„Sehr geehrte Fahrgäste, RE76 Richtung Oberstdorf über Kaufering heute von Gleis 27. Grund ist ein verspäteter Zug auf dem Ursprungsgleis. Bitte achten Sie auf die Lautsprecherdurchsagen.“ Eine Ansage, die so sicher kommt wie das Amen in der Kirche – nur leider selten so pünktlich. Ein routiniertes Raunen geht durch die Menge. Einige Passagiere zücken hektisch ihre Handys – die erfahrenen Pendler bleiben gelassen. Der übliche Start in den Bahnalltag.
Wenn es bei einem Gleiswechsel bleibt, der nur drei Minuten kostet, dann ist das ein guter Tag. Wird daraus aber ein zehnminütiger Halt vor – und nicht in – Geltendorf, gerät der Zug wortwörtlich ins Stocken. „Sehr geehrte Fahrgäste, wir warten noch auf eine verspätete S-Bahn.“ Oder: „Leider gibt es eine Signalstörung.“ Wenn diese Sätze durch die Lautsprecher hallen, wissen die Stammgäste des Regionalzugs: Das könnte eng werden mit den Anschlüssen in Kaufering. Die ersten Pendler greifen zum Telefon – ob per Anruf oder Nachricht, alle müssen in der Arbeit Bescheid geben: „Ich komme heute mal wieder später. Mein Zug hat Probleme. Die Bahn ist schuld, und die Morgenkonferenz futsch.“
Auf der Strecke zwischen München und Kaufering sind Verspätungen nicht selten
Blöd laufen kann es jeden Tag – aber die Wahrheit ist: Selbst bei Zugausfällen bewegt man sich meistens innerhalb des magischen 100-Minuten-Korridors von München bis in die Lechstadt. Ein Ergebnis, mit dem man in der eingefrorenen Schienenrepublik Deutschland fast schon zufrieden sein muss. Alle 20 bis 40 Minuten fährt ein Zug von München über Kaufering und wenn mal einer ausfällt, bricht nicht gleich das gesamte Weltbild der Passagiere zusammen – Gott bewahre, es wird nur bestätigt. Richtig voll wird es erst, wenn der vorherige Zug komplett auf der Strecke geblieben ist. Dann drängeln sich die Menschen im Abteil wie Tetris-Steine – nur ohne die Erlösung, dass eine volle Reihe verschwindet.
Die Strecke bis Kaufering ist berühmt und berüchtigt für kleine Verspätungen. Die Info-Anzeige zeigt “pünktlich” – als würde die Bahn sich selbst motivieren wollen. Meist sind es zwar nur drei bis zehn Minuten Verspätung – aber selbst an störungsfreien Tagen bleibt das „+3 min“ hinter der planmäßigen Ankunftszeit der Goldstandard für die Verbindung München-Kaufering.
Laut Plan braucht man 33 bis 36 Minuten. Zieht man die Standard-Verspätung ab, bleiben üppige zehn Minuten, um entspannt auf das Gleis Richtung Landsberg herüberzuschlendern. Eine kluge Taktik: Der RB 69 nach Landsberg fährt jede halbe Stunde – und antizipiert damit jegliche Verspätungen seiner Kollegen aus München. Ein kleiner, feiner, aber vor allem schön-vorgeheizter Zug steht meist schon am Markt-Bahnhof bereit – im Kalten draußen stehen müssen nur die Raucher. Der einzige Raucherbereich am Gleis Richtung Landsberg wird bei vorbeifahrenden Zügen zu einer Außenstelle des Nordpols – mit Rauchsignalen statt Funkverkehr.
Sechs Minuten dauert der Schlusssprint von Kaufering nach Landsberg
Dann folgt der Schlusssprint – von Kaufering nach Landsberg. Sechs Minuten, ein Zwischenhalt: Landsberg (Schule). Offenbar hat die Strecke dort Nachhilfe in Sachen Pünktlichkeit genommen – und mit „sehr gut” bestanden. Mal mit mehr Verspätung, mal mit weniger Pünktlichkeit – Hauptsache darauf ist Verlass. Und selbst wenn das Warten doch mal länger als geplant ausfällt, steht am Ende der Fahrt der Zug immer am Ziel – weil auch die Bahn irgendwann die Geduld verliert.
Am Ende der täglichen Tuckerfahrt gibt es den Klassiker: „Wir bedanken uns für Ihre Fahrt mit der DB Regio Bayern und wünschen Ihnen einen angenehmen Tag.“ Ein durchaus berechtigter Wunsch – denn wenn der Tag nicht schön war, freut sich wohl kaum jemand auf die Rückfahrt in die Landeshauptstadt. Am Abend zur Stoßzeit? Das ist eine andere Geschichte… Chronisch verspätet, aber zuverlässig mit ganz eigenem System – das Mantra der Bahnstrecke München-Landsberg.
Was soll man sagen - ist halt leider so! Man könnte jetzt noch anfügen, dass der Ortsbus in Kaufering erst 30min nach der Ankunft der Züge aus München losfährt und man theoretisch in dieser Zeit auch schon zu Fuß zu Hause wäre ...
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