Die Bauten des Reichsparteitagsgeländes in Nürnberg sind steinerne Zeitzeugen. Als Teil der Erinnerungskultur müssen sie zu Lernorten werden.
Wer in Nürnberg das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände besucht, ist nicht nur beeindruckt von der Dauerausstellung über die Verbrechen der Nationalsozialisten, sondern fast mehr noch von der schieren Wucht der dortigen Bauten und Flächen. Hier wird es geradezu körperlich erlebbar, welche Bedeutung im Nationalsozialismus die Masse hatte, welche suggestive Wirkung die Aufmärsche entfalteten, wie der Kult funktionierte. Auch wenn man sich durch Betroffenheit, Kenntnis und Abscheu gut geimpft und immunisiert fühlt gegen Nazi-Denken, kann man sich auf diesem Gelände durchaus vorstellen, hinein gezogen zu werden in eine unselige Ideologie. Und für Personen mit braunem Gedankengut stellt das Reichsparteitagsgelände eine riesige Ikone dar.
Die Kongresshalle in Nürnberg ist eine Ikone des Bösen
Bei der Vorstellung, die Kongresshalle, neben der Zeppelintribüne wahrlich eine Ikone des Bösen, für Kunst und Unterhaltung zu nutzen, kann man echt Bauchschmerzen kriegen. „Rechte Räume“, auf die der Stuttgarter Architektur-Professor Stephan Trüby nicht müde wird, hinzuweisen, bilden einen wichtigen Anziehungspunkt für Neonazis und Rechtspopulisten – sei es die Potsdamer Garnisonskirche, in der sich 1933 der Reichstag mit einem Kanzler Hitler konstituierte und die jetzt saniert werden soll, oder nun die Nürnberger Kongresshalle. Solche Orte sind brandgefährlich, gerade jetzt, da rechtes Gedankengut zur Spaltung der Gesellschaft wieder aufblüht. Einfach zu sagen, man solle Bauten aus der Zeit um 1933 nicht immer nur durch die NS-Vergangenheitsbrille anschauen, wie es Museumschef Christof Vitali mal mit Blick auf das Nazi-Haus der Kunst in München sagte („Mauern tragen keine Schuld:“), das ist blauäugig. Gebäude sind steinerne Zeitzeugen, und die Steine in Nürnberg sprechen von Größenwahn und Verderben.
Allerdings gehört es zur heutigen Erinnerungskultur nicht nur, die Nazi-Bauten zu erhalten und auszustellen, sie müssen vielmehr Teil des Lebens sein und zu Lernorten gemacht werden, in denen man etwas erfahren kann – zum Beispiel über die gegenwärtigen Gefährdungen der Demokratie. Und wer könnte solche Erfahrungen besser anstoßen als die Kunst? Das spricht dafür, die Nürnberger Kongresshalle – wenigstens mal versuchsweise für ein paar Jahre - den Künstlern des Staatstheaters zu überlassen. Für die wird die Arbeit in dem historisch kontaminierten Gemäuer freilich eine echte Herausforderung sein - sie müssen sich stetig mit dem auseinandersetzen, was man gern als das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte bezeichnet. Aber es besteht Hoffnung, gerade dadurch zu verhindern, dass Rechtspopulisten diese Ikone für sich reklamieren.
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