Karoline Herfurth, wie gut ist es mittlerweile um Ihre Pole Dance-Fähigkeiten bestellt?
KAROLINE HERFURTH: (lacht) Ich hab’s seit dem Dreh nicht mehr ausprobiert. Aber das war ein sehr lustiger Drehtag, auch, weil ich genau an dem Tag 40 wurde – und ich nach dem Pole Dancing mit mehreren wunderbaren Kuchen in der Mittagspause überrascht wurde. Abends gab’s sogar noch Party – mit der Filmcrew im Bus auf dem Weg nach Leipzig, zum nächsten Drehort.
Verträgt sich Kuchen mit Kopfüber-Überschlägen an der Stange?
HERFURTH: Zum Glück musste ich das nicht auf elegante Art schaffen. Aber es war trotzdem anstrengend. Irgendwann fragten die echten Poledance-Tänzern, wie wir bloß auf diese Figuren kämen. Ich hatte die nach den Namen ausgesucht, „Butterfly“ und „Broken Doll“ klang so toll. Dann erfuhr ich, dass das ganz, ganz schwere Figuren sind, selbst für Könner. In einer Szene entdeckt man an meinem Arm auch noch einen dicken Bluterguß, der sich kaum wegschminken ließ.
Wie oft kommt es vor, dass Sie selbst mal sagen: „Ich kann nicht mehr“?
HERFURTH: Momentan dauernd! Heute ist Mittwoch, und ich war gerade letzten Freitag um 20:20 Uhr fertig mit dem Film, und wir haben im März 2024 mit dem Dreh angefangen. Also habe ich sehr, sehr lange und sehr, sehr viel gearbeitet. Das war wunderschön …
… aber wunderschöner ist es auch wieder mal wieder durchzuatmen?
HERFURTH: Genau! Ich liebe das Filmemachen sehr, aber jetzt habe ich auch große Lust, mal andere schöne Dinge zu machen.
Erlaubt frau sich viel zu selten zu sagen: „Ich kann nicht mehr!“? Haben wir den Anspruch, immer alles schaffen zu müssen?
HERFURTH: Das Leistungsprinzip treibt uns alle an. Das ist nicht nur weiblich. Aber tatsächlich können Frauen sich das noch weniger gönnen. Wo sieht man mal faulenzende Frauen – in welchen Bildern, in welchen Geschichten? Ich kann extrem gut faulenzen. Ich mache das auch regelmäßig, ich kann den ganzen Tag im Bett verbringen, gerade während der Filmproduktion, sonst hätte ich es auch gar nicht geschafft.
Es war ja nicht ohne, was Sie auf dem Zettel hatten: Sie haben das Drehbuch geschrieben, eine der Hauptrollen gespielt und Regie geführt. Was hilft Ihnen, wenn mal die Batterie leer ist?
HERFURTH: Schlafen. Und auch mal alle fünfe gerade sein lassen. Und sich auf andere Leute verlassen, das ist das Beste. Ich glaube nicht an das Bild der Powerfrau – schon in dem Wort steckt so viel Überforderung drin! Die Forschung sagt, dass die 40-Stunden-Woche das ist, was ein Mensch als Belastung aushalten kann. Frauen mit Pflegearbeit und Kinderbetreuung leisten aber 96 Stunden im Schnitt. Frau geht ja nicht nach Hause und hat frei, sondern dann kommt die ganz andere Arbeit dazu. Das ist eine Überforderung! Es geht überhaupt nur, weil ich es nicht alleine mache. Das ist am Set genauso. Dort schaffe ich alles nur, weil ich ein Team um mich rum habe, das alles mit mir zusammen stemmt. Es geht nur in der Gemeinschaft.
Nora Tschirner spielte in vier Ihrer fünf Filme mit, hier auch. Ist sie nicht nur eine Kollegin und Freundin, sondern eine Art Glücksbringer?
