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Wann sollten Sie den Notruf 112 wählen? Ein Experte klärt auf

Interview

Wann wählt man 112, wann besser nicht?

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    Wer die Nummer 112 wählt, kann damit im Notfall in ganz Europa den Rettungsdienst und auch die Feuerwehr anfordern. Die Nummer funktioniert ohne Vorwahl und ist kostenlos.
    Wer die Nummer 112 wählt, kann damit im Notfall in ganz Europa den Rettungsdienst und auch die Feuerwehr anfordern. Die Nummer funktioniert ohne Vorwahl und ist kostenlos. Foto: Boris Roessler, dpa (Symbolbild)

    Herr Wolf, Sie leiten die Integrierte Leitstelle Donau-Iller, die auch für das Unterallgäu zuständig ist. In welchen Fällen sollte man dort unter der Notrufnummer 112 anrufen?
    REINER WOLF: Europaweit können Sie über die einheitliche Notrufnummer 112 rund um die Uhr die Feuerwehr und den Rettungsdienst anfordern. In Bayern verbindet Sie der Notruf 112 mit der örtlichen Integrierten Leitstelle – aus allen Telefonnetzen vorwahl- und gebührenfrei. Wählen Sie die 112 bei Unfällen, bei Bränden oder wenn sich jemand in einer akuten, potenziell sogar lebensbedrohlichen Notlage befindet. Zum Beispiel bei schweren Verletzungen oder stärksten Schmerzen, Verbrühungen und starken Verbrennungen, bei Bewusstlosigkeit, allergischen Reaktionen bis zum Schock, akuter Atemnot etwa bei einem Asthmaanfall, Symptomen, die auf einen Schlaganfall hindeuten können, zum Beispiel akuten Lähmungen, Seh- oder plötzlich eintretende Sprechstörungen, Anzeichen eines Herzinfarkts, zum Beispiel plötzlich eintretend starke Brustenge, kalter Schweiß, akute Atemnot. Insbesondere bei bekannten Erkrankungen sollte unverzüglich gehandelt werden.

    Und wann ist die 112 die falsche Wahl?
    WOLF: Bei Erkrankungen, bei denen ich tagsüber oder nach Möglichkeit meinen Hausarzt aufsuchen würde. Wenn die Situation für den Bürger nicht einschätzbar ist, aber lebensbedrohlich sein könnte, kann die 112 grundsätzlich immer angerufen werden.

    Welche Informationen braucht die Integrierte Leitstelle?
    WOLF: Damit die Mitarbeiter der Integrierten Leitstelle sehr schnell geeignete Einsatzkräfte alarmieren können, müssen die Anrufer wichtige Informationen durchgeben. Dafür gibt es die fünf W-Fragen: Wo ist es passiert? Was ist passiert? Wie viele Betroffene bzw. Verletzte gibt es? Wer ruft an? Warten auf Rückfragen. Zusätzlich stellt die Leitstelle noch weitere Fragen. Wichtig: Das Gespräch wird von der Leitstelle beendet.

    Wann wählt man die 110?
    WOLF: Rufen Sie die 110, wenn Sie die Hilfe der Polizei benötigen, weil Sie sich bedroht fühlen, in Gefahr sind oder einer Straftat ausgesetzt sind, die polizeilichen Einsatz erfordert. Oder wenn Sie beobachten, dass andere in solche Situationen geraten. Auch wenn Sie nur vermuten, dass eine solche Situation vorliegen könnte, ist dies die richtige Nummer. 

    Sollte man noch andere Notrufnummern parat haben?
    WOLF: Benötigen Sie außerhalb der regulären Sprechstunden Ihres Hausarztes ärztliche Hilfe bei nicht lebensbedrohlichen gesundheitlichen Problemen, die nicht den Einsatz des Rettungsdienstes notwendig erscheinen lassen, hilft der Ärztliche Bereitschaftsdienst bei der Vermittlung eines Arztes. Der Ärztliche Bereitschaftsdienst ist bayernweit über die Rufnummer 116 117 erreichbar – aus allen Telefonnetzen vorwahl- und gebührenfrei. Die Bundespolizei, die für bahnpolizeiliche Angelegenheiten zuständig ist, erreichen Sie unter 0800/6 888 000.

    Was war der kurioseste Notruf, der in den vergangenen Jahren bei Ihnen eingegangen ist?
    WOLF: Als kurios kann ich keinen Notruf nennen. Meist ist ein schwerer oder minderschwerer Grund bei einem Hilfeersuchen über die Rufnummer 112 anzunehmen.

    Wie schnell sind die Rettungskräfte durchschnittlich vor Ort?
    WOLF: Jeder an einer Straße gelegene Ort wird innerhalb von zwölf bis 15 Minuten Fahrzeit erreicht. Die Integrierte Leitstelle sichert Bereiche im Übrigen auch taktisch ab, wenn das dort eigentlich bekannte und stationierte Rettungsmittel einsatzbedingt einmal nicht vor Ort ist. Die Bereichsabsicherung wird dann durch benachbarte Rettungsmittel durchgeführt. So kommt es vor, dass man dann einen Rettungswagen auch zu Nachtzeiten gegebenfalls einmal zwischen zwei Ortschaften stehen sieht. 

    Wie viele Anrufe gehen pro Tag bei der Integrierten Leitstelle ein und bei wie vielen davon handelt es sich um echte Notfälle?
    WOLF: Täglich gehen weit über 300 Anrufe in der Integrierten Leitstelle ein. Dabei handelt es sich aber nicht ausschließlich immer nur um lebensbedrohliche Notfälle. Im Jahresschnitt werden täglich ungefähr 190 Notfall- und Notarzteinsätze und Krankentransporte sowie etwa 16 Einsätze der Feuerwehren aufgenommen, disponiert und begleitet. 

    Wie häufig sind „Gaudi“-Anrufe und wie reagieren Sie in solchen Fällen?
    WOLF: Eine konkrete statistische Auswertung liegt uns darüber so nicht vor. Aber weder die Integrierte Leitstelle noch die Polizei verstehen Spaß, wenn ein mutwilliger Missbrauch von vorgehaltenen Nothilfeeinrichtungen festgestellt und ggf. nachgewiesen wird. 

    Man hört immer wieder von Fehlalarmen, die durch Smart-Watches ausgelöst werden. Hatten Sie auch schon damit zu tun?
    WOLF: Das ist auf die Bewegungssensorik moderner Geräte zurückzuführen und kommt fast täglich vor. Auch wird bei der Inbetriebnahme und Tests durch die Benutzer hin- und wieder die Notruffunktion versehentlich ausgelöst. In den Ferienzeiten können unsere Mitarbeitenden teilweise schon am Umgebungsgeräusch erkennen, aus welchem Freizeitpark und sogar in welcher Achterbahn ein Smartphone die Notruffunktion auslöst, ohne dass es der Besitzer aktiv mitbekommt.   

    Wie schafft Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen es, in stressigen Situationen die Nerven zu behalten?
    WOLF: Leider sind derartige Situationen und belastende Ereignisse auch für unsere Mitarbeitenden nicht auszuschließen. In der Ausbildung unserer Mitarbeitenden wird der Umgang mit belastenden Situationen trainiert. Darüber hinaus stehen bei Bedarf auch Einrichtungen der psychosozialen Notfallversorgung und Kriseninterventionsteams der Hilfsorganisationen jederzeit beratend zur Verfügung. Wir sind dankbar, dass im Bedarfsfall auch hier stets auf ehrenamtlich-organisierte Einrichtungen und deren Helfer zurückgegriffen werden darf. 

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