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„Die Bonnards“: Das faszinierende Liebesleben von Pierre Bonnard und seiner Muse Marthe

Neu im Kino

Dem Film „Die Bonnards“ gelingt das feinfühlige Porträt eines Künstlerpaars

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    Model und Muse, schließlich Lebensgefährtin und Ehefrau: Marthe (Cécile de France) und Pierre Bonnard (Vincent Macaigne) in Martin Provosts Film „Die Bonnards“.
    Model und Muse, schließlich Lebensgefährtin und Ehefrau: Marthe (Cécile de France) und Pierre Bonnard (Vincent Macaigne) in Martin Provosts Film „Die Bonnards“. Foto: Prokino.de/dpa

    Mehr als 2000 Gemälde und Zeichnungen hat der französische Spätimpressionist Pierre Bonnard (1867-1947) hinterlassen. Auf etwa einem Drittel der Bilder des umfangreichen Gesamtwerks ist ein und dieselbe Frau zu sehen: Marthe de Méligny, die über fünfzig Jahre für den Maler Modell, Muse, Lebensgefährtin und sehr spät auch Ehefrau war. In seinem Film „Die Bonnards – Malen und Lieben“ blickt Regisseur Martin Provost auf die Liebes dieses Paares, die ein solch enormes Ausmaß an künstlerischer Inspiration freigesetzt hat. Provost, der bereits mit „Séraphine“ und „Violette“ zwei unterschätzte Künstlerinnen porträtierte, legt hier Maler und Muse als zwei ebenbürtige Filmfiguren an und stellt deren wechselhafte Beziehung zueinander ins Zentrum des Interesses.

    Nachdem Pierre Bonnard (Vincent Macaigne) die junge Frau auf der Straße angesprochen hat und sie ungeduldig für ihn Modell steht, fragt Marthe (Cécile de France), warum immer nur nackte Frauen und nie nackte Männer auf Bildern zu sehen seien. „Weil die Männer malen und nicht die Frauen“, lautet die knappe Antwort Bonnards, mit der die patriarchalen Machtverhältnisse im Künstlermilieu des ausgehenden 19. Jahrhunderts auf den Punkt gebracht werden. Schon nach dem ersten Aktgemälde entwickelt sich zwischen Pierre und Marthe eine leidenschaftliche Liebesbeziehung. Auf Drängen des Malers, der sie „ganz für sich“ haben will, gibt Marthe ihren Arbeit als Seidenblumennäherin auf. Sie hat sich mit falschem Namen als Nachfahrin italienischer Adliger vorgestellt und wird über mehrere Jahrzehnte ihre Herkunft aus einfachen proletarischen Verhältnissen geheim halten.

    Fern von Paris findet Bonnard zu seiner produktivsten Phase

    In der Pariser Kunstboheme fühlt sich Marthe nie wohl. In der Normandie erwirbt das Paar ein abgelegenes Haus an der Seine, wo sie frei von allen gesellschaftlichen Zwängen ihr verliebtes Leben führen können. Nackt laufen sie über die Wiesen und baden jeden Tag im Fluss. An dem magische Rückzugsort findet Bonnard zu seiner produktivsten künstlerischen Schaffensperiode. In der früheren Kunstgeschichtsschreibung wird Marthe oft als „Kerkermeisterin“ des Malers bezeichnet, die ihn von den Einflüssen der Pariser Kunstszene ferngehalten hat. Provost zeigt hingegen, dass das freie Leben in der Natur den kreativen Grundstein für die künstlerische Entfaltung liefert.

    Aber natürlich bleibt es nicht auf ewig bei der monogamen Liebesidylle. Marthe leidet an schwerem Asthma und die medizinische Prognose verspricht ihr kein langes Leben. Pierre wendet sich wieder dem Pariser Leben zu, hat Affären mit anderen Frauen, die für ihn Modell stehen, und verliebt sich schließlich in die amerikanische Kunststudentin Renée (Stacy Martin). „Sie sind ein Mythos“ sagt Renée, als sie Marthe zum ersten Mal begegnet. Der Versuch, mit beiden Frauen in einer Menage à trois zu leben, scheitert. Als Pierre mit Renée nach Rom aufbricht, gerät Marthe in eine tiefe Krise. Aus dem Schmerz des Verlassenseins fängt sie selbst an zu malen und landet nach Pierres reumütiger Rückkehr in Paris mit ihrer ersten Ausstellung einen Überraschungserfolg. Dennoch wird sie als Künstlerin nie wirklich aus dem Schatten ihres Ehemannes heraustreten.

    Die Frau ist hier alles andere als passive Muse

    Mit „Die Bonnards“ ist Provost ein sehr feinfühliges Porträt einer Künstlerbeziehung gelungen, das die Dynamik im ungleichen Verhältnis zwischen Maler und Muse erforscht. Cécile de France befreit ihre Figur vom Klischee der passiven Muse, die einzig als Inspiration für das männliche Genie fungiert, ohne sie dabei zu einer feministischen Ikone zu verzerren. Der Film stellt sich ohne Parteinahme, aber auch ohne Verklärung der Komplexität dieser außergewöhnlichen Liebe. Sehr gelungen sind dabei die Szenen, in denen Provost den Prozess der Inspiration auf sehr sinnliche Weise visualisiert, indem er die Naturerfahrung und die persönlichen Emotionen seiner Figuren auf der Kinoleinwand wie die Farben eines Gemäldes ineinander fließen lässt.

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