HERFURTH: Nora ist immer meine Rettung. Sie ist für mich eine wahnsinnig große Inspiration, ob als Freundin oder Kollegin. In „Wunderschön“ hat sie mir viel Input gegeben und stand immer an meiner Seite. Wir können uns wahnsinnig aufeinander verlassen. In dieser Branche ist Nora für mich Vertraute und Verbündete. Ich bin ein großer Fan von Frauen, die miteinander reden, gossipen, Erfahrungen austauschen. Ich finde das sehr wichtig und notwendig, egal, was man für ein Leben lebt, und halte alle Kolleginnen und Frauen in meinem Umfeld dazu an, das zu tun.

Wie viel von Ihren eigenen Gedanken, Ängsten, auch Erkenntnissen steckt in der Figur Sonja? Oder steckt ein Stück Karoline in allen Figuren?
HERFURTH: Natürlich ist es mein Blick auf die Dinge. Alle Figuren sind durch mich durchgegangen, daher steckt überall Karoline drin. Für mich war die Entwicklung von Film zu Film auch eine große Erkenntnisreise: Im ersten Teil erzählen wir von Körperdruck, im zweiten entwickelt sich die Thematik weiter und wir landen beim Thema Sexualität. Jede Figur erzählt einen anderen Aspekt. Ich habe immer Erkenntnisse von mir, aber auch von anderen ins Skript miteinfließen lassen. So wird jede Figur reicher.
Sie haben sich dazu bekannt, selbst mal eine Magersucht er- und überlebt zu haben. War das ein Grund, warum Sie das Thema sehr ernst und fundiert in der Figur Julie angehen wollten?
HERFURTH: Ich fand es schön, an der Figur Julie zu erzählen, wie sie an Magersucht erkrankte und jetzt, drei Jahre später, die Krankheit überwand. Aber wir fragen auch, was passiert, wenn dann im Leben heftige Dinge passieren? Wie schnell kann es passieren, dass man rückfällig wird? Happy End im Kino ist ja erstmal einfach. Das war total toll, die Chance zu haben, die geliebten Figuren weiterzubegleiten.
Wie ging es bei Ihnen persönlich weiter?
HERFURTH: Die Magersucht habe ich definitiv überwunden. Trotzdem kann ich mich nicht vom Körperdruck losmachen, der so allgegenwärtig ist! Wir werden von überall mit Bildern und Erwartungen beballert – und die Diskrepanz zum eigenen Spiegelbild ist so hoch. Davon kann ich mich nicht losmachen. Es kostet immer wieder Kraft und Mühe, bei sich selbst anzukommen und sich zu sagen: „Quatsch – es hat mit dem Glück meines Lebens nichts zu tun, ob ich drei Kilo mehr wiege oder nicht.“ Dass mit den meisten Pillen, Kuren, Spritzen und Methoden viel Geld gemacht wird, aber nichts von den Versprechungen zutrifft. Es ist kaum möglich, sich davon komplett abzugrenzen – und das hat mit meiner Erkrankung nichts zu tun. Die ist zum Glück Vergangenheit.
Von „Wunderschön“ 2022 bis „Wunderschöner“ 2025 - wie hat sich Ihr eigener Blick auf Beziehung, auf die Liebe verändert?
HERFURTH: Ich bin eine große Romantikerin und glaube sehr an die Liebe. Aber ich finde es spannend, durch die Figuren Sonja und Milan erzählen zu können, dass es manchmal gar nicht leicht ist, den Alltag, in dem wir alle als Eltern, Liebende, Menschen stecken, von der Liebe an sich zu trennen. Wie es funktioniert, wenn ein Paar nur noch halbtags arbeitet und unter finanziellen Druck gerät. Es ist schön, ein Happy End zu erzählen, aber im Leben geht es danach auch weiter. Da anzusetzen hat großen Spaß gemacht.
Liebe verschwindet also nicht von allein, sondern wird aufgerieben im täglichen Leben durch Dinge, die nicht funktionieren und uns Steine in den Weg legen?
