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Roland Kaiser im Interview: „Ich denke nicht über das Ende nach“

Interview

Roland Kaiser: „Ich biedere mich der jungen Generation nicht an“

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    Der deutsche Schlagersänger Roland Kaiser bei seinem Konzert im Rahmen der „Kaisermania“ am Elbufer.
    Der deutsche Schlagersänger Roland Kaiser bei seinem Konzert im Rahmen der „Kaisermania“ am Elbufer. Foto: Sebastian Kahnert, dpa

    Herr Kaiser, war es Ihr Plan, „Marathon“ zu so einem musikalisch und inhaltlich breit gefächerten Album zu machen?
    ROLAND KAISER: Ja, ich habe wirklich versucht, so viele unterschiedliche musikalische Richtungen abzubilden wie möglich. Interessant war für mich auch, dass wir ein wichtiges Thema wie „Achtung und Respekt“ nicht auslassen. Dieses Lied ist mir im vergangenen Sommer angeboten worden. Da wusste noch niemand, dass bald darauf die Regierungskoalition scheitern würde. Das Stück ist ein Appell an uns alle, auch an mich, daran zu denken, unser Gegenüber mit Respekt und mit Anstand zu behandeln.

    Sind Sie zuversichtlich, dass wir zu Werten wie Achtung und Respekt zurückfinden?
    KAISER: Ja. Da bin ich mir sicher. Und das gilt auch für unsere Politiker.

    Wo Sie es ansprechen – Sie sind Sozialdemokrat. Wie intensiv verfolgen Sie das derzeitige politische Geschehen?
    KAISER: Natürlich sehr intensiv. Und ich denke immer wieder, dass sich die Politiker daran erinnern sollten, ihr Gegenüber so zu behandeln, wie sie es wünschen würden, selbst behandelt zu werden. Das würde ja schon reichen.

    Sie spielen in der deutschsprachigen Musikwelt seit mehr als fünfzig Jahren eine tragende Rolle. Wie haben Sie so lange durchgehalten?
    KAISER: Alle, die wir in diesem Beruf beginnen, wissen nicht, ob wir einen Sprint hinlegen, einen Mittelstreckenlauf oder eben gar einen Marathon. Die Entscheidung darüber trifft letztendlich das Publikum. Ich bin dankbar und glücklich darüber, dass ich einen Marathon laufen darf. Ich bin ein glücklicher Mensch, dass mir dieser Lauf – bis hierher und hoffentlich noch weiter - gewährt wurde von meinem Publikum. 

    Sie haben gesagt, Sie wähnen sich ungefähr bei Kilometer dreißig?
    KAISER: Vielleicht auch schon bei 32 (lacht).

    Haben Sie selbst Erfahrung mit Ausdauersport?
    KAISER: Ich mache täglich eine Stunde Sport zu Hause in Münster in meinem Fitnessraum. Dort trainiere ich am Rudergerät, auf dem Laufband und dem Fahrrad. Auch da muss man Durchhaltevermögen haben. Und das habe ich, auch generell im Leben. Die Dinge zu Ende zu bringen, das halte ich für eine Tugend, die wichtig ist im Leben.

    Wobei das Schöne an Ihrer Karriere ja ist, dass sie kein Ende kennt, oder?
    KAISER: Ich denke über das Ende nicht nach. Ich bin gesund, und mir macht mein Beruf großen Spaß. Solange noch Zuschauer in meine Konzerte kommen, muss ich auch nicht darüber nachdenken, diesem Beruf nicht mehr nachzugehen.

    Es scheinen ja sogar immer mehr Menschen von Roland Kaiser angezogen zu werden. Was fasziniert junge Menschen an Ihnen?
    KAISER: Meine Tochter ist 25. Sie sagte mal zu mir, dass ihr und ihrer Generation gefällt, dass ich mich nicht anbiedere. Ich stehe nicht mit Jeans und T-Shirt auf der Bühne, sondern selbst bei 35 Grad im Dreiteiler mit Krawatte. Sie meint: „Du verlässt dich nicht. Du bist immer du selbst.“ Es kann gut sein, dass die Menschen das mögen, wenn man, egal, wo man ist, verlässlich erscheint und nicht immer versucht, irgendwelchen Strömungen nachzueifern.

