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Genuss: Warum Rosé auch im Winter schmeckt

Genuss

Warum Rosé auch im Winter schmeckt

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    Rosé – auch ein wintertauglicher Begleiter.
    Rosé – auch ein wintertauglicher Begleiter. Foto: Stock adobe

    Michael Huber liebt Wein. Nun ist er aber weder Winzer noch Weinhändler oder Sommelier geworden, sondern Koch. Davon profitieren die Gäste im „Restaurant Huber“, das in einer stillen Nebenstraße in München-Bogenhausen liegt. Denn in der gebürtig schwäbischen Familie aus Krumbach spielt der Wein übergreifend eine wichtige Rolle. Vater Meinrad verwaltet einen eindrucksvollen Keller (der, zur Freude der Gäste, für das kleine Lokal eigentlich viel zu voluminös und ausgefeilt ist) mit großer Jahrgangstiefe. Sohn Michael spielt kulinarisch virtuos auf dieser Klaviatur. Auch deshalb gibt es im „Huber“ keinen Sommelier. Der steht nämlich in der Küche, und die Kundschaft darf sich auf perfekte Kombinationen mit einem wirklich anständigen Preis für die Flasche Wein freuen.

    Manchmal jedoch gerät auch Michael Huber an die Grenzen: „Im Winter kombiniere ich gerne 'Bigoli', also eine venezianische Nudelsorte aus Weizen- und Roggenmehl, mit Eigelb und weißem Trüffel. Weißburgunder oder Grauburgunder wären die üblichen Verdächtigen. Sie passen zwar theoretisch, bauen aber keine wirkliche Spannung zu diesem Gericht auf. Und Rotwein ist meiner Meinung nach weit drüber.“ Genau an diesem Punkt biegt Huber, der sich in gut zehn Jahren von der Neueröffnung des Restaurants bis auf stabile zwei Hauben (früher 16 Punkte) im „Gault & Millau“ gekocht hat, ab in Richtung einer Wein-Bereitung, die man in völlig anderem Zusammenhang verortet: Rosé. 

    Rosé – früher oft von banaler Restsüße begleitet

    Lange Zeit wurde die dritte Farbe im Wein überhaupt nicht ernst genommen. An den ersten warmen Tagen im Sommer begann ihr Auftritt auf Balkon und Terrasse mit fruchtbetonten Tropfen, die ein Hauch von Kohlensäure und manchmal banaler Restsüße begleitete. Der Zauber verflog nach Freibad und Gartenparty mit dem Ende der Sommerferien. In dieser Zeit klebte auch noch das belächelte und unberechtigte Image vom „Frauen-Wein“ an der Flasche. Für viele Winzer war der Rosé ein Produkt, das man gut verkaufen konnte, wenn das Lesegut und die Rebsorten keine optimalen Rotweine hervorbringen konnten. Ein Rosé ging halt immer noch. 

    Um Missverständnissen vorzubeugen, sei es einmal deutlich gesagt: Rosé ist keine Mischung aus weißen und roten Trauben. Und auch keine Cuvée oder gar eine eigene Rebsorte. Rosé ist immer aus roten Trauben gekeltert. Jedoch werden die Schalen, in denen sich, neben den Gerbstoffen, auch die Farbstoffe befinden, nach kurzem Kontakt mit dem Saft abgezogen. So entsteht die animierende Farbe. 

    Zwei ambitionierte Weingüter in Deutschland erkannten schon vor einigen Jahren, welches Potenzial in diesem „verhinderten Rotwein“ steckt. „Als wir angefangen haben mit Rosé, war das Image wirklich schlecht. Deshalb haben wir diesen Weintyp nicht einfach mitgenommen, sondern bewusst auf die Qualitäten hingearbeitet, die möglich sind“, sagt Stephan Knipser, der mittlerweile drei verschiedene Rosé im Sortiment hat. Den „Clarette“ des Weingutes Knipser hat ein Kritiker ganz schlicht mit dem Titel „Fast wie ein Aufputschmittel …“ geadelt. Ein seriöser Sommerfreund ist er auf jeden Fall. 

    Ein Saft, zu Höherem berufen

    Doch die Knipsers wollten weiter. Im Jahr 2015 begannen sie, den Saftabzug ihrer absoluten Top-Rotwein-Cuvée „XR“ aus den Bordelaiser Rebsorten Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc und Merlot auszubauen. Die Basis dafür ist das sogenannte Saignée-Verfahren, bei dem die Rotwein-Maische, also die Beeren mit dem Saft ohne Pressung belassen wird. Der Saft, der dann abläuft (quasi „ausblutet“ – „saigner“ auf Französisch „bluten“), kann die Basis für Rosé werden, wenn die Rahmenbedingungen stimmen wie im Weingut Knipser. „Das ist ja hochwertiger Saft, der da abläuft. Der ist unbedingt zu Höherem berufen“, sagt Stephan Knipser, „zum Beispiel zur Weihnachtsgans.“ Im pfälzischen Laumersheim wird der Saftabzug also ein Dreivierteljahr auf der Hefe belassen, ehe er für fast ein Jahr jeweils zur Hälfte in neue und gebrauchte kleine Eichenfässer (Barriques) kommt. Heraus kommt ein sehr konzentrierter Rosé, der Aromen von Johannisbeeren, Himbeeren und auch einen Hauch von Kokosnuss in sich trägt. Es gibt nur 6000 Flaschen davon. Michael Huber kombiniert dazu am liebsten „Landhendl mit zweierlei Wurzelgemüse/geschnitzt und Püree“.

    Restaurant Huber, Newtonstraße 13 in 81679 München, 089-985152, www.huber-restaurant.de,
    2021 Rosé Fumé, 20 Euro, www.shop.weingut-knipser,de

    Die Vorbilder für diese Art von Rosé kommen aus der Provence. Dort gehört er auch im Winter selbstverständlich auf den Tisch. Im Hinterland von Nizza ist auf einer der ältesten Terrassenanlagen Frankreichs so ein „Rosé für Erwachsene“ zu finden. Die dazugehörige Appellation „Bellet“ gehört mit ihren gerade mal 40 Hektar zu den kleinsten der großen Wein-Nation. Giovanni Sergi („Gio“) erschafft dort in reiner Handarbeit aus der Rebsorte Braquet einen Rosé, der, blind verkostet, nicht als solcher zu erkennen ist. Rosmarin und Thymian, auch Wildrose und andere florale Aromen machen ihn mit seiner Struktur zu einem wirklich hochwertigen Wein. Dabei erscheint er kraftvoll auf der Zunge mit salziger Würze am Gaumen und bleibt trotzdem belebend frisch und zart dabei. Ein großer Spagat ist das, der vortrefflich gelingt. Das wissen auch die Weinfreunde in Nizza, wo dieser Tropfen binnen weniger Wochen immer ausverkauft ist und leidenschaftlich getrunken wird. Einige Flaschen haben es dennoch nach Deutschland geschafft. Bei zwölf Grad Serviertemperatur im großen Bordeaux-Glas leuchtet er taghell.
    2022 Le Clos, Vin de Bellet Rosé, Clos Saint Vincent, 29,90 Euro, www.weinhalle.de
     

    Auch ein Rosé-Fan: Nicola Neumann kombiniert den vermeintlich bourgeoisen rosa Schäumer auch zur rustikalen Wurstplatte.
    Auch ein Rosé-Fan: Nicola Neumann kombiniert den vermeintlich bourgeoisen rosa Schäumer auch zur rustikalen Wurstplatte. Foto: MIKA-Fotografie

    Der Blick nach Frankreich ist unabdingbar bei der dritten Dimension des Weines neben Weiß und Rot. Allein schon deshalb, weil es in der „Grande Nation du Vin“ im Gegensatz zu Deutschland eine Geschichte des hochwertigen Rosé-Weines gibt. Dazu gehört natürlich auch der Champagner, der ja hauptsächlich nur aus einer weißen (Chardonnay) und gleich zwei roten Rebsorten (Pinot Noir = Spätburgunder und Pinot Meunier = Schwarzriesling) hergestellt wird. Nun verorten viele Weintrinker den Champagner als Feiergetränk, mit dem man auf Geburtstagen und Formel-Eins-Siegesfeiern herumspritzt. In Wirklichkeit ist Champagner ein wunderbarer Speisenbegleiter – und seine Rosé-Ausgabe erst recht. Diese Erfahrung machte auch Nicola Neumann. In ihrem Onlineversand, aber auch im Ladengeschäft mit dem Namen „Champagne Characters“ mit einem Sortiment von bis zu 850 verschiedenen Schaumweinen stellt sie fest, „dass Rosé-Champagner zunehmend als Essensbegleiter gefragt ist, weil er superspannende Kombinationen mit Speisen ermöglicht“. Auch ihre Kunden aus der Gastronomie ordern genau aus diesem Grund die rosa Ausgaben des feinen Getränks. Nicola Neumann selbst kombiniert zum vermeintlich bourgeoisen Schäumer am liebsten eine „rustikale Wurstplatte mit kräftigen Salamisorten“.

    2018 Rosé de Saignée, Sadi Malot, 54 Euro, www.champagne-characters.com

    Für die Winterküche braucht der Rosé geschmackliche Tiefe

    Was aber macht den wintertauglichen Rosé eigentlich aus? Zum Ersten ist eine hohe Qualität der Trauben wichtig, denn der Rosé, der im Winter mit den jahreszeitlichen Gerichten mithalten soll, braucht geschmackliche Tiefe, Vielschichtigkeit und auch eine gewisse Kraft. Im Weinkeller trägt der Ausbau im gebrauchten oder neuen Holz dazu entscheidend bei. Dort kann eine sogenannte malolaktische Gärung (von der scharfen Apfelsäure hin zur milderen Milchsäure) den rosa Helden der kalten Jahreszeit mehr Cremigkeit verleihen, der durch eine längere Maische-Standzeit auch etwas mehr an Gerbstoff mitbekommen hat, was die Lagerfähigkeit im heimischen Keller verlängert. Dann kann diese Art von Wein auch wunderbar Rotwein ersetzen. Wichtig, wenn man Gäste hat, die partout keinen Rotwein mögen oder vertragen. Und man hat eine Attraktion auf dem Tisch: gereiften Rosé. Wer kennt das schon?

    Einen Nachhilfekurs in dieser Disziplin kann man im Weingut Aldinger in Fellbach bei Stuttgart erleben, wenn die Herren des Hauses, Vater Gert und die Söhne Hansjörg und Matthias, ihre Rosé-Weine aus früheren Jahren einmal herzeigen. Neben dem „Bentz-Rosé“ für die warme Jahreszeit gibt es seit 2008 den „Reserve Spätburgunder Rosé“. „Wir mussten damals so viele Menüs begleiten mit unseren Tropfen. Da sind mir die Varianten im Wein ausgegangen, und dann hab’ ich mit zwei Barriques angefangen, in die ich den feinen Saft von unseren ersten Lagen und großen Gewächsen vom Spätburgunder gelegt habe nach der Vergärung.“ Von vordergründiger Kosmetik bei der Herstellung von Rosé hält Gert Aldinger nicht viel: „Die Branche hat viel zu lang versucht, aus schlechten Trauben einen attraktiven Rosé zu machen. Aber das funktioniert einfach nicht.“ 

    Auch geeignet für Käsespätzle

    Seine beiden Söhne haben sogar noch einen draufgesetzt beim Rosé. „Irgendwann kam ich heim und merkte, die Buben haben in unserer Lage ‚Untertürkheimer Gips‘ eine kleine Menge Trollinger gelesen. Danach habe ich von dieser Charge nie mehr was gehört“, erzählt der Seniorchef. Trollinger? War das nicht die Brot- und Buttersorte, die oft, misshandelt mit Maische-Erhitzung und Süß-Reserve, sehr schlichte Weine hervorbrachte, die den Ruf Württembergs als Anbaugebiet nachhaltig schädigten? Die neuen Chefs haben auf all diese Behandlungen verzichtet und auch auf jegliche Filtration und Klärung. Der „Untertürkheimer Gips Trollinger Rosé“ ging vom ersten Moment an durch die Decke bei den Verkostern in der deutschen Weinszene. Der Preis dafür ist dreistellig (100 Euro), wie auch die Anzahl der verfügbaren Flaschen (nur 600 pro Jahr).

    „Den Trollinger Rosé setze ich ein wie einen großen Chardonnay zu einem geräucherten Saibling“, sagt Gert Aldinger. Den „Rosé Spätburgunder Reserve“ sieht er als „klassischen Krustentier-Wein“, aber auch geeignet für Kässpätzle in der kalten Jahreszeit, „weil er Wums hat und trotzdem Frische“. Mit der wahren perfekten Speisenempfehlung rückt Aldinger dann erst spät raus: „Eine richtig gute Zigarre am Kamin.“

    2021 Reserve Spätburgunder Rosé, 22 Euro, www.weingut-aldinger.de

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