Sie waren so nah dran, hatten den Titelverteidiger am Rande einer Niederlage. Am Ende aber verloren die Basketballer von Ratiopharm Ulm das entscheidende fünfte Spiel in der Finalserie mit 77:81. Den deutschen Meistertitel holte sich zum zweiten Mal in Folge der FC Bayern München nach einer nervenaufreibenden Partie, einer über zweistündigen emotionalen Achterbahnfahrt.
Die Bayern machten in den ersten Minuten da weiter, wo sie am Dienstagabend aufgehört hatten, wirkten extrem fokussiert. Aber auch die Ulmer hatten dieses Mal einen besseren Tag erwischt. Vor allem Justinian Jessup, der bei der Heimniederlage im vierten Spiel der Finalserie keinen einzigen Punkt beisteuerte, drückte der Partie in der Anfangsphase seinen Stempel auf. Dank seiner Wurfeffizienz blieben die Gäste dran, die aggressive Verteidigung machte dem Titelverteidiger das Leben zusätzlich schwer. Gegen all die Cleverness und Erfahrung der FCB-Basketballer half allerdings auch der leidenschaftlichste Einsatz wenig. Der US-Amerikaner Shabazz Napier lenkte das Spiel mit zwei abgezockten Aktionen auf die Seite des Heimteams, erzielte sieben Zähler in Folge und verschaffte seiner Mannschaft damit ein erstes kleines Polster (23:18).
Schlechte Dreierquote macht Ratiopharm Ulm das Leben schwer
Mit einer 28:21-Führung ging Bayern München ins zweite Viertel eines sehr unterhaltsamen Play-off-Duells. Die beiden Nationalspieler Johannes Voigtmann und Andreas Obst, ein Ex-Ulmer, bauten den Vorsprung weiter aus, zwangen den Herausforderer zu einer Auszeit. Die Bayern-Defensive war in dieser Phase extrem stark, ließ den Ulmern keinen Zentimeter Platz und provozierte Fehler. Die Dreierquote der Mannschaft von Trainer Ty Harrelson lag zur Hälfte des Spiels bei nicht einmal zehn Prozent, nur einer von elf Versuchen landete im gegnerischen Korb.
Bis auf die Wurfausbeute war den Ulmern wie bereits am vergangenen Dienstag allerdings nicht viel vorzuwerfen. Sie steckten nicht auf, verteidigten konsequent weiter, erkämpften sich Rebounds und waren immer auf der Suche nach spielerischen Lösungen. Ihr Pech: Gegenüber stand eben der FC Bayern München. Das größte Kaliber im deutschen Basketballsport, das personell erneut die deutlich besseren Möglichkeiten hatte. Bei den Ulmern fehlte erneut Noa Essengue, der in der Nacht bei den NBA-Drafts in New York von den Chicago Bulls in der ersten Runde ausgewählt wurde. Ben Saraf, ebenfalls ein Erstrunden-Pick der Brooklyn Nets, war zwar in München mit von der Partie, blieb aber weitgehend blass.
Die Bayern fangen an zu hadern – und wackeln plötzlich
Akzente setzten andere. Karim Jallow zum Beispiel oder der junge Däne Tobias Jensen bei den Gästen, Devin Booker als Punktbester bei den Münchnern. Die brachten sich Mitte des dritten Abschnitts selbst ein wenig aus dem Rhythmus, beschäftigten sich inmitten der Ulmer Aufholjagd mehr mit Nebensächlichkeiten und Schiedsrichterentscheidungen. Zwei Punkte Rückstand (63:61) waren es nur noch – und der Außenseiter witterte wieder seine Chance. Dank einer unglaublichen Willensleistung.
Die Bayern wackelten plötzlich. Die Leichtigkeit der ersten Hälfte war weg, ein zwischenzeitlicher 17-Punkte-Vorsprung auch. Denn Ulm drehte die Partie, lag nach einem Dreier von Nelson Weidemann mit 66:65 vorn. Sie hatten sich das Momentum auf ihre Seite geholt. Doch auch die Münchner brachten in den letzten Minuten wieder ihre ganzen Qualitäten ein, hatten ihr kleines Tief überwunden. Es war eine Schlussphase mit offenem Visier, nichts für schwache Nerven. Erst verloren die Gäste Nelson Weidemann und Justinian Jessup nach deren jeweils fünften Fouls, dann die Begegnung mit 77:81.
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