
Finning: Eine ganz besondere Sitzung 50 Jahre nach der Gebietsreform

Plus Von den im Dezember 1971 gewählten ersten Gemeinderäten der damals neu gebildeten Gemeinde Finning leben noch vier. Sie blicken gemeinsam mit Bürgermeister Weißenbach auf die Gebietsreform zurück.

Vor 50 Jahren – im Jahr 1972 – trat die Gebietsreform in der Region Landsberg in ihre entscheidende Phase. Bereits seit 1970 hatten sich die ersten Gemeinden zusammengeschlossen, 1972 folgten die meisten anderen Fusionen, sodass die Gemeindegebietsreform im Raum Landsberg weitgehend abgeschlossen war. Und zum 1. Juli wurde die Kreisreform wirksam. Der Landkreis Landsberg blieb bestehen – unter anderem durch den Zugang der bislang kreisfreien Stadt Landsberg und mehrerer Gemeinden aus den Kreisen Fürstenfeldbruck, Kaufbeuren und Schongau. In loser Folge wollen wir einige Vorgänge aus dieser Zeit betrachten. Heute geht es um die Entstehung der heutigen Gemeinde Finning.
Dort kamen jetzt nach 50 Jahren die vier noch lebenden Mitglieder des ersten Finninger Gemeinderates zu einer „Sitzung“ zusammen – mit Bürgermeister Siegfried Weißenbach und erinnerten sich an die damaligen Vorgänge. Gegen das, was heute selbstverständlich ist, gab es 1970 und 1971 jedoch auch im Windachtal Widerstände. Man hatte Angst vor dem Verlust der eigenen Identität, und es gab auch Besitztümer zu verteidigen. Zwei Bürgerbefragungen brachten keine eindeutigen Mehrheiten, letztlich oblag es aber ohnehin den Gemeinderäten, über das Zusammengehen zu entscheiden. Und so geschah es, dass alle drei Gemeinden Mitte September 1971 ihre Selbstständigkeit aufgaben, um fortan als Gemeinde Finning zu formieren. Die Amtsgeschäfte führte zunächst kommissarisch Ludwig Pantele, da er Bürgermeister der einwohnerstärksten Gemeinde Oberfinning war.
Am Ende hätte es keine realistische Alternative gegeben
Zuvor hatte es schon einen gewissen Druck vonseiten der Staatsregierung gegeben. Für schnell entschlossene Gemeinden gab es zudem finanzielle Vorteile, jedoch nur für eine Übergangszeit. Und 1978 wäre der Zusammenschluss sowieso angeordnet worden. Es gab also keine realistische Alternative. Bei den Konsultationen in Sachen Gebietsreform ging es bisweilen hoch her. Man kann sich leicht vorstellen, was dabei alles eine Rolle spielte: Waldbesitz, Jagdgenossenschaft, Kiesgrube, Wasserversorgung, Friedhofsverwaltung, Steueraufkommen und Ähnliches. Es wurden Bedingungen gestellt, Kompromisse ausgehandelt und akzeptiert und letztlich kam es zur Unterzeichnung eines gemeinsamen Vertrags.
Darin stand etwa, dass an der Wasserversorgung nichts geändert werden und Unterfinning ein Feuerwehrhaus bekommen sollte. „Unterfinning hatte mehr Besitz als die anderen zwei Gemeinden, zum Beispiel Wald und Kiesgrube, da musste man vorsichtig sein“, berichtet der damalige Gemeinderat Josef Löbhard.
Manche Abmachung wurde in Finning dann doch nicht umgesetzt
So mancher vereinbarte Vertragsgegenstand wurde allerdings wieder aufgegeben, weil es sich als vernünftig erwies und auch, weil mehr und mehr Vertrauen unter den Gemeinderäten der Ortsteile entstand. So einigte man sich auf eine gemeinsame Wasserversorgung und es wurde darauf verzichtet, in Unterfinning ein Feuerwehrhaus zu bauen, weil bei der Errichtung des neuen Gemeindezentrums mit Schule, Sportplatz und Gemeindekanzlei ein gemeinsames Feuerwehrhaus für Ober- und Unterfinning geplant wurde. Eingeweiht wurde das Gemeindezentrum 1976.
