Wer wird die Welt retten, wenn Tom Cruise es nicht mehr tut? Seit 30 Jahren hat sein Ethan Hunt im Auftrag des fiktiven Geheimdienstes IMF auf der Leinwand die Menschheit vor ihrem destruktiven Feinden bewahrt. Nun – so scheint es – tritt der tollkühne Geheimagent in „Mission: Impossible – The Final Reckoning“ das letzte Mal gegen die drohende Apokalypse an. Damit geht nicht nur eines der erfolgreichsten Kino-Franchises, sondern auch eine filmische Ära zu Ende. Denn Cruise gehört zu den letzten Vertretern eines physischen Actionskinos, in dem die halsbrecherischen Stunts nicht als Risikoimitation am Computer generiert, sondern leibhaftig am Set choreografiert werden.
Tom Cruise macht in „Mission: Impossible“ das Unmögliche möglich
Das Motto des Filmtitels hat Cruise stets wörtlich genommen und das Unmögliche vor der Kamera möglich gemacht. Kein „Mission: Impossible“ ohne einen spektakulären Stunt des Stars, der die Gesetze des Machbaren immer aufs Neue außer Kraft setzte. Sich an einen startenden Airbus klammern, an der Fassade eines Wolkenkratzers vom 119. in den 130. Stock klettern oder mit dem Motorrad über eine Klippe ins Meer rasen – Cruise hat immer wieder enorme physische Herausforderung angenommen, um das Kinopublikum ins Staunen zu versetzen. Da darf dann ruhig ein bisschen Nostalgie aufkommen.
Und so beginnt Regisseur Christopher McQuarrie mit einer Greatest-Hits-Montage aus den sieben Folgen des Franchises unterlegt mit der Stimme von Angela Bassett, die in der Rolle der amtierenden US-Präsidentin dem Agenten für seine verdienstvollen Einsätze dankt – bevor diese Nachricht sich zehn Sekunden später selbst zerstört. „Final Reckoning“ ist als direktes Sequel auf den Vorgängerfilm angelegt und erneut muss Hunt hier gegen einen schwer fassbaren, übermächtigen Gegner antreten: Eine künstliche Intelligenz namens „The Entity“ hat sich aller Datenströme bemächtigt, mit gezielten Desinformationskampagnen einen Endzeitkult geschaffen und droht nun die Codes aller neun Atommächte zu knacken. „Die Welt verändert sich. Die Wahrheit verschwindet. Der Krieg wird kommen.“ raunt die Stimme aus dem Off – ein Omen von durchaus aktueller Resonanz. Den anvisierten atomaren Weltuntergang gilt es nun für Hunt und sein Team in möglichst allerletzter Sekunde zu vereiteln.
Ein vierkantiger Schlüssel gibt den Zugang zu einer Festplatte in einem gesunkenen russischen U-Boot frei. Ein futuristischer USB-Stick muss auf die Millisekunde genau in das Laufwerk eingeführt werden, um den atomaren Super-Gau zu verhindern. Na ja. Über eine Stunde dauert es, bis dieser „Mission: Impossible“ aus der Falle der Selbstreferenzialität herausfindet und mit zwei spektakulären Actionsszenen zu seinen Kernkompetenzen vorstößt. In einer klug choreografierten Stunt-Sequenz taucht Cruise durch das Innere des gesunkenen U-Boots, das langsam auf einen Meeresabgrund zurollt. Die vertrauten Parameter von Oben und Unten sind ständig in Bewegung, während tonnenschwere Torpedos um den tauchenden Helden herumkugeln.
Ein echtes Kinoerlebnis: Cruise turnt auf den Tragflächen eines Doppeldeckers
Im Finale geht es dann in die Lüfte mit einem Doppeldecker, auf dessen Tragflächen Cruise bei hoher Geschwindigkeit herumturnt, um dem Bösewicht im Cockpit den begehrten USB-Stick abzujagen. Ein komplett irrer Stunt, den Cruise hier mit seinen fast 63 Lebensjahren absolviert - ein echtes Kinoerlebnis, das im Zeitalter von „Deep Fake“ den körperlichen Einsatz seines Stars feiert und damit auch eine Brücke zur KI-kritischen Story schlägt.
Aber auch wenn diese Szenen für einiges entschädigen, hätte man sich ein Finale gewünscht, das sich weniger oft auf die eigenen Schultern klopft und mit einem anspruchsvolleren Plot aufwartet. Das Personal hierfür wäre vorhanden: Ving Rhames und Simon Pegg als langjährige Weggefährten, die charismatische Hailey Atwell als beherzte Taschendiebin und potenzielle Geliebte, Pom Klementieff in der Rolle der allzu schweigsamen Kampfamazone und die stets verlässliche Angela Bassett als verantwortungsvolle US-Präsidentin – sie alle bleiben in dieser epischen Tom-Cruise-Abschiedsshow auf die Rolle von Stichwortgebenden reduziert und hätten ein Drehbuch verdient, das ihren Figuren mehr Aufmerksamkeit schenkt.
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