HERFURTH: Ja, dann fällt es nicht leicht, immer wieder den liebevollen Blick füreinander zu entdecken. Wir streiten uns ja häufig nicht, weil wir die persönliche Auseinandersetzung wollen, sondern weil vorgegebene Strukturen unsere Entscheidungen und Möglichkeiten einschränken. Die Liebe steht eigentlich daneben.
Sie haben selbst ein neues Kapitel aufgeschlagen: Sie stellten öffentlich Ihren Mann Christopher Doll vor, mit dem Sie auch beruflich viel verbindet – er produziert diesen Film. Woher kam der Entschluss?
HERFURTH: Ich bin, was mein Privatleben angeht, sehr, sehr verschwiegen und werde auch weiterhin andere Türen fest geschlossen halten. Aber dadurch, dass er mit „Eine Million Minuten“ sein Regiedebüt gab und ich darin die Hauptrolle spielte, hat es sich angemessen angefühlt, zu sagen, dass wir privat verbunden sind. Das war ja ein großer Aspekt einer Zusammenarbeit – und auch ein sehr schöner. Irgendwie hat es sich einfach richtig angefühlt, bei „Eine Million Minuten“ auch darüber zu sprechen, dass wir uns 24 Stunden am Tag sehen.
Erinnert die „große Romantikerin“ sich daran, wann Sie ihn das erste Mal sahen?
HERFURTH: Ja, am Set von „Crazy“, da war ich 15, sah aber aus wie neun. Chris mit seinen 23 Jahren beachtete mich wenig, aber ich fand ihn schon damals sehr schick. Andersherum kam das eher später. (lacht) Wir haben uns aber dann sehr lange nicht wiedergesehen. Aber schon beim ersten Blick fand ich den total toll. Wobei ich mit 15 vielleicht wohl auch nur ins Verliebtsein verliebt war.
Im Film gibt es Momente, wo man sich fragt: „Lieben – können wir das eigentlich noch?“ Wie würden Sie die Frage beantworten?
HERFURTH: Doch, ich glaube total daran. Liebe ist nicht einfach heutzutage, aber in meinen Augen wesentlich und großartig. Ich glaube, dass Liebe erst auf Augenhöhe richtig blühen kann. Und ich glaube, dass der Anspruch an Liebe steigt: denn zur Augenhöhe gehört Freiheit dazu, und Konsens. Also ja, ich glaube, wir können Liebe. Man muss nur die Liebe an sich betrachten und dann die ganzen Irrungen und Wirrungen, die einem im Alltag durcheinanderwirbeln, davon loszulösen. Das ist, glaube ich, die Aufgabe. Sie neu zu gestalten, mit neuen Augen anzuschauen und den Anspruch nicht zu verlieren, das empfinde ich als etwas sehr, sehr Tolles.
Zum Abschluss: Die Pole Dance-Karriere ist nun als beendet erklärt?
HERFURTH: Das ist ein ganz toller Sport, macht wirklich Spaß und macht richtig fit. Sobald ich wieder mehr Zeit habe, werde ich mich auch wieder mehr bewegen. Aber ob ich dann an die Stange gehe, das wage ich sehr zu bezweifeln.
Zur Person
Ihre Frauenfilme zeichnen sich immer durch Wärme, Witz und Ehrlichkeit aus. Nie stellt sie ihre Heldinnen bloß: Karoline Herfurth, 1984 in Ost-Berlin geboren, ist als Regisseurin mindestens so erfolgreich wie als Schauspielerin. Gerade kommt die Fortsetzung ihres Kinohits „Wunderschön“ von 2022 auf die Leinwände, in dem die 40-Jährige nun treffsicher, liebevoll und realitätsnah weitere Irrungen und Wirrungen um Liebe, Ehe und Sexualität beschreibt – „Wunderschöner“. Fünf Frauen verschiedenen Alters hadern mit ihrem Selbstbild und den Ansprüchen, die sie selbst, die Gesellschaft und die Männerwelt an sie stellen.
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