
Lustiges über Zeitzeugen: Das steht alles im neuen Buch über Biberberg

Plus Die Hobby-Historiker Hubert und Johann Rüggenmann haben ein Buch über frühere Jahre in Biberberg geschrieben. Enthalten sind auch lustige Anekdoten.
Bäuerliche Warnungen vor Flüchtlingsmädchen in den Nachkriegsjahren, jugendliche Beobachtungen beim „Bullensprung“ oder vom Dorfpfarrer im Beichtstuhl hartnäckig erfragte voreheliche Aktivitäten von Brautleuten: Anekdoten wie diese und viele weitere mehr finden sich in einem 355 Seiten dicken Buch, das die Brüder Hubert und Johann Rüggenmann jetzt Bürgermeister Sebastian Sparwasser vorgestellt haben, praktisch druckfrisch und ergänzt durch üppige mündliche Hintergrund-Informationen.
„Biberberg in früheren Jahren –Zeitzeugen erinnern sich“ haben es die beiden im besagten Ortsteil des Marktes geborenen und aufgewachsenen Autoren betitelt. Was so bescheiden daherkommt, entpuppt sich freilich beim Blättern und Lesen als übervolle historische Fundgrube. Jeder Griff in eines der zehn Kapitel lässt einen speziellen Aspekt des Dorflebens im Osterbachtal vor fünf bis sieben Jahrzehnten aufleben.
„Wir wollten keine langweilige Chronik verfassen“, sagt denn auch Hauptautor Hubert Rüggenmann, Ziel sei vielmehr „ein unterhaltsames Geschichtsbuch“ gewesen. „Wir wollen vermitteln, wie die Menschen damals gelebt haben, was sie bewegt hat, aber auch was sich schon seinerzeit geändert hat."
Buch beschreibt Biberberg als schwäbisches Dorf
Wohl konzentrieren sich die Verfasser dabei auf die Jahre 1945 bis 1965, einen Zeitraum enormer gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und technischer Umbrüche. Aber sie blenden im Kontext einzelner Vorgänge die Jahre zuvor und danach nicht aus, die letzten Kriegsmonate und das heute deutlich veränderte Vereinsleben etwa.
Keine Frage: Nicht wenige Fakten und Vorkommnisse wären im Grunde lokal austauschbar, könnten so oder ähnlich fast jedem schwäbischen Dorf zugeordnet werden. Den ganz speziellen Bezug zu ihrem Heimatort erzielen die Hobby-Historiker deshalb, indem sie diese Sachverhalte Biberberger Menschen zuschreiben, einzelnen repräsentativen Persönlichkeiten wie ganzen Familien samt ihrem Umfeld. Zwei Jahre etwa haben sie eigener Aussage nach an dem Buch gearbeitet, das Studium verschiedener Quellen inklusive.
Keine Frage auch: Die ebenso sorgfältige wie lebendige Darstellung heute nahezu vergessener Details stützt sich auf eine Vielzahl an Gesprächen: mit den wenigen noch lebenden „echten“ Zeitzeugen, ihren Nachkommen vor Ort, oft jedoch in der Region verstreut. Bei sachlich-nüchternen Treffen, mitunter auch bei Kaffee und Kuchen, mit Blättern in dicken Foto-Alben, nicht selten auch mit Suchen in prall gefüllten Kartons.
Ab und an seien die Angesprochenen dem Vorhaben gegenüber zunächst skeptisch gewesen, berichtet Autor Hubert Rüggenmann, 61, studierter Betriebswirt und beruflich als Unternehmensberater tätig, „dann sind sie aber schnell aufgeschlossen gewesen“. Wozu nicht zuletzt Bruder und Co-Autor Johann beigetragen haben dürfte, drei Jahre älter und inzwischen pensionierter Justizvollzugsbeamter. Er lebt seit jeher vor Ort, ist in mehreren Vereinen engagiert und damit bestens vernetzt und hat so manche Geschichte noch selbst am Stammtisch aufgesogen. „Immer wieder mal verbunden mit dem Gedanken: Das müsste man eigentlich aufschreiben“, erinnert er sich.
Das Buch beschreibt, wie sich Biberberg verändert hat
Insofern sei das Buch „keine spontane Idee“ gewesen, betont der jüngere Bruder, der mehr als drei Jahrzehnte in München gelebt hat und erst vor drei Jahren in die Region zurückgekehrt ist. Aber: Nur Dinge aufzuschreiben, um sie für die Nachwelt festzuhalten, war beiden als Motiv nicht ausreichend.
Struktur, zentrales Thema und die eine oder andere Botschaft entwickelten sich zwar auf der gemeinsamen Grundidee, mehr noch freilich aus den unterschiedlichen Lebenswegen und Blickwinkeln: Hier der auch mit den ungeschriebenen Regeln einer Dorfgemeinschaft vertraute Insider, dort der externe und nur gelegentliche Beobachter mit noch mehr Gespür für schleichende Veränderungen.
Beruflich habe er hauptsächlich Änderungsprozesse in Unternehmen geplant und umgesetzt, sagt Hubert Rüggenmann, „auch deswegen hat mich das Thema Veränderungen in unserem Dorf so interessiert“. Darunter geplante wie der Ausbau der Infrastruktur oder die „Bezwingung“ des vormals gefährlichen Osterbachs, mit den generellen Rahmenbedingungen im Land einhergehende wie die schrumpfende Bedeutung von Handwerk und Landwirtschaft oder auch solche, die praktisch über das Dorf hereingebrochen sind.
Wie die Folgen des Zweiten Weltkriegs etwa mit ungewöhnlichen Herausforderungen auch für das seinerzeitige 175-Seelen-Nest. 75 Heimatvertriebene, meist aus dem Sudetenland, mussten auf die Schnelle untergebracht, versorgt und integriert werden. Bei nicht immer ausgeprägter Harmonie zwischen Einheimischen und Zugezogenen, jedenfalls zunächst.
Gefeiert wurde in Biberberg auch in schlechten Zeiten
Aber: „Selbst in Zeiten von Not und Armut hat man gelebt und gefeiert, auch in schwierigen Phasen gab es lustige Momente, ein ausgeprägtes Miteinander bei allem Kampf um das individuelle Überleben“, nennen die Autoren als wichtigste Botschaft ihres Buches. Naheliegend, dass insofern einige Beiträge emotional durchaus berührende Aspekte vermitteln.
„Einiges zum Schmunzeln“ (Hubert Rüggenmann) jedoch ebenfalls. Einzelheiten zu den einst strengen Sitzordnungen in der Kirche wie am Stammtisch beispielsweise oder der Einzug technischer Neuheiten mit blumigen Schilderungen: das erste Auto im Dorf, das erste Telefon, der erste Fernseher, der erste Mähdrescher. „Das Leben hat sich in kurzer Zeit radikal verändert“, stellen die Rüggenmann-Brüder fest. Mit einem kaum noch vorstellbaren Aspekt nebenbei: „Es gab tatsächlich ein Leben vor dem Internet.“
„Biberberg in früheren Jahren“ ist im Verlag Tredition erschienen und ab sofort für 25 Euro im Buchhandel erhältlich. Erlöse kommen Projekten im Dorf zugute. Weiteres unter www.biberberg-buch.de.
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