Auf Einladung von Bürgermeister Siegfried Weißenbach trafen sich vor Kurzem in der Gemeindekanzlei die vier noch lebenden Gemeinderäte des ersten Gremiums nach der Gebietsreform. Drei von ihnen haben damals den Vertrag zur Zusammenlegung mitverhandelt: Hans Urbanek, Josef Degle und Albert Miller. 108 Jahre Gemeinderatstätigkeit summieren sich bei ihnen: Albert Miller 42 Jahre, Josef Degle 36 Jahre, Hans Urbanek 30 Jahre und Josef Löbhard 18 Jahre. Weißenbach kredenzte Sekt und Häppchen und bedankte sich für die vielen Jahre Arbeit zum Wohl der Gemeinde. Es sei vieles bewegt worden in den vergangenen 50 Jahren. „So richtig feiern können wir das nicht wegen der Corona-Situation, aber ich hoffe, wir können es im Sommer nachholen“, so Weißenbach.
Ein Blick in die alten Protokolle hilft weiter
Gemeinsam erinnerten sich die Gemeinderäte an die damalige Zeit. Bisweilen waren sie sich nicht mehr ganz sicher, wo und wann damals gewählt wurde und wo die Sitzungen stattfanden. Aber gemeinsam fand man es dann schnell heraus. Denn es gibt ja auch Protokolle, in denen man einiges nachlesen kann.
Dort steht, dass Anfang Dezember 1971 der neue Finninger Gemeinderat gewählt wurde, der schon am 17. Dezember zu seiner ersten Sitzung zusammentrat. „Das war im Schulhaus Oberfinning, in einem großen Klassenzimmer“, erinnert sich Hans Urbanek. Zunächst hatte man vereinbart, dass die Sitzungen reihum in den Wirtschaften stattfinden sollten, davon kam man aber wieder ab und man einigte sich auf den Raum im Schulhaus Oberfinning. „Die Gemeindekanzlei war dann auch im Oberfinninger Schulhaus“, so Josef Degle, der von 1989 bis 2002 Bürgermeister war. Degle erinnert sich noch, dass ein Bürger aus Protest gegen den Zusammenschluss sogar aus der Partei austreten wollte – und „die“ Partei, das war damals natürlich die CSU.
Was nach der Gebietsreform so alles in Finning geschaffen wurde
„Oberfinning hatte damals die meisten Einwohner und war daher aufnehmende Gemeinde“, erzählt Albert Miller. „Daher ist die finanzielle Zuwendung der Staatsregierung, die sich an der Einwohnerzahl von Unterfinning und Entraching orientiert hat, an Oberfinning ausgezahlt worden.“ Letztlich sei die Zuwendung dann aber in den Haushalt der Gesamtgemeinde eingeflossen. Ludwig Pantele wurde am 17. Dezember 1971 zum Bürgermeister gewählt und blieb es bis zu seinem Tod im Jahr 1989.
Alteingesessene unterscheiden heute immer noch zwischen Oberfinning, Unterfinning und Entraching. Aber dass die drei Gemeindeteile unter einer gemeinsamen Verwaltung stehen, ist längst akzeptiert. Wichtige Maßnahmen seit der „Vereinigung“ waren der Bau von Schul-, Gemeinde- und Sportzentrum mit Mehrzweckhalle, der Kanalbau, das neue Feuerwehrhaus mit Schützenheim und der neue Kindergarten. 2018 feierte die Gemeinde ihr 1200-jähriges Bestehen, organisiert von einem Festausschuss, dem Mitglieder aus allen drei Orten angehörten. Aus der anfänglichen Skepsis ist also längst Akzeptanz geworden, „eine Erfolgsstory“, wie Albert Miller sagt.
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