Startseite
Icon Pfeil nach unten
Neu-Ulm
Icon Pfeil nach unten

Combat Medical Care Conference

Blaubeuren

Wie kann Verwundeten im Krieg und nach Anschlägen besser geholfen werden?

    • |
    • |
    • |
    Eine Mischung aus Erfahrungsaustausch und praktischen Übungen stand bei der Combat Medical Care Conference in Blaubeuren auf dem Programm.
    Eine Mischung aus Erfahrungsaustausch und praktischen Übungen stand bei der Combat Medical Care Conference in Blaubeuren auf dem Programm. Foto: Thomas Heckmann

    Eine Explosion, Rauch steigt auf und dann hallen auch noch Dutzende Schüsse durch den Wald. Zum Glück nur Teil einer Übung. Auf den Hessenhöfen nördlich von Blaubeuren fand vergangene Woche die sechste Combat Medical Care Conference (CMC) statt. Über 1400 Teilnehmer aus 44 Ländern haben sich zur größten Tagung für taktische Medizin außerhalb der USA getroffen. Soldaten, viele Polizisten und Rettungsdienstmitarbeiter befassten sich bei Workshops, Vorträgen und Diskussionsrunden mit Themen rund um die Versorgung von Verwundeten im Krieg und nach Terroranschlägen sowie die Ausbildung und Fortbildung dazu.

    Einen ganzen Nachmittag waren insgesamt fünf Gruppen im Wald unterwegs, um an fünf Stationen Ausbildung und Training zu erhalten. Mitten im Wald standen mehrere Schautafeln, auf denen die Folgen einer zu langen Abbindung blutender Extremitäten erklärt wurden. Doch die Praxis überwog: Während der Versorgung von Verletzten wird die Gruppe plötzlich angegriffen, Schüsse fallen. Die Helfer müssen sich in einem simulierten Schützengraben in Sicherheit bringen und dabei die Verletzten mitnehmen. Für die zivilen Übungsteilnehmer ist so ein Schützengraben eine neue Erfahrung: Die Vordersten müssen weit genug rein, damit auch die Letzten noch hineinpassen. Doch wie läuft nun die Versorgung, wenn man nicht von allen Seiten an den Verletzten herankommt? Wie kommt das Verbandmaterial von hinten nach vorne? Das Ziehen der Verletzten kostet viel Kraft. Eine neue Erfahrung für viele, während ringsherum zur Verteidigung des Sanitätspersonals Schüsse fallen. Der Stresspegel steigt.

    Ukrainische Soldaten berichten auf der Combat Medical Care Conference von ihren Erfahrungen

    Im Tagungszentrum liefen derweil mehrere Vorträge. So berichteten ukrainische Soldaten von ihren Erfahrungen. Der russische Angreifer soll demnach nicht nur das international anerkannte Schutzzeichen des Roten Kreuzes für Sanitätseinrichtungen zu missachten, er scheint es scheinbar ganz gezielt als leicht verwundbares Ziel ins Visier zu nehmen. Dieser Verstoß gegen anerkanntes Völkerrecht hat die Ukrainer gezwungen, ihre Versorgung komplett neu zu denken. Versorgungseinheiten wurden in das Erdreich verlegt. Verletzte werden zudem nur noch nachts transportiert, damit die Krankenwagen nicht so leicht beschossen werden können.

    „Tarnen und Täuschen ist durchaus überlebenswichtig für das Sanitätspersonal“, so Generalstabsarzt Dr. Johannes Backus. Er ist der Kommandeur des Kommandos Gesundheitsversorgung der Bundeswehr und verantwortet damit auch die Taktik des gesamten Sanitätsdienstes der Bundeswehr. Die Missachtung der Genfer Konvention zum Schutz des Roten Kreuzes spricht auch er ganz klar an. Als Konsequenz daraus wurde auf der CMC ein handelsüblicher Kleintransporter gezeigt, der im Laderaum komplette chirurgische Operationen ermöglicht. Auch der britische Sanitätsdienst hat ähnliche Erfahrungen machen müssen: In einem Sattelzug mit Supermarkt-Werbung befindet sich ebenfalls ein Operationssaal.

    Soldat „Sprite“ wird mit dem „European Best Medic Award“ ausgezeichnet

    Unter einer solchen Bedrohung hat ein Soldat, der „Sprite“ genannt wurde, einem Kameraden das Leben gerettet. Schwer verletzt und mit massiven Blutungen lag der im Graben. Der ukrainische Sanitätsdienst flog mit einer Drohne Blutkonserven zu diesem. „Sprite“ angelte sich die Blutkonserve und das ebenfalls abgeworfene Infusionszubehör, um seinem Kameraden mit einer Bluttransfusion das Leben zu retten. Exemplarisch für die Leistungen vieler Kameraden wurde „Sprite“ auf den Hessenhöfen mit dem „European Best Medic Award“ ausgezeichnet.

    Erfahrungen auszutauschen und voneinander zu lernen - das sind für den wissenschaftlichen Leiter Dr. Florent Josse vom Ulmer Bundeswehrkrankenhaus die Antriebsfedern, diese riesige Tagung auf die Beine zu stellen. Mit ganz viel ehrenamtlichem Engagement und starker Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie (DGWMP) findet die Veranstaltung alle zwei Jahre statt. Anfangs in Ulm, doch weil dort der Platz nicht reicht, erfolgte der Umzug auf die Alb, um neben den Vorträgen Workshops durchführen zu können.

    Amerikaner und Rumänen sind vom Ulmer Intensivtransportbus beeindruckt

    Auch der Erfahrungsaustausch zwischen Militärmedizin und ziviler Medizin gilt als eine Säule der CMC. In der Fahrzeugausstellung sind daher nicht nur gepanzerte Fahrzeuge zu finden, sondern auch der Großraum-Intensivtransportwagen des Ulmer Katastrophenschutzes. In dem umgebauten Bus können vier Patienten gleichzeitig auf dem Niveau einer Intensivstation versorgt werden. Während der Fahrt. Das beeindruckte viele Kongressteilnehmer, auch Amerikaner oder Rumänen fragten, ob sie Innenaufnahmen machen dürfen, um die Ulmer Ideen mit in die Heimat zu nehmen.

    Dr. Stephan Schoeps, Präsident der DGWMP, über die Fortschritte im zivil-militärischen Austausch: „Früher hätte keiner eine Schnitte Brot von uns genommen. Diese Terroranschläge, die laufen nach taktischen Einsatzgrundsätzen. Das müssen dann die Zivilen können.“ Zahlreiche Polizisten auf der CMC sind Angehörige von Spezialeinheiten, die Wappen auf den Oberarmen sind flankiert von Schriftzügen wie SEK, MEK oder der österreichischen Spezialeinheit Cobra. Daneben sitzen dann Soldaten aus Saudi-Arabien und Singapur genauso wie Sanitäter aus Oberschwaben. Sie hauchen dem Kongressmotto Leben ein: „All for one“, frei übersetzt „alle gemeinsam zum Wohl des Patienten“.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden