Dieser schreckliche Hut! Popeye trug ihn immer, wahrscheinlich auch im Bett und unter der Dusche. Dieses ranzige Pepita-Ding, das scheinbar an seinem Kopf festgewachsen war, geriet zum Markenzeichen des sturen, immer wieder mit masochistischer Lust gegen die Wand laufenden Cops Jimmy „Popeye“ Doyle, der sich 1971 in „French Connection/Brennpunkt Brooklyn“ mit einem schier übermächtigen Gegner anlegte. Und noch etwas bleibt als eine der ikonischsten Szenen der Filmgeschichte im Gedächtnis: Diese wahnsinnige Autojagd, in der Popeye wie ein Verrückter durch die Straßen unter der Hochbahntrasse brettert, ohne Rücksicht auf Verluste. Der Mann (hier tatsächlich ohne Hut), schaut nach vorne, nach oben, reißt das Lenkrad herum, weicht einem Kinderwagen aus, rammt ein Auto, beißt sich auf die Lippe, schwitzt, und rast weiter, gefühlter Puls 300. Er will unbedingt den Killer erwischen, der gerade oben mit der U-Bahn flüchtet.
„French Connection“ wurde zum größten Erfolg in Gene Hackmans Karriere
Nie war Action authentischer, tiefgehender, psychologischer. Sie drückte jeden Zuschauer tief in den Sessel, weil sie einen den obsessiven Charakter dieses gnadenlosen, verzweifelten, kompromisslosen Jägers am eigenen Leib spüren ließ. Was vor allem an der grandiosen Ausdruckskraft des Typen lag, der ihn verkörperte: Gene Hackman. Mit „Brennpunkt Brooklyn“ feierte der 1930 in Kalifornien geborene Schauspieler im Alter von 41 Jahren einen echten Spätstart, der gleichzeitig zum größten Erfolg seiner Karriere wurde. Schon 1972 dominierte das irrwitzige Low-Budget-Drama von Regisseur William Friedkin die Oscar-Verleihung. Bester Film, beste Regie und – selbstverständlich – bester Hauptdarsteller: Gene Hackmann.
So beharrlich wie Popeye verfolgte Hackman auch seinen Jugendtraum, Schauspieler zu werden. Allerdings schienen Umwege dabei ebenso programmiert. Ein gewalttätiger Vater, der Versuch, bei den Marines unterzukommen, ein Journalismus-Studium, Billigjobs und schließlich die Idee, in Kalifornien eine Schauspielschule zu besuchen. Fast wäre sein dortiges Intermezzo zum klassischen Missverständnis geworden. Die „wandelnden Surfbretter“, wie er seine braun gebrannten Kommilitonen später nannte, hielten ihn für den „am wenigsten erfolgversprechenden Studenten“. Doch in der anbrechenden Ära des New Hollywood übernahmen zunehmend solche Außenseiter das Ruder, vor und hinter der Kamera. In Arthur Penns „Bonnie und Clyde“ wurde Hackman zum ersten Mal für einen Oscar nominiert.
2004 beendete Gene Hackman seine Karriere
Hackman gelang es immer wieder, dem Alltäglichen seiner Erscheinung etwas Besonderes zu verleihen. Alle Spektren des menschlichen Innenlebens hatte er im Repertoire: das Spießige („The Birdcage“, 1996), das Dämonische („The Chamber“, 1996), das Autoritäre („Geronimo“, 1993), das Couragierte („Mississippi Burning“, ein grandioses Beispiel dafür, wie kontrolliert Hackman seine Energie einzusetzen in der Lage war) oder das Sadistische in Clint Eastwoods Film „Unforgiven“, für den er 1993 noch einen Oscar als bester Nebendarsteller erhielt. Die Besessenheit dieser Figuren, die nur ihrem eigenen Willen folgten, erinnerten immer an „Popeye“ – den wahren Hackman. Denn auf der Straße wäre der Mann niemandem aufgefallen. Auf der Leinwand aber vereinte sich seine besondere Energie, die einen Star zum Star macht, mit einer riesigen Bandbreite an Ausdrucksmöglichkeiten. Gene Hackman ließ die Übersehenen, scheinbar Unauffälligen zu überlebensgroßen Charakteren aufsteigen.
Seine Eigenwilligkeit hat sich der Schauspieler bis zuletzt bewahrt. 2004 beendete er abrupt seine Karriere, zog sich nach New Mexico zurück und schrieb fortan Abenteuerromane. Am Mittwoch wurde Hackman, keine vier Wochen nach seinem 95. Geburtstag, tot in seinem Haus in der Gemeinde Santa Fe Summit im US-Bundesstaat New Mexico gefunden, ebenso wie seine Ehefrau Betsy Arakawa (63) und deren gemeinsamer Hund. Zu den genauen Todesumständen gibt es bislang keine näheren Angaben.
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