Sabrina Carpenter verabscheut Männer. Und begehrt sie trotzdem. Dieser Zwiespalt ist Teil des Erfolgsrezepts der US-Sängerin, die vergangenes Jahr mit „Espresso“ den Sommerhit des Jahres landete. Sie singt über kindische Männer, die sich nicht einmal selbst versorgen können, von denen sie aber dennoch nicht die Finger lassen kann. Das männliche Geschlecht kommt bei Carpenter nur selten gut weg. Und wenn doch, dann als Sexobjekt. Dabei soll sich Carpenter der Ansicht einiger Frauen nach selbst zu einem Objekt der männlichen Begierde machen, das den „Male Gaze“ bedient – also Frauen so darstellt, wie es heterosexuellen Männern stereotypisch gefällt.
Sex ist zweifelsfrei Sabrina Carpenters liebstes Marketinginstrument. Sie zeigt sich im klassischen 50's-Look, mit voluminöser Mähne, knappen Jeans-Höschen oder im Body mit Strapsen. Sie schreibt Lieder über Sex, sie ahmt ihn auf der Bühne nach, räkelt sich in Betten auf den Bühnen der Welt.
„Man‘s Best Friend“: Sabrina Carpenters Album spaltet das Internet
Mit Sex zu provozieren, ist ein altes Spiel. Doch was man etwa bei Madonna im Nachhinein noch als Akt der weiblichen Selbstbestimmung feierte, wird bei Carpenter jetzt zum Problem. Sie hat es zu weit getrieben. Zumindest, wenn man durch die feministischen Blasen in den sozialen Medien scrollt. Das Cover ihres neuen Albums „Man‘s Best Friend“, das am 29. August erscheinen soll, ist für einige dann doch zu viel Sex und Selbstbestimmung.
Im knappen schwarzen Kleid kniet sie vor einer Person, die viele wegen des Anzugs als einen Mann vermuten. Ein Gesicht ist nicht zu sehen, wohl aber eine Hand, die in die blonden Locken von Carpenter greift, was einige als ein Ziehen erkennen. Sie blickt in die Kamera, streckt die Hand in Richtung der gesichtslosen Person – eine Art „Pfötchen geben“.

Ist das Satire, Feminismus, Sexismus oder etwas zwischen alledem? „Sabrina Carpenter zerstört die letzten zehn Jahre der Errungenschaften des Feminismus“, sind die einen sich sicher. Andere feiern die Ironie, die sie im Cover vor dem Hintergrund ihres sonstigen künstlerischen Schaffens erkennen möchten. „Man‘s Best Friend“, übersetzt „Der beste Freund des Mannes“ fügt sich in Carpenters selbstironische Darstellung ein: Eine Frau, die treudoof tut, was von ihr erwartet wird. Das Cover könne der Gesellschaft den Spiegel vorhalten, sagen Fans. Oder vielleicht zeigt es lediglich eine Frau, die sich einfach gern mal an den Haaren packen lässt – ist ja eigentlich nichts weiter dabei. Oder?
Zu viel Sex?: „Das sind die Songs, die ihr selbst berühmt gemacht habt“
Nicht, wenn man die „Blicke“ der Männer als Fixstern aller Tätigkeiten von Frauen nimmt. Dann ist Carpenter eine Frau, die sich feminin und sexuell-provokant in Szene setzt, über Sex spricht, schreibt und singt und das nur tut, um Männern zu gefallen. Auf TikTok wird der US-Amerikanerin die künstlerische und sexuelle Freiheit abgesprochen, ihre Lust und Kunst so zu präsentieren, wie es ihr – und Millionen von anderen – gefällt.
Carpenter reagiert etwas mehr als eine Woche später mit gewohnter Ironie und veröffentlicht auf ihrer Webseite ein alternatives Cover, das sie an der Schulter eines Mannes zeigt. Eine stilvolle Schwarz-weiß-Aufnahme, weniger unterwürfig und eine klare Hommage an Marilyn Monroe, die 1957 beim Tanz mit Arthur Miller in der exakten Pose fotografiert wurde. Der Fokus liegt im Carpenters Fall klar auf ihr, die Männer im Bild bleiben gesichtslos. Auf Instagram schreibt die 26-Jährige dazu, das neue Cover sei „von Gott genehmigt“.
Sollen die Fans selbst entscheiden, welches Cover ihnen lieber ist. Carpenter spielt das Spiel gerne mit. „Ich finde es immer lustig, wenn sich Menschen beschweren, dass ich nur über Sex singen würde“, sagte die 26-Jährige jüngst gegenüber dem Rolling Stone Magazine. „Das sind die Songs, die ihr selbst berühmt gemacht habt. Offensichtlich liebt ihr Sex. Ihr seid verrückt danach.“

Hat der moderne Feminismus ein Keuschheitsproblem? Ist es nicht eine feministische Errungenschaft, dass Frauen über ihren eigenen Körper bestimmen dürfen – inklusive der Freiheit, sich freizügig, sexuell und lustvoll zu inszenieren? Doch heute kippt der Ton. In Kommentarspalten heißt es zunehmend: Alles, was Männern gefallen könnte, sei automatisch verdächtig - egal ob es die eigene Entscheidung ist, es ist potenziell unterdrückend und damit antifeministisch. Es gilt: Weibliche Selbstbestimmung ist nur dann emanzipiert, wenn sie Männern nicht zu sehr zusagt. Damit wird ausgerechnet das reproduziert, was man eigentlich überwinden wollte – dass sich Weiblichkeit über den männlichen Blick definiert.
Der Zeitpunkt für das Cover erscheint vielen als unangemessen
Aber die Welt für Frauen ist, auch in westlichen Ländern wie Carpenters Heimat in den USA, anders und gefährlicher geworden. Ihnen werden Rechte entzogen, Konservativismus findet Einkehr in Köpfen und Kleiderschränken, sie bangen um die Autonomie ihrer Körper. Der Zeitpunkt für so ein plakatives Albumcover ist zumindest fraglich. Ob es der richtige Weg ist, einer Künstlerin deshalb ihre Freiheit abzusprechen und das Cover zu bewerten, ohne Inhalt und Botschaft der dazugehörigen Songs zu kennen, allerdings auch.
Egal, worum es auf dem neuen Album wirklich geht, ob das umstrittene Cover nun eine plumpe Kampagne war oder ein geplanter Denkanstoß – eines hat Carpenter erreicht: größtmögliche Aufmerksamkeit.
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