Was hat Sie dazu inspiriert das Buch „Der Erfindergeist der Tiere“ zu schreiben?
ALICE VON AUERSPERG: Ich forsche seit vielen Jahren zum sogenannten Innovationsverhalten bei Tieren – also dazu, wie sie neue Lösungen für Probleme finden. Mich fasziniert, wenn Tiere Verhaltensweisen zeigen, die nicht angeboren sind, sondern von ihnen selbst entwickelt wurden und dann auch wiederholt, gelernt und sogar durch soziales Lernen weitergegeben werden. Aktuell forsche ich mit Goffini-Kakadus, die Werkzeuge nicht nur benutzen, sondern auch bauen können. Genau diese Art von Erfindergeist wollte ich in meinem Buch zeigen.
Gab es ein Tier oder einen Moment, das Sie besonders überrascht hat?
AUERSPERG: Ja, da gab es sogar zwei ganz besondere Momente. Einer davon war im Labor, als eine Studentin beobachtet hat, wie ein Kakadu mit einem Stein in einer Voliere spielte, der dann aus dem Gitter rollte. Der Vogel versuchte erst mit dem Fuß, dann mit einem Stöckchen danach zu angeln. Wir waren neugierig und legten eine Nuss an dieselbe Stelle – und der Kakadu, ein Männchen namens Figaro, hat sich tatsächlich aus dem Holz der Voliere ein passendes Werkzeug geschnitzt, um die Nuss zu sich zu holen. Das war unglaublich. Inzwischen wissen wir das Goffini Kakadus zu den besten Werkzeugerfindern im Tierreich gehören. Der zweite Moment kam aus dem Freiland: Meine Teamkollegen Berenika Mioduszewska und Mark O’Hara konnten beobachten, wie Kakadus gleich drei unterschiedliche Werkzeuge selbst bauten und verwendeten – jedes mit einer eigenen Funktion. Diese beiden Beobachtungen haben mich wirklich tief beeindruckt.

Woher kommt Ihre Faszination für die Tiere?
AUERSPERG: Ich bin in Kaltenberg aufgewachsen, mitten in der Natur – da war der Bezug zu Tieren irgendwie selbstverständlich. Ich war so ein Kind, das auf Bäume geklettert ist, um einem Käfer hinterher zu spionieren, oder durchs Dickicht gekrochen ist, um Tiere zu beobachten. Zum Glück hatten meine Eltern da viel Geduld – da wurde nicht gleich mit Desinfektionsmittel gewedelt, wenn ich mit dreckigen Händen heimkam. In der Schule hat sich das dann noch verstärkt. Ich war in St. Ottilien und hatte einen ganz besonderen Biologielehrer, den wir alle nur „Doc“ nannten. Der hat uns ein Bienenfenster ins Klassenzimmer gebaut, die Bienen markiert und uns jedes Detail ihres Verhaltens erklärt – welcher Lehrer macht so etwas? Viele von uns haben ihre Pausen lieber im Biolabor verbracht als auf dem Pausenhof, haben Amaryllis gezüchtet oder einfach nur mit ihm über Tiere geredet. Er hat wahnsinnig viele Biologen hervorgebracht.
Was wollen Sie den Menschen durch Ihr Buch und durch Ihre Forschung mitgeben?
AUERSPERG: Es ist wichtig, die Evolution von erfinderischen Verhalten zu verstehen, nur dann verstehen wir was uns wirklich zu Menschen macht. Gleichzeitig geht es mir um die Beziehung zwischen Mensch und Tier. Wenn wir verstehen, wie Tiere denken und was sie für einen Erfindergeist besitzen, können wir auch mehr Empathie für sie entwickeln. Für mich ist es wichtig, dass sich daraus auch ein gewisser Respekt vor der tierischen Intelligenz entwickelt. Viele Tiere zeigen einen erstaunlichen Einfallsreichtum – Fähigkeiten, die wir lange nur uns selbst zugeschrieben haben.

Wie schreibt man ein Buch und welcher Prozess steckt dahinter?
AUERSPERG: Am Anfang habe ich mit dem Verlag über den Aufbau gesprochen, aber vieles hat sich fast von selbst ergeben – einfach, weil so viel Material aus der Forschung da war. Das Buch deckt im Grunde einen ganzen Forschungsfokus ab: Es geht allgemein um erfinderisches Verhalten bei Tieren, nicht nur um meine eigenen Projekte, sondern auch um die spannenden Arbeiten von Kolleginnen und Kollegen.
Zur Person: Kognitionsbiologin Prof. Dr. rer.nat. Alice von Auersperg ist Gründerin und Leiterin des Goffin-Labs am Messerli Forschungsinstitut der Veterinärmedizinischen Universität Wien. „Der Erfindergeist der Tiere: Werkzeuge, Ideen und Innovationen“ ist das erste Buch der 43-Jährigen. Sie ist eines von fünf Kindern von Prinz Luitpold und Prinzessin Beatrix von Bayern und auf Schloss Kaltenberg aufgewachsen.
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