen Aufstieg Chinas, von Asien generell, das vom Krisenherd zum Krisengewinnler werden könnte. In Europa hingegen müssen wir aufpassen vor einer neuen Spaltung. Deutschland könnte noch übermächtiger werden, deswegen ist die beschlossene europäische Solidarität auch so wichtig.

Krisenmanagerin Merkel hielt "Blut, Schweiß und Tränen"-Ansprachen

Manche hoffen, dass die Populisten durch das Virus (und ihre inkompetenten Reaktionen drauf, siehe Trump) entzaubert wurden, aber das könnte eine Illusion sein. Im Krisenmanagement haben sich Volksparteien und auch unser Führungspersonal bewährt. Handeln war richtig. Doch das Heilen und Versöhnen wird der wichtigere – und schwierigere – Teil sein.

Kanzlerin Angela Merkel hat sich als akute Krisenmanagerin bewährt, wie so oft in ihrer Karriere. Für ihre Verhältnisse hat sie sogar "Blut, Schweiß und Tränen"-Ansprachen gehalten. Sie wirkte strenger als andere Politiker, auch weil Merkel als eine der wenigen aktuell handelnden Personen nichts mehr werden will. Selbst wenn es zynisch klingt: Die Corona-Krise hat der Krisenkanzlerin die ideale Abschiedsrampe gebaut. Visionen und Reformen werden wir in ihrem letzten Regierungsjahr von ihr nicht mehr erleben. Aber das erwartet auch niemand mehr.

Das muss ihr Nachfolger (eine Frau steht ja nicht zur Wahl) angehen. Das könnte, wenn die CDU-Herren sich weiter so zerstreiten, am Ende durchaus ein CSU-Mann sein, der ganz im Gegensatz zu früheren Stationen seiner politischen Karriere keine Armlänge Abstand mehr zwischen sich und der Kanzlerin duldet: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Er hat als Krisenmanager viele überzeugt. Freilich: Viele seiner avisierten politischen Ziele blieben wegen der Krise auch in Bayern notgedrungen liegen. Die Jahresbilanz, auch für Herrn Söder, lässt sich erst aufmachen, wenn das Virus (hoffentlich) gebändigt ist.

Wir dürfen den Wunsch nach einem besseren 2021 nicht aufgeben

Es seien seltsame Zeiten, auch diesen Satz hat man so oft wie selten gehört. Ich habe einmal nachgelesen, was ich im Rückblick vor einem Jahr geschrieben habe – und siehe da, darin fand sich die Passage: "Zuletzt war ich Gast bei einer Diskussionsveranstaltung, in der ein Redner darauf hinwies, das sei ja alles richtig, so viele gute Wünsche würden nun gerade ausgesprochen, auf so viel Besseres für die nächsten zwölf Monate gehofft, wie schön das sei! Doch gebe es aus seiner Sicht eine große Ausnahme: Dass es politisch ein gutes neues Jahr, ein besseres Jahr werde, diesen Wunsch oder auch diese Überzeugung habe er schon sehr lange nicht mehr gehört, so der Redner … tatsächlich lässt sich in den letzten Tagen des Jahres 2019 – und zum Beginn des Jahres 2020 und damit auch eines neuen Jahrzehnts – eines feststellen: Wir leben in seltsamen (politischen) Zeiten. Und ob diese besser werden? Das zu wünschen traut sich offenbar kaum jemand zu. Wohl, weil dieser Wunsch so schwer erfüllbar wirkt."

Dieser Wunsch nach einem besseren Jahr, er wirkt zu diesem Wechsel ins Jahr 2021 noch schwieriger einlösbar, noch unwahrscheinlicher. Aber aufgeben dürfen wir ihn auf keinen Fall.

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