    Im Lied „Was aus euch wird“ singen Sie über Ihre Kinder und darüber, wie schnell die Jahre vergangen sind.
    KAISER: Hinter dem Lied steckt der Gedanke, dass es sicherlich viele Eltern interessiert, was mit ihren Kindern passiert, wenn sie selbst nicht mehr leben. Gehen Sie ihren Weg? Um meine eigenen Kinder mache ich mir diesbezüglich überhaupt keine Sorgen. Ich kenne sie ja gut, und mir war immer schon klar, welche Kraft sie haben und was für eine Cleverness in ihnen steckt. Das sind junge, kluge, kreative Menschen, die weder nach oben buckeln, noch nach unten treten. Ich bin sehr stolz auf meine Kinder und bin mir sicher, dass sie ihr Leben sehr gut meistern werden. Ich denke, wir Älteren sollten uns generell angewöhnen, mehr Vertrauen in die Jugend zu investieren. Zu behaupten, dass die jungen Leute alle faul sind und nicht arbeiten wollen, ist so nicht richtig.

    Also tut man den jungen Menschen Unrecht, wenn man lästert, dass sie erst wissen wollen, wie viele Yogastunden der Arbeitgeber ihnen pro Woche bezahlt, bevor sie den Vertrag unterschreiben?
    KAISER: Das ist überhaupt nicht fair. Die Behauptung, dass die Jugend von heute faul ist und keinen Respekt vor dem Alter hat, geht übrigens auf Sokrates zurück. Es ist keine neue Erkenntnis, dass diese Ansicht grundfalsch ist. Ich bin ja Kuratoriumsvorsitzender der Solidarfonds Stiftung NRW, und wir haben einen Schulpreis ins Leben gerufen. Die Schulklassen schicken uns ihre sozialen Projekte, und wir prämieren das Ganze mit bis zu 30.000 Euro. Wir haben unglaublich viele und sehr gute Vorschläge bekommen. Als ich 14, 15, 16 war, hatte ich nicht annähernd so eine Empathie und so eine soziale Kompetenz entwickelt wie die Jugend heute. Also mir ist um die jungen Leute absolut nicht bange. Dieses pauschale Verneinen der Qualitäten der Jugend ist einfach nicht klug.

    Wie waren Sie drauf als Teenager? Hatten Sie denn früh den Ehrgeiz, es als Sänger zu schaffen?
    KAISER: Nein. Ich habe zwei Lehren gemacht, habe ganz normal gearbeitet in einem Autohaus und bei der Post, und bin der Musik erst 1973 begegnet, da war ich 21. Meine ersten drei, vier Singles haben damals keinen Menschen interessiert außer mich selbst. Dann kam 1976 mein erster Charterfolg mit „Frei, das heißt allein“. Dann stand ich vor der Entscheidung, mit der Musik weiterzumachen oder in der bürgerlichen Arbeitnehmerecke zu bleiben. Ich war 24 und beschloss, es mit der Musik zu riskieren. Dass das dann so lange geht, hätte ich mir nie träumen lassen.

    Das Lied „Länger als gedacht“ handelt allerdings nicht von Ihrer Karriere, sondern von einer Affäre, aus der Liebe wird. Überraschenderweise kennen Sie den Begriff „Freundschaft plus“.
    KAISER: Den hat der Texter gekannt (lacht). Ein sehr schönes, einfallsreiches Lied, wie ich finde. Musikalisch ist es ein Country-Song, das habe ich in meiner Karriere nicht oft gemacht. Mich freut sehr, wie gut das funktioniert. Country ist ja sowieso gerade ziemlich gefragt. Beyoncé hat für ihr Country-Album „Cowboy Carter“ soeben den Grammy für das „Album des Jahres“ bekommen. Sie hat gemacht, wozu sie Lust hatte. Dass sie den Grammy gewonnen hat, finde ich sehr schön und absolut verdient.

    Im Text zu „Länger als gedacht“ lernen sich zwei Menschen kennen, erst ist es unverbindlich, dann passt es aber doch irgendwie…
    KAISER: Das passiert ja vielen Menschen, dass sie sich kennenlernen und denken „Naja, für eine Nacht vielleicht“, und dann stellen sie fest, dass es doch ganz schön ist. Und so entwickelt sich das dann. Eine sehr menschliche Situation, wie ich finde.

    Ist Ihnen Vergleichbares schon mal passiert?
    KAISER: Nicht in der Dimension. Bei meiner Frau und mir hat es nach dem Kennenlernen zwar auch etwas gedauert, aber bei uns war mir vom Gefühl her von Anfang an sehr klar, dass ich das gerne aufrechterhalten möchte (lacht).

    Hat es gleich beim ersten Treffen gefunkt?
    KAISER: Naja, man lernt nicht jemanden kennen und denkt, mit dieser Person möchte ich die nächsten Jahrzehnte zusammen sein. Das wäre ein sehr hohes Maß an Optimismus. Aber umso schöner, wenn es dann so kommt.

    In „Liebe darf das“ singen sie: „Dieses Frauenzimmer bringt mich um“.
    KAISER: Die Liebe existiert ja in den verschiedensten Formen, auch in der verzehrenden, auffressenden und stark verlangenden Form. Offensichtlich hat der Texter dieses Liedes solch eine Situation mal erlebt.

    Das Wort „Frauenzimmer“ klingt nach 19. Jahrhundert.
    KAISER: Und trotzdem finde ich es cool. In diesem Fall passt es einfach. Das Frauenzimmer in diesem Song hat dieses Verführerische, dieses absichtlich Verführende.

    Sind Sie selbst ein großer Verführer?
    KAISER: Nein.

    Nein?
    KAISER: Nein. (lacht)

    Sie haben den Rosenstolz-Hit „Liebe ist alles“ neu aufgenommen. Ist Liebe wirklich alles?
    KAISER: Ich glaube jedenfalls, dass man Dinge, die man liebt, nicht zerstört. Das kann eine Beziehung sein, das kann auch die Beziehung zur Welt sein. Was ist denn Lebensqualität? Saubere Luft, sauberes Wasser. Und nicht das dritte Auto vor der Tür. Ich denke, Liebe per se, die Liebe zu Menschen und die Liebe zur Welt, kann viele Probleme lösen. Die Liebe ist eine große Triebfeder, keinen Unfug zu machen. 

    Sie waren Anfang 2024 mit Ihrer Frau auf viermonatiger Kreuzfahrt um die Welt. Wie war die Reise?
    KAISER: Großartig. Wir haben beide festgestellt, dass wir nicht der Nabel der Welt sind, dass unsere Form zu leben nicht überallhin übertragbar ist, und bei unserer Rückkehr nach Deutschland ist uns klar geworden, dass wir in einem wunderbaren Land leben, auf dem schönsten Kontinent der Welt. Deswegen sollten wir nicht immer alles zerreden, sondern die schönen Dinge unseres Landes und unseres Lebensraums erkennen und auch wahren und schützen.

    Sie starten bald Ihre nächste Tournee. Haben Sie sich für die Konzerte etwas Besonderes einfallen lassen?
    KAISER: Wir werden natürlich einige der neuen Lieder spielen, bei den Open-Air-Konzerten freue ich mich besonders auf einen Song wie „Was heut passiert“, weil der so schön sommerlich von Ballhausorchester in einen Tango übergeht und dann auch noch diese Balkan-Klänge drin hat. Und bei den Arena-Konzerten werden wir eine neue Bühne haben – entworfen und gebaut von derselben Firma, die auch die Bühne für Adele und für die Abba-Show „Voyage“ in London gebaut hat. Das wird wirklich imposant.

    Wo sie es schon ansprechen: Ist so eine Avatar-Show wie von Abba auch in fünfzig Jahren mit Roland Kaiser vorstellbar?
    KAISER: Ich weiß, was diese Show gekostet hat (lacht). Der deutschsprachige Markt wäre dafür sicherlich viel zu klein.

    Zur Person

    Roland Kaiser gehört mit 90 Millionen verkauften Tonträgern zu den erfolgreichsten, deutschen Schlagersängern. Der Durchbruch gelang dem West-Berliner, der bei einer Pflegemutter aufwuchs, 1980 mit „Santa Maria“. Weitere Hits wie „Schach Matt“, „Dich zu lieben“ oder „Joana“ haben ihn berühmt gemacht. Nach einer Lungentransplantation feierte er 2010 ein Comeback. Bis heute spielt der 72-Jährige Konzerte, legendär ist die jährliche „Kaisermania“ mit tausenden Fans am Dresdner Elbufer. Kaiser wohnt seit vielen Jahren in Münster, er hat zwei Kinder und ist seit 2002 Mitglied der SPD. Mit „Marathon“ erscheint jetzt sein 29. Album.

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