Zum 80. Jahrestag des Kriegsendes finden in Landsberg zahlreiche Veranstaltungen statt. So informiert Gerhard Roletscheck in drei Vorträgen über die KZ-Außenlager, die Evakuierungstransporte und -märsche sowie über die letzten Kriegstage in Landsberg. Den Auftakt machte dabei der Vortrag über die Entstehung und Entwicklung der 13 Außenlager, ihre Belegung sowie deren Leiter und ihre Schicksale nach Kriegsende.
13 Außenlager des KZs Dachau gab es westlich von Landsberg und Kaufering, aber auch am Ammersee, bei Türkheim und bei Türkenfeld. Die Lager wurden eingerichtet, um KZ-Häftlinge als Arbeitssklaven aufzunehmen, die Bunkeranlagen für den Bau von Messerschmid-Flugzeugen errichten sollten. Sechs Bunkeranlagen waren in Deutschland geplant, drei davon sollte bei Landsberg entstehen, 3000 Menschen dort arbeiten. Gerhard Roletscheck, Zweiter Vorsitzender des Historischen Vereins in Landsberg, zeigte in seinem gut besuchten Vortrag im Rosarium der Volkshochschule Landsberg den von Adolf Hitler unterzeichneten Erlass vom März 1944 für dieses Vorhaben. Letztlich wurden zwei Bunker nicht gebaut: „Walnuss“ bei Landsberg und einer bei Leeder.

Die Lager wurden stets in der Nähe der Bunker geplant, sodass sie von den Gefangenen zu Fuß oder per Bahn erreicht werden konnten, und vor Entstehung bereits durchnummeriert, wurden jedoch nicht in dieser Reihenfolge gebaut. Manche wurden nie oder nur kurz belegt. Roletscheck stellte die Lager in der Reihenfolge ihrer Entstehung vor, zeigte alte Luftaufnahmen, mithilfe derer sich die Lage besser verorten ließ. Heute ist von vielen Lagern nichts mehr zu sehen, und auch die Gedenksteine stehen oft nicht an der Stelle, wo sie sich einmal befunden haben. Industriegebiete und Wiesen sind darüber gewachsen, wo einst unzählige Menschen unter unsäglichen Bedingungen leben mussten, oder es entstanden Kiesgruben und Erholungsgebiete mit Badeseen.
Wie Gerhard Roletscheck ausführte, arbeiteten viele der Gefangenen – im Höchststand waren seinen Recherchen zufolge 17.000 in den Lagern untergebracht – nicht nur am Bau des Bunkers „Weingut“. Viele wurde von der SS an Bauern, Baufirmen oder Kohlelieferanten ausgeliehen. Sie halfen beim Luftschutzbunker- oder im Straßen- und Eisenbahnbau oder verlegten Fernmeldekabel. Die SS kassierte dafür.
Das erste KZ-Außenlager wurde an der Bahnlinie bei Kaufering errichtet
Den Beginn beim Lagerbau machte das Lager III an der Bahnlinie bei Kaufering. Dort befindet sich heute eine Schrebergartensiedlung. Den Anfang bei der Entwicklung der Lager machten meist sogenannte Finnenhütten als Unterkünfte für die Häftlinge, die an Jurten erinnern, aus Pressspanplatten bestanden und schnell auf- und abgebaut werden konnten. SS-Baracken wurden errichtet, Wasch- und WC-Baracken. Die Gelände waren von einem hohen elektrischen Zaun und Wachtürmen umgeben. Später ersetzten Erdhütten die Jurten, Entlausungsanlagen kamen dazu. Anhand von Luftbildern zeigte Roletscheck, wie sich 1945 nicht nur das Lager III stark vergrößert hatte, sondern auch der Bahnhof Kaufering. Dann folgte Lager I, das auch die Kommandantur der gesamten Lager enthielt.

Dort, im Frauenwald, entstanden auch die ersten Tonröhrenbauten. Auf dem großen Areal stehen heute eine Tennishalle und zahlreiche Industriebetriebe wie Rational und die Baufirma Assner. Lager II entstand westlich des Kreisverkehrs Landsberg-West, später wurde es als Ausbildungslager genutzt. „Unter Leiter Otto Moll wurde geübt, wie man ein KZ führt und mit Häftlingen umgeht“, führte Roletscheck in seinem Vortrag aus. Es folgte Lager IV bei der Kolonie Hurlach, danach Lager X in Utting. Dort wurden Häftlinge einquartiert, die bei Dykerhoff Betonfertigteile für den Bunker fertigen mussten.
Weil der Kies zu schlecht für den Bunkerbau war, wurde der Bunker bei Seestall nie gebaut
Lager VIII bei Seestall war nur drei Monate belegt. Es stellte sich heraus, dass der Kies zu schlecht für den Bunkerbau war. Der Bunker wurde deshalb nicht gebaut. Lager IX entstand bei Hurlach, dort wurden später Kriegsgefangene untergebracht. Lager VII liegt nahe der Straße zwischen Erpfting und Landsberg, Lager VI bei Türkheim, Lager XI südlich des Kreisverkehrs Landsberg-West. Lager V bauten Uttinger Häftlinge bei Türkenfeld. Ob es jemals fertig gebaut wurde, sei unklar, so Roletscheck. Die Häuser, die einst der Organisation Todt dienten, werden von Firmen oder privat genutzt.
Zu diesen Lager, die unter „Kaufering“ liefen, kamen zwei weitere: Das SS-Arbeitslager Penzing, in dem 350 französische Widerstandskämpfer einquartiert wurden sowie zudem noch 275 jüdische Häftlinge. Und das Lager bei der DAG (Dynamit AG) im Westen von Landsberg, die Nitrozellulose herstellte. Es war KZ und Fertigungsstätte: Dort musste weibliche Häftlinge Patronen füllen.

Am 27. April marschierten amerikanische Truppen ein und befreiten die Häftlinge. Vielerorts wurden die Lager niedergebrannt. Die US-Soldaten zwangen die Bevölkerung, für die Toten Massengräber auszuheben. Wie ging es nach Kriegsende mit den Lagerleitern und Arbeitsdienstführern weiter? Gerhard Roletscheck hat nicht nur die Geschichte der Lager erforscht, mit vielen Belegen und Fotos, auch aus Archiven in den USA sowie von Privatpersonen. Er konnte auch 320 Personen der SS-Lagerleitungen und vom Wachpersonal identifizieren und aufdecken, wie es ihnen nach dem Krieg erging. Die meisten wurden in Landsberg hingerichtet, viele erhielten lange Strafen. Einige konnten untertauchen, einer sogar aus dem Landsberger Gefängnis entfliehen und bis zu seinem Lebensende unbehelligt an seinem Heimatort leben.
Am 29. April setzt Gerhard Roletschek seine Vortragsreihe mit einem Vortrag über die Evakuierungstransporte und -märsche der KZ-Außenlager fort.
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