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Ursula Krechels neuer Roman „Sehr geehrte Frau Ministerin“

Roman

Ein Sohn ist immer ein Risikofaktor: Ursula Krechels Roman „Sehr geehrte Frau Ministerin“

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    Die Autorin Ursula Krechel, hier ein Archivbild aus dem Jahr 2013, schreibt in ihrem neuen Buch „Sehr geehrte Frau Ministerin“ über Mütter und Söhne.
    Die Autorin Ursula Krechel, hier ein Archivbild aus dem Jahr 2013, schreibt in ihrem neuen Buch „Sehr geehrte Frau Ministerin“ über Mütter und Söhne. Foto: Arne Dedert, dpa

    Ursula Krechel setzt sich in ihrem neuen Roman anhand von drei höchst unterschiedlichen Frauenbiografien mit den teilweise abgründigen Beziehungen von Söhnen zu ihren Müttern auseinander. Eine fiktive Justizministerin, eine mittellose Kräuter-Verkäuferin und eine ambitionierte Lateinlehrerin stehen im Mittelpunkt. Und dann gibt es noch einen jungen Stalker, der gewalttätig wird.

    Jedes Wort in Ursula Krechels Roman „Sehr geehrte Frau Ministerin“ ist wohlplatziert

    Die 77-jährige Ursula Krechel, die 1971 mit einer Arbeit über den Dramaturgen und Regisseur Herbert Ihering promovierte, war in ihrer langen literarischen Laufbahn auch als Lyrikerin äußerst erfolgreich. Dies merkt man diesem hochpoetischen Roman in jeder Zeile an. Hier scheint jedes Wort wohlbedacht und wohl platziert zu sein. 2012 war Krechel für ihren Roman „Landgericht“ mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet worden.

    Ursula Krechel: Sehr geehrte Frau Ministerin.
    Ursula Krechel: Sehr geehrte Frau Ministerin. Foto: Klett-Ccotta

    Ich-Erzählerin im neuen Roman „Sehr geehrte Frau Ministerin“ ist die ehrgeizige Lateinlehrerin Silke Aschauer. Eine sensible und hochgebildete Frau, die durch extrem starke Regelblutungen körperlich stark beeinträchtigt ist. Sie liest mit ihren Schülern die „Annalen“ des römischen Historikers Tacitus. Sie liest mit ihrem Lateinleistungskurs nicht nur Tacitus, sondern inspiriert ihre Eleven auch dazu, die römische Geschichte gegen den Strich zu interpretieren. Die folgenschwere Beziehung Agrippinas zu ihrem Sohn Nero, der seine Mutter ermorden ließ, hat es ihr besonders angetan. „Ein Sohn ist immer ein Risikofaktor“, so lautet die Quintessenz aus dem reizvollen Ausflug in die Geschichte.

    Die Normalität einer ihrer Protagonistinnen hat Ursula Krechel interessiert

    Die zweite Protagonistin Eva Paterak verkauft sündhaft teure und mit aggressiver Werbung angepriesene Bio-Kräuterprodukte, die sie sich selbst nicht leisten kann. Ihren inzwischen erwachsenen Sohn Philipp hat sie alleine großgezogen. Sein Studium hat er zum Leidwesen der Mutter „geschmissen“ und hängt die meiste Zeit des Tages vor seinem Computer und hat längst die Flucht ins virtuelle Nirwana angetreten. „Es hat mich ihre Normalität interessiert“, erklärte Ursula Krechel über die gleichermaßen macht- wie mittellose Frau. In einer völlig anderen Welt lebt die Ministerin.

    Ursula Krechel porträtiert Repräsentantinnen unterschiedlicher gesellschaftlicher Milieus, einzig verbunden durch das Frausein in einer patriarchalen Lebenswelt und ihre Erfahrungen mit physischer und psychischer Gewalt. Die Autorin setzt eine hoch artifizielle verbindende Klammer vom blutgetränkten Lebensweg der machtbesessenen Agrippina bis hin zur zunehmenden Radikalisierung im Alltag der Gegenwart. Dies ist kompositorisch perfekt gelungen. Man folgt der Autorin bereitwillig durch die Jahrhunderte.

    Die Ministerin macht von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch

    „Die Frauen stehen für verschiedene Haltungen zur Realität und die Auseinandersetzung mit Gewalt,“ erklärte Ursula Krechel kürzlich in einem SWR-Interview. Die Ministerin erhält zunächst anonyme Briefe und wird später vor ihrem Haus Opfer einer Messerattacke. „Der Staatsanwalt verliest die Anklageschrift. Ich mache von meinem Recht auf Zeugnisverweigerung Gebrauch.“ Mit diesen Worten lässt Ursula Krechel den Roman enden. Was dies alles mit dem jungen Stalker zu tun hat? Einfach lesen und selbst entdecken.

    Ursula Krechel: Sehr geehrte Frau Ministerin. Roman. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2025, 360 Seiten, 26 Euro

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