Die Elternparkplätze an der Realschule Neuburg sind belegt, da hat noch kein Kind das Schulgebäude verlassen. Direkt gegenüber warten bereits die ersten Schulbusse an der Haltestelle, die Fahrer stehen auf dem Bordstein zusammen und unterhalten sich. Je näher der Unterrichtsschluss rückt, desto mehr Autofahrer versuchen, irgendwo ein Plätzchen zu ergattern, egal ob am Rande des Lehrerparkplatzes, auf den Grünflächen vor der Einfahrt oder am Straßenrand den Sehensander Weg entlang. Die Busfahrer ärgern sich über die Elterntaxis schon lange nicht mehr, auch wenn sie teilweise die Haltestellen blockieren. „Es bringt ja auch nichts da zu diskutieren, da wird man nur verrückt“, sagt einer von ihnen und schüttelt den Kopf.
Das Elterntaxi ist mittlerweile mehr Schimpfwort als flapsige Beschreibung für Eltern, die ihre Sprösslinge aus unterschiedlichen Gründen mit dem Auto zur Schule fahren, anstatt sie den Schulbus, das Rad oder den Gehweg nehmen zu lassen. Ein Ärgernis sind sie beinahe an jeder Schule im Landkreis, ein echtes Problem vor allem im Neuburger Stadtgebiet.
Die Polizei Neuburg setzt auf stichprobenartige Kontrollen an den Schulen
Franz Sailer ist Sachbearbeiter Verkehr bei der Neuburger Polizei und hat die Elