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Interview
23.12.2022

Bestseller-Autor Andreas Brandhorst: "Die Menschheit steht kurz vor einem Großen Filter"

Andreas Brandhorst, einer der erfolgreichsten deutschen Science-Fiction-Autoren
Foto: Wolfgang Weßling

Die Entscheidung über unsere Zukunft steht an: Das sagt Andreas Brandhorst, der mit Science Fiction und Thrillern großen Erfolg hat. Er spricht über Mensch, Gott und Künstliche Intelligenz.

Herr Brandhorst, nach dem Thriller „Das Bitcoin-Komplott“, erschienen im März, nun schon wieder der nächste Science-Fiction-Roman mit „Ruf der Unendlichkeit“ - wie geht’s das? An wie vielen Büchern arbeiten Sie gleichzeitig? Wie groß ist Ihr tägliches Schreibpensum? Und wie lange die Liste mit weiteren Buch-Ideen in der Schublade?

Andreas Brandhorst: Das sieht nach viel aus, ist es aber eigentlich gar nicht. Manchmal liegen die Erscheinungstermine der Bücher relativ eng beieinander, was aber nur selten etwas mit der Fertigstellung der Romane zu tun hat. Ich arbeite immer nur an einem Manuskript, und im Gegensatz zu einigen meiner Kollegen bin ich ein sehr langsamer Schreiber: Es werden pro Tag zwischen 3 und 6 Seiten. Aber, und das ist wichtig, eben jeden Tag. Ich schreibe immer, sieben Tage die Woche. Wenn ich tatsächlich einmal nicht den aktuellen Roman fortsetze, mache ich mir Notizen, plane Szenen oder recherchiere, weil ich für eine bestimmte Stelle zusätzliche Informationen brauche. Und ich schreibe sehr gern im Wechsel: Auf einen Thriller folgt Science Fiction, und umgekehrt. 

Wann und wo und wie schreiben Sie? Gibt es besondere Rituale, immer ein bisschen Pratchett zur Einstimmung lesen oder ähnliches?

Brandhorst: Meistens sitze ich um 7 Uhr morgens bereits an meinem Hauptrechner, einer Threadripper-Workstation mit drei großen Bildschirmen. Ich arbeite den ganzen Tag über, mit einer Hauptunterbrechung, meistens gegen Mittag, die allerdings nichts mit dem Mittagessen zu tun hat: Ich laufe jeden Tag bei jedem Wetter zwischen 1 und 1 ½ Stunden. Das Laufen befreit den Geist und gibt mir fast jedes Mal einen Kreativitätsschub. Oft kommen mir die besten Ideen, wenn ich die Beine ihre Arbeit tun und die Gedanken treiben lasse. So mancher Knoten in der Romanhandlung hat sich dabei schon gelöst. Und nein, besondere Rituale gibt es nicht, aber Prinzipien. So habe ich es mir zum Beispiel zur Regel gemacht, jede Anfrage zu beantworten, die mich von Lesern erreicht, und zwar so bald wie möglich. Das kann manchmal ziemlich zeitintensiv werden. 

Erhalten Sie eigentlich manchmal Fan-Post, die lobt, dass eine Konstruktion besonders packend und realistisch gelungen sei, oder technische bzw. strukturelle Fehler kritisiert?

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Brandhorst: Ja, solche E-Mail und Messages erhalte ich oft, und wie bereits erwähnt habe ich es mir zum Prinzip gemacht, in jedem Fall zu antworten. Ein Leser hat mir einmal geschrieben, meine Romane hätten seine Art des Denkens verändert. Davon bin ich sehr beeindruckt gewesen. Ich habe es nicht nur als Lob verstanden, sondern auch als Warnung: Es zeigt, wie groß der Einfluss von uns Autoren sein kann. Wir sollten uns dessen bewusst sein und verantwortungsvoll mit dieser „Macht“ umgehen. 

Vor 45 Jahren erschien Ihr Debüt, zwischenzeitlich haben Sie einige Jahre auch nur übersetzt, seit 20 Jahren nun veröffentlichen Sie konstant eigene Werke, inzwischen summieren sich die Auflagen Ihrer auch in viele Sprachen übersetzen Werke auf rund eine Million: Ist mit dem Autorenleben ein Traum, der sich ja nur sehr wenigen Menschen erfüllt, Wirklichkeit geworden?

Brandhorst: Ja, für mich ist tatsächlich ein Traum wahr geworden. Als Teenager, der Bücher über alles liebte und selbst gern schrieb, war es mein größter Wunsch, Schriftsteller zu werden. Und das ist tatsächlich aus mir geworden. Manchmal staune ich noch immer darüber, wenn ich zurückdenke. Es war ein langer, zu Beginn recht steiniger Weg. Ich bin froh, dass ich ihn gegangen bin, und gespannt, wohin er mich noch führen wird. 

Brandhorst: "Das Bild zeigt meinen Arbeitsplatz. Ich schreibe links, an den drei 28-Zoll-großen UHD-Monitoren. Rechts sind zu sehen: 2 Rechner aus meiner Sammlung von Retro-Computern und ganz rechts das Notebook, das mich auf meinen Reisen begleitet.
Foto: Andreas Brandhorst

Wie besteht man im ja immer schwieriger werdenden Buchmarkt noch? Wie lange geht das noch gut mit dem gedruckten Buch?

Brandhorst: Der Buchmarkt ist tatsächlich immer schwieriger geworden, was nicht zuletzt an Social Media, Streaming und ganz allgemein dem immer größer gewordenen Medienangebot liegt. Der Print-Bereich schrumpft seit Jahren, die Auflagen der gedruckten Bücher sinken. Was aber nicht bedeutet, dass Geschichten ihre Faszination verloren hätten. Sie werden heute nur anders „konsumiert“, als E-Books und immer mehr in Form von Hörbüchern. 

Und wie lange wollen Sie das noch machen?

Brandhorst: Ich werde so lange schreiben, wie ich schreiben kann, und das sind hoffentlich noch viele Jahre. Gute Geschichten, davon bin ich überzeugt, werden auch in Zukunft Auge und Ohr von Menschen finden, die fremde Welten kennenlernen und Anteil nehmen wollen. 

Wird es durch die Routine immer leichter oder immer schwieriger, Neues zu schreiben?

Brandhorst: Routine ist eine gefährliche Sache. Einerseits macht sie Dinge tatsächlich leichter, aber andererseits verleitet sie dazu, vertrauten Pfaden zu folgen. Auch deshalb wechsele ich mich beim Schreiben gern ab, mal Thriller, mal Science Fiction, und versuche ganz bewusst, immer „neu“ zu schreiben. Neue Welten, neue Horizonte, neue Themen. Man schaue sich um und blicke nicht nur in eine Richtung. 

Sind die immer perfekteren Möglichkeiten zur filmischen Umsetzung von Science Fiction eigentlich Bedrohung oder Chance der geschriebenen Science-Fiction, gerade in einer Zeit, in der immer mehr visuell konsumiert und immer weniger gelesen wird?

Brandhorst: Es ist heute viel leichter als früher, geschriebene Science-Fiction-Geschichten mit all ihrer Fantasie auf die große und kleine Leinwand zu bringen. Visuelle Spezialeffekte sind mithilfe leistungsstarker Computer schnell und vergleichsweise billig. Es gibt tatsächlich einige SF-Filme, die mich sehr beeindruckt zu haben, zum Beispiel „Interstellar“, „Arrival“ oder zuletzt „Dune“. Hier bilden das Bildgewaltige und die Story eine imposante Einheit. Als Bedrohung für die geschriebene Form sehe ich Filme nicht, eher als Erweiterung, als willkommene Zugabe, die vielleicht auch manchen Zuschauer zum Buch führt. Übrigens: Beim Schreiben stelle ich mir das Geschehen gern und oft als Film vor, und ich verbinde bestimmte Protagonisten mit Schauspielern – das macht es etwas einfacher, sich einzelne Szenen auszumalen. 

In Thrillern wie „Das Bitcoin-Komplott“ geht es ja in der Regel darum, durchaus realistische Abgründe im Hintergrund der aktuellen Zeitläufte zu entwerfen - diesmal ist es der Zusammenbruch des Weltwirtschaftssystems im Jahr 2028 und die mögliche Weltmachtübernahme durch die Manipulation der Digitalwährung Bitcoin. Liegt solchen Konstruktionen eigentlich auch etwas Aufklärerisches inne? Bei aller Unterhaltung also auch das Anliegen, den Blick dafür zu schärfen, was alles womöglich wirklich geschehen kann?

Brandhorst: Ich denke gern und oft darüber nach, was geschehen könnte. „Was wäre, wenn …“ Das ist vielleicht die wichtigste Frage, wenn ich beginne, einen Roman zu konzipieren, bei Thrillern und auch bei Science Fiction. Aber bei meinen Thrillern, die meistens in einer sehr nahen Zukunft spielen, ist die Plausibilität noch wichtiger als bei einer Geschichte in ferner Zeit auf fernen Welten. Das ist auch der Grund, warum die Recherche bei Thrillern noch viel aufwendiger ist - ich versuche, die mögliche Realität so genau wie möglich abzubilden. Die Hintergrundinformationen müssen stimmen, es darf nichts „zurechtgebogen“ sein, weil es der Autor für seine Geschichte so will. Die ökonomischen Details in „Das Bitcoin-Komplott“ stimmen, und es gibt zahlreiche Anspielungen auf tatsächliche Personen und Institutionen. Man nehme nur „Whitestone“, größter Vermögensverwalter der Welt. Es ist leicht zu erraten, wer damit gemeint ist. Wie auch bei meinen anderen Thrillern geht es mir nicht nur darum, den Leser möglichst gut zu unterhalten. Ich möchte ihm auch etwas mitteilen. Ich möchte ihm einen Mehrwert geben, die Möglichkeit, bestimmte Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu sehen. 

Zögern Sie nicht mitunter, in eine Welt der kursierenden Verschwörungserzählungen die nächste zu entfalten? Wie ist denn Ihr tatsächlicher Blick auf unsere Welt? Wie existenziell sind die Krisen, in denen wir stecken? Was bereitet Ihnen die größte Sorge? Und was gibt Ihnen Zuversicht?

Brandhorst: Ich bin gewiss kein Verschwörungstheoretiker, mir geht es vor allem darum, gute, spannende, sachlich fundierte Geschichten zu erzählen. Meine Protagonisten hinterfragen oft den Schein, sie sind immer bestrebt, die Wahrheit herauszufinden, ob sie gefällt oder nicht. Das spiegelt meine grundsätzliche Einstellung wider. Ich glaube noch immer an die Kraft der Wahrheit. Leider sind es in den Social Media oft die lautesten Stimmen, die die größte Aufmerksamkeit erhalten, obwohl sie mit Wahrheit oft nicht viel zu tun haben. Darauf weise ich in meinen Romanen hin, und es bringt uns gleich zum nächsten Punkt: Die größte Sorge bereitet mir die zunehmende Unvernunft des Menschen, die uns alle in große, wirklich große Schwierigkeiten bringen könnte, von der Klimakrise bis zum russischen Überfall auf die Ukraine und darüber hinaus. Wenn wir dafür sorgen, dass die Stimmen von Wahrheit und Wissenschaft lauter werden, können wir ein Gegengewicht schaffen. Dann gelingt es uns vielleicht, die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft in eine bessere Richtung zu lenken. 

In Ihren Science-Fiction-Romanen wie jetzt „Ruf der Unendlichkeit“ springen Sie schon mal Milliarden Jahre in die Zukunft, in ganze andere Wirklichkeiten, die in sich stimmig wirken müssen. Diesmal geht es unter anderem um die Ausrottung der Menschheit in ferner Zukunft, in die es unsere Spezies da immerhin geschafft hat. Wie ist Ihr Blick auf die Menschheit, der Sie in Ihren Büchern so viele andere fantastische Spezies zur Seite gestellt haben? Was macht uns aus? Und wird es uns wirklich noch in ferner Zukunft geben?

Brandhorst: Man versuche einmal, die Spezies Mensch von „außen“ zu sehen, mit den Augen von Außerirdischen. Was würden sie erkennen? Eine Schar egoistischer, egomanischer Individualisten, die vor allem an sich selbst denken, von heute auf morgen leben, immer wieder auf mehr oder wenige charismatische Psychopathen hereinfallen, nichts aus ihrer Geschichte lernen und auf dem besten Weg sind, ihren eigenen Lebensraum zu zerstören. Besonders intelligent klingt das nicht. Was der Grund dafür sein mag, dass Außerirdische bisher darauf verzichtet haben, einen offiziellen Kontakt herzustellen. Vielleicht werden wir beobachtet, beurteilt und gemieden. Wir stehen kurz vor einem „Großen Filter“, der darüber entscheidet, ob wir zu einer interplanetaren oder gar interstellaren Spezies werden können. Wir müssen die Klimakrise überwinden und verhindern, dass Leute wie Putin Tausende von Menschen in den Tod treiben können - das sind zwei Punkte auf einer langen Liste. Wenn es uns das nicht gelingt, und zwar in den nächsten Jahrzehnten, wird die Entwicklung der Menschheit am Großen Filter scheitern. Dann wären wir nur eine kurze Episode in der Geschichte des Lebens auf der Erde und nicht einmal eine kleine Fußnote in der biologischen Historie der Galaxis. 

Außerdem thematisiert das Buch die Frage nach dem Göttlichen und der Religion. Einerseits wirkt es sogar für eine sehr fortgeschrittene Künstliche Intelligenz so, als sei die Annahme einer „Divinität“ hilfreich und plausibel zur Lösung all der Rätsel im Bild von Welt und All - andererseits benützt eine „die Blender“ genannte, sehr fortgeschrittene Spezies Religionen zur Manipulation von primitiveren Gesellschaften, zur Ausbreitung der eigenen Macht, zum Anzetteln von entwicklungshemmenden Krisen und Konflikten. Zeigt sich darin auch Ihr Blick auf die Gottes-Frage?

Brandhorst: Auf der Erde sind im Namen der Religion Millionen von Menschen auf brutalste Weise umgebracht worden. Man denke nur an die Hexenverbrennungen im Mittelalter oder die „Missionierung“ der nord- und südamerikanischen Ureinwohner. Religion war und ist bei uns immer ein Instrument zur Ausübung von Macht gewesen. Sie mag manchmal auf Schmerz und Blut verzichten, nicht aber darauf, unser Denken und Fühlen zu manipulieren. Unsere Angst vor dem Tod und davor, was danach kommt oder kommen könnte, bietet dem kirchlichen Monopol auf das „Leben im Jenseits“ einen hervorragenden Ansatzpunkt. In „Ruf der Unendlichkeit“ übertragen die Blender dieses Prinzip auf zahlreiche andere Welten, aber es gibt auch eine Macht, die ihren Manipulationen entgegenwirkt. Die Trennung von Kirche und Staat ist eine der größten Errungenschaften der westlichen Zivilisation. In islamistischen Staaten können wir sehen, was geschehen kann, wenn eine solche Trennung nicht erfolgt. Ich wäre sehr dafür, auch unsere „Blender“ zu entlarven und zu entmachten. 

Vom chinesischen Science-Fiction-Star Liu Cixin stammt der Ausspruch, die Science Fiction werde bald nichts mehr zu erzählen und zu erfinden haben, weil die zunehmende Geschwindigkeit des tatsächlichen Fortschritts die Fiktionen ein- und überhole. Einverstanden?

Brandhorst: Schon vor Liu Cixin hieß es in SF-Kreisen, dass die Science Fiction in der Gegenwart angekommen ist. Es stimmt tatsächlich: Gerade die technologischen Entwicklungen schreiten so rasant voran, dass in Near-Future-Romanen geschilderte Szenarien bereits zum Zeitpunkt der Publikation in greifbare Nähe gerückt sind. Das ist mir mehrmals so ergangen, zum Beispiel mit „Das Erwachen“, „Ewiges Leben“ und zuletzt mit „Das Bitcoin-Komplott“. In zwei, drei Jahren kann viel geschehen, das haben uns gerade die letzten Jahre gelehrt. Und ich habe das Gefühl, dass in zwei, drei Jahren immer mehr passiert. 

Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass der Mensch die etwa von Ray Kurzweil angestrebte Singularität erreicht, also die gleichrangige Verknüpfung von Gehirn und Computer? Oder mithilfe Künstlicher Intelligenz wirklich die Reisen in ferne Universen unternehmen kann, von denen etwa Michio Kaku kündet?

Brandhorst: Ich verstehe unter „Singularität“ den Punkt, an dem Künstliche Intelligenz zu echter Maschinenintelligenz wird, an dem KI ein eigenes Bewusstsein erlangt. Wenn das geschieht, wird es aller Wahrscheinlichkeit nach zu einer wahren Explosion von Intelligenz kommen - die Leistungsfähigkeit der Maschinenintelligenz wird exponentiell wachsen. Das habe ich in „Das Erwachen“ und „Die Eskalation“ geschildert, auf der Grundlage von zur Zeit des Schreibens aktuellen Forschungen. Inzwischen sind weitere erhebliche Fortschritte bei der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz gemacht worden, und ich bin ziemlich sicher, dass wir schon bald eine solche „Singularität“ erreichen könnten. Wenn das geschieht, werden wir nicht mehr die dominante intelligente Lebensform auf dem Planeten Erde sein. Maschinenintelligenz wird eine neue Stufe der Evolution darstellen und könnte uns tatsächlich dabei helfen, das menschliche Bewusstsein zu digitalisieren oder Menschen zu „transhumanisieren“. Sehr langlebige und widerstandsfähige Cyborgs wären denkbar, Verschmelzungen von Mensch und Maschine, die es uns erlauben, Jahrhunderte oder Jahrtausende zwischen den Sternen unterwegs zu sein und ferne Welten zu erreichen. 

Wird irgendwann alles gut werden?

Brandhorst: Nicht von allein. Wenn wir uns darum kümmern. Wenn wir Menschen entscheiden, alles gut werden zu lassen. 

Der Autor und seine aktuellen Bücher
Andreas Brandhorst, 66, wurde in Nordrhein-Westfalen geboren und lebt heute, nach einigen Jahren in Venedig, in Niedersachsen. Er wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mehrfach mit dem Deutschen Science Fiction Preis, und hat zeitweise auch als Übersetzer gearbeitet, seine eigenen Werke sind zahlreich und summieren sich inzwischen zu einer Gesamtauflage von rund einer Million. Die neusten heißen "Das Bitcoin-Komplott" und "Ruf der Unendlichkeit", erschienen je bei S.Fischer - wie auch "Oxygen", der nächste Thriller, der bereits im Februar 2023 erscheinen wird.

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