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Ulm/Göppingen: Männermord-Prozess: Gutachterin attestiert Angeklagter Psyche wie „klassischer Amoktäter“

Ulm/Göppingen

Männermord-Prozess: Gutachterin attestiert Angeklagter Psyche wie „klassischer Amoktäter“

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    Vor dem Ulmer Landgericht läuft der Prozess gegen eine 26-Jährige. Ihr wird vorgeworfen, einen Mann mit 27 Messerstichen getötet zu haben. Von ihrem sterbenden Opfer drehte sie ein Handy-Video. Gegenüber einer Sachverständigen gab sie an, dass sie als Serienmörderin berühmt werden wollte.
    Vor dem Ulmer Landgericht läuft der Prozess gegen eine 26-Jährige. Ihr wird vorgeworfen, einen Mann mit 27 Messerstichen getötet zu haben. Von ihrem sterbenden Opfer drehte sie ein Handy-Video. Gegenüber einer Sachverständigen gab sie an, dass sie als Serienmörderin berühmt werden wollte. Foto: Thomas Heckmann

    Sehr deutlich wurde die renommierte Gutachterin Nahlah Saimeh im Prozess gegen eine 26-jährige Frau, die im vergangenen Oktober in Göppingen einen Mann mit 27 Stichen getötet haben soll. Vor dem Ulmer Landgericht trug sie ihr ausführliches Gutachten vor, das sich über rund eineinhalb Stunden zog. Eine weitere Stunde stellten das Gericht, die Staatsanwaltschaft und die Verteidigung Rückfragen. 

    Das forensische Gutachten basiert auf zwei langen Gesprächen mit der Angeklagten und auf der Beobachtung des Prozesses. Saimeh hat die Aussagen der zahlreichen Zeugen gehört und dank ihres Fragerechts auch manche Aussagen hinterfragt, um zu einem medizinischen Bild über die 26-Jährige zu kommen. Die rechtliche Bewertung muss nun das Gericht vornehmen. 

    Der letzte Partner der Angeklagten berichtet von einer schwierigen On-Off-Beziehung

    Vor dem Gutachten lag noch die ausführliche Zeugenaussage des letzten Partners der Angeklagten und damit auch dem Vater des zweiten Kindes. Eine schwierige On-Off-Beziehung mit sehr toxischen Elementen. Den heute 30-Jährigen lernte sie 2022 in Gera kennen. In dieser Zeit lebte sie in einer AirBnB-Wohnung in Gera, finanziert durch die Freundin in Filderstadt. Nach kurzer Zeit zog man zusammen. Weil die Frau nie verhütete, wurde sie schwanger und 2023 wurde der gemeinsame Sohn geboren. Die Angeklagte war überfordert, verlangte, dass sich der Mann um das Baby kümmert, der dann seine Arbeit aufgab, einen Teilzeitjob annahm, um für das Kind da zu sein. Die Angeklagte würdigte ihren Ex-Partner während der eineinhalbstündigen Befragung nahezu keines Blickes. 

    Was die Kriminalpolizei alles aus einem Smartphone erkennen kann, zeigte auf beeindruckende Weise ein Nachrichtentechniker der Polizei. Minutengenau konnte der Weg von der Wohnung der Angeklagten zur Wohnung des Opfers nachverfolgt werden. Auch, welches Spiel sie im Zug zum Tatort spielte, war nachgewiesen. Während die Frau den Mann mit 27 Messerstichen tötete, hörte sie Musik. Das Gericht weiß nun dank der Arbeit, welcher Titel es war: Ein Indie-Rap, der Drogenmissbrauch und einen Suizid thematisiert. Zahlreiche Chat-Verläufe konnten gesichert werden. Auch Einkäufe für die Tat wurden auf dem Smartphone nachgewiesen: In der Woche vor der Tat Bandageseile für die Fesselung, doch auch Klebeband und Handschuhe aus dem Baumarkt. Außerdem wurde ein Newsletter der baden-württembergischen Polizei abonniert. 

    Angeklagte schreibt einer Freundin nach der Tat: „Das Ganze ist etwas eskaliert“

    Am Tag vor der Tat schrieb die Angeklagte ihrer Freundin: „Wenn der Typ Geld hat, kann ich die Waschmaschine kaufen“. Nach der Tat: „Der Spast hatte nur zehn Euro“. Und: „Das Ganze ist etwas eskaliert, ich sage mal so“. Anschließend sollte die Freundin die Waschmaschine ausräumen. 

    Auch diese Sätze fanden Eingang in die forensische Beurteilung der Angeklagten. Viele verschiedene Elemente kamen zur Sprache, darunter der fehlende schulische Erfolg gepaart mit der Suche nach Ruhm. Ein negativer Selbstwert, aber auch keine Intelligenzminderung. Durch das Vorbild der Eltern hat sie wohl auch ein gutes Maß an Beziehungsunfähigkeit erlebt, dazu kamen dann Verwahrlosungstendenzen. Saimeh fasste das zusammen mit: „Ein Milieu, in dem man eigentlich in einer Müllhalde lebt“. Dazu kamen aber auch sadistische Tendenzen mit der Lust am Quälen, Lernunlust und Interesselosigkeit. Auch eine starke Manipulationsbereitschaft gegenüber anderen Menschen wurde ihr attestiert. Die Planungen zur eigenen Zukunft waren „luftschlossartig“ und so muss wohl auch der Wunsch entstanden sein, Serienmörderin zu werden, um weltweit ewigen Ruhm zu erlangen: „Serienmöderin, das wäre mal was Exklusives“, beschrieb es die Gutachterin.

    Gerichtspsychiaterin: Die Angeklagte hat die „Dynamik eines klassischen Amoktäters“

    Ihren unbändigen Hass auf sich selbst führt sie ab in allerlei Handlungen gegen andere. Dabei habe die Angeklagte die „Dynamik eines klassischen Amoktäters“. Nahlah Saimeh attestierte der Angeklagten ein „durchaus hohes“ Kriminalitätsrisiko und auch „die operative Steuerungsfähigkeit ist exzellent“. So habe sie die angeklagte Tötung über Wochen vorbereitet. Weitere Dates mit anderen Männern, die dann ihr Opfer werden könnten, waren bereits verabredet: „Ich habe gar keine Zweifel daran, dass das weitergegangen wäre!“, so Saimeh.

    Am 15. Juli werden die Staatsanwaltschaft, Nebenklagevertreter und die Verteidigerin ihre Plädoyers nicht öffentlich halten. Die öffentliche Urteilsverkündung vor dem Ulmer Landgericht ist vorgesehen für Freitag, 25. Juli, um 14 Uhr. 

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