Herr Mantzsch, Sie sind Kommunalheraldiker, wie oft müssen Sie Ihren Beruf erklären?
JÖRG MANTZSCH: Ich muss sehr oft erklären, was überhaupt die Heraldik ist. Die Heraldik ist eine historische Hilfswissenschaft, die die Wappenkunde, Wappenkunst sowie das Wappenrecht abdeckt. Die Heraldik dient zum Beispiel dazu ein Dokument, das nicht datiert aber versiegelt ist, zeitlich und sachlich zuzuordnen.
Für manche haben Wappen wohl etwas Verstaubtes oder Mittelalterliches …
MANTZSCH: Wappen stammen aus dem Mittelalter und sind Symbole einer Identität. Bis zum Dreißigjährigen Krieg waren uniformierte Heere unüblich. Man musste also von Weitem unterscheiden können, ob man seinem Gegenüber den Morgenstern über den Kopf haut oder nicht. Ritter haben daher ihre Symbole auf dem Schild und Helm gezeigt.Mit der Zeit wandelte sich die Funktion vom Erkennungszeichen hin zum Symbol von Macht, Identität und Einfluss. In der Frühen Neuzeit sind dann Städte auf die Idee gekommen, ihre Souveränität mithilfe eines Wappens auszudrücken. Dabei haben sie sich oftmals auf ehemalige Herrschergeschlechter besonnen, die das Gebiet beeinflussten, oder auf Kirchenpatrone, geografische Besonderheiten oder Zusammenhänge zum Ortsnamen. Und so ist die kommunale Heraldik entstanden.
Welche Bedeutung haben die kommunalen Wappen in der heutigen Zeit?
MANTZSCH: Heutzutage gibt es noch Adelsfamilien, die ein Wappen führen, jedoch nicht mehr als Hoheitszeichen. Zudem gibt es etwa 22.000 historisch überlieferte Wappen, die Bürger führten oder noch führen. Zum Teil spielen da ungeahnte Emotionen eine Rolle – ähnlich wie beim Fußball: Wenn ich mit einem schwarz-gelben Borussia Dortmund Schal zu einem Fußballspiel nach Bayern fahre, muss ich aufpassen, dass mein Gesicht heil bleibt, weil die Emotionen mancher Fans hochkochen könnten. Ähnlich definieren sich Menschen mit dem Wappen ihres Heimatortes oder Bundeslandes. Kommunale Wappen sind also Symbole einer Identität und in der heutigen Zeit, in der so schnell gesellschaftliche Umbrüche stattfinden, eine Konstante, unbenommen von Verwaltungs- und Strukturreformen oder Parteien, die da regieren.

Sie haben kürzlich das erste eigene Wappen für den Ort Pestenacker gestaltet. Wie lief der Prozess ab?
MANTZSCH: Pestenacker wird von Weil verwaltet, aber seine kulturelle, soziale, politische und wirtschaftliche Genese ist doch eine andere und deshalb wollten sich die Menschen in Pestenacker nicht abgrenzen, sondern sich aus ihren konkreten Gegebenheiten symbolisch selbst definieren.Der komplizierte Teil ist die Wappenfindung. Also, welche Symbole können wir mit welchen Farben verbinden? Was ist überhaupt heraldisch möglich? Da gibt es stilistische Vorgaben, etwa wie ein Symbol auszusehen hat oder welche Farben man verwendet. Es gibt nur sechs Farben: Zwei Metalle – Gold und Silber – sowie Rot, Grün, Blau und Schwarz. Das fasst sich in Regeln, welche Farbe auf eine andere folgen darf.

Gibt es Wappen im Landkreis Landsberg, bei denen heraldische Grundregeln verletzt werden?
MANTZSCH: Dießen hat zum Beispiel ein Wappen, in dem der Heilige Georg mit der Kreuzfahne steht und ein Schild mit Tatzenkreuz trägt, symbolisch alles ok. Er hat jedoch eine blau-silberne Rüstung und das ist nicht korrekt. Die Rüstung müsste nur blau sein. Warum? Um von Weitem zu erkennen, was auf dem Wappen ist, gibt es die Regel, dass nur ein farbiges Symbol auf einem metallischen Schild gesetzt werden darf, um einen möglichst großen Kontrast zu haben, nicht Metall auf Metall. Geltendorf hat gleich zwei heraldische Fehler. Auf der vorderen Hälfte ist ein blauer Schrägbalken auf einem silbernen Schild, der jedoch grau gezeichnet ist. Es gibt aber kein Grau im Farbensystem und das Silber wird im Wappen weiß gezeichnet. Die rechte Schildhälfte zeigt ein rotes Kreuz auf blauem Hintergrund. Farbe auf Farbe ist nicht erlaubt.
Haben Sie unter den Wappen im Landkreis Landsberg einen Favoriten?
MANTZSCH: Ein heraldisch gutes Wappen hat die Gemeinde Penzing. Das ist vom Landsberger Landrat Bernhard Müller-Hahl. Er hat von 1918 bis 1985 gelebt und eine ganze Reihe von Wappen gestaltet, zum Beispiel auch die von Greifenberg, Weil und Rieden am Ammersee. Das Penzinger Wappen zeigt gekreuzte Schlüssel, das Symbol von Petrus. Das blaue Schwert weist auf den Heiligen Martin hin, dem Schutzpatron der Kirche. Auffallend ist, dass das Schwert mit der Klinge nach oben zeigt. Meistens wird das Schwert mit gesenkter Klinge gezeigt, um zu verdeutlichen: Ich bin wehrhaft, aber friedlich. Müller-Hahl hat das Schwert nach oben gezeichnet, wohl im Hinblick darauf, dass Penzing ein Militärstandort war.

Sie haben schon über 600 Wappen gestaltet: Erkennt man einen „echten Mantzsch“, haben Sie eine erkennbare Handschrift?
MANTZSCH: Ich kann meinen Stil schlecht beurteilen. Ich wurde schon mehrfach als jemand beschrieben, der sehr auf die Symmetrie achtet und klar konturierte und wenige Symbole verwendet, die eine Fernwirkung haben, so wie es die Heraldik vorschreibt.

Zur Person
Jörg Mantzsch, Jahrgang 1953, ist ein deutscher Heraldiker und Journalist. Er lebt in Magdeburg. Vertreter von Ortschaften können sich bei Interesse an einem Wappen an ihn als Vertreter der Deutschen Ortswappenrolle wenden.