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Landsberg: Das Ratsdienerhaus am Hauptplatz in Landsberg und sein besonderer Charme

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Das Ratsdienerhaus am Hauptplatz in Landsberg und sein besonderer Charme

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    Im ehemaligen Ratsdienerhaus am Hauptplatz 178 in Landsberg (rosa) befindet sich seit Dezember das Optikgeschäft „Sehform“.
    Im ehemaligen Ratsdienerhaus am Hauptplatz 178 in Landsberg (rosa) befindet sich seit Dezember das Optikgeschäft „Sehform“. Foto: Christian Rudnik

    Das ehemalige Ratsdienerhaus am Hauptplatz 178 ist eines der eigenwilligsten im Häusergefüge der Landsberger Altstadt. Nur zwei Fenster schmal am Hauptplatz, dafür aber acht Fenster lang in der Herzog-Ernst-Straße. Charmant mit seinem Rundbogen am Eingang, der fast so breit ist wie das ganze Haus. Mit dem Nachbarhaus geht es gleich mehrere Liaisons ein, zum einen farblich, eine wunderbare Harmonie aus gelb und rosa mit weißen Verblendungen. Zum anderen schmiegt es sich regelrecht an das der Chocolaterie Dillinger. Etwas kleiner zwar, aber dafür kokettiert es mit der auffällig geschweiften Giebelvorblendung, der wirkt wie der Saum eines Faltenrockes. Beim Blick vom oberen Ende des Hauptplatzes blitzt dahinter die Stadtpfarrkirche Mariä Himmelfahrt hervor.

    Von der Herzog-Ernst-Straße sieht das Haus dagegen ganz anders aus. Vier rundbogige Schaufenster, danach wechselt das Bild. Optisch bildet die antike hölzerne Eingangstür eine Einheit mit den beiden holzumrahmten Fenstern und dem bodentiefen Ladenstock mit zwei weiteren Fenstern. Das Rätsels Lösung: Zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Nordmauer entfernt und der Laden in den rückwärtigen Raum, damals noch mit Tonne und Kreuzgewölbe überfangen, erweitert. Ebenso verfuhr man in den oberen Geschossen, so dass heute drei Etagen übereinander liegen, die über die gesamte Hauslänge gehen.

    Bei „Sehform“ sind natürlich zahlreiche Brillen ausgestellt.
    Bei „Sehform“ sind natürlich zahlreiche Brillen ausgestellt. Foto: Christian Rudnik

    In Erdgeschoss und ersten Stock ist Anfang Dezember „Sehform“ eingezogen. 32 Jahre betrieb Inhaberin Katja Schmid (56) ihr Geschäft zuvor in der Von-Herkomer-Straße 23. Dieses übernahm sie mit nur 25 Jahren von Optik Seebauer. Hier am Hauptplatz liebt sie vor allem die tolle Lage, aber auch das viele Licht, das von allen Seiten hereinströmt. Lichtverarbeitung ist ja genau ihr Thema, ohne Licht kein Sehen, keine Farben. Diese gibt es gerade deshalb zuhauf auf den beiden Stockwerken. Katja Schmid spielt mit ihnen, lässt sie überall miteinfließen, hier ein grüner Bereich im Fußboden, dort eine sonnengelbes Polster, um im Schaufenster Platz zu nehmen wie die vielen Brillengestelle, die gut beleuchtet Augenkontakt mit den Passanten suchen. Katja Schmid hat aus der Not eine Tugend gemacht: Mangels Lagerfläche wird die Lager- zur Ausstellungsware. Das Konzept geht auf, auch dank der formschönen, geölten Buchenregale, in denen sie ordentlich aufgereiht sind. Das Farbenspiel gipfelt im Höhepunkt im ersten Stock, der den Kindern gewidmet ist: Hier stehen rote Stühle auf knallblauem Teppich.

    Schmid betrachtet das Sehen ganzheitlich. Bei ihr gibt es nicht nur Sehanalyse („Wird es so schärfer oder nur kleiner und schwärzer?“), sondern auch Optometrie und funktionale Optometrie, Lichtakupunktur und auch Sehtraining. „Das ist wie Physiotherapie für die Augen“ erklärt die Optikmeisterin. Schielen, Kopfschmerz, Lese-Rechtschreibschwäche - zur Besserung vieler Einschränkungen kann das nützlich sein. Neben Fassungen von klassisch bis modern gibt es auch Kontaktlinsen, Sonnenbrillen und Sportbrillen.

    Das Optikgeschäft nutzt auch den ersten Stock des Gebäudes am Hauptplatz 178 in Landsberg.
    Das Optikgeschäft nutzt auch den ersten Stock des Gebäudes am Hauptplatz 178 in Landsberg. Foto: Christian Rudnik

    Innen ist von der alten Haussubstanz nicht mehr viel zu sehen; diese wurde bereits in früheren Zeiten dezimiert. Im hinteren Teil besticht der Ladenstock mit einer Bleiverglasung und edlen Messinggriffen. Sehr schön erhalten sind die beiden Stuckdecken, eine im ersten Stock, dort befindet sich der Raum für die Kinderoptometrie. Und eine weitere im Eingangsbereich. Dabei handelt es sich um eine Rahmenstuckdecke aus der Zeit um 1700 über kräftig profilierten Gesimsen. Mittelpunkt ist ein kreisförmiger Spiegel mit Perl- und Eierstäben, der seitlich von zwei Ovalrahmen begleitet wird. So ist es in „Die Kunstdenkmäler von Bayern – Stadt Landsberg am Lech“ beschrieben. Eingebauen lassen hat sie ein Arzt, Doktor Abraham Praunschober, der zu dieser Zeit das Haus bewohnte.

    1790 ging es an die Stadt Landsberg über und blieb bis gegen 1870 Wohnhaus für Stadtbedienstete. In der Wohnung des ersten Obergeschosses saß der Ratsdiener, der gleichzeitig auch Zolleinnehmer war und seine Amtsstube vermutlich im Erdgeschoss hatte. Auch ein Stadtpfarrorganist wohnte im Haus. Die Stuckdecke im Obergeschoss entstand ebenso wie der geschweifte Giebel in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.

    Hauseigentümerin Andrea Stahl (links) und Sehform-Inhaberin Katja Schmid eint die Liebe zum ehemaligen Ratsdienerhaus.
    Hauseigentümerin Andrea Stahl (links) und Sehform-Inhaberin Katja Schmid eint die Liebe zum ehemaligen Ratsdienerhaus. Foto: Christian Rudnik

    Später folgten als Bewohner Uhrmacher und Gold- und Silberarbeiter sowie in der neueren Zeit Juwelier Heidelberg. Von diesem kauften Michael und Andrea Stahl das Haus. „Wir haben durch Zufall erfahren, dass es zum Verkauf stand“, erzählt Andrea Stahl und fügt an: „Als ich 1996 nach Landsberg kam, habe ich mich sofort in dieses Haus verliebt, es ist eines der schönsten Häuser in Landsberg.“ Damals ahnte sie noch nicht, dass es einmal ihr gehören würde. In enger Abstimmung mit Mieterin Katja Schmid wurde nun renoviert, was problemlos verlief – kein Wunder, sind doch beide Frauen dem Charme des Ratsdienerhauses verfallen.

    Es gibt viele alte Geschäftshäuser oder Wirtschaften mit langer Tradition. Das Landsberger Tagblatt befragt viele, die sich noch daran erinnern, was früher in welchem Geschäft war. Heute blicken wir auf die Historie des Hauses am Hauptplatz 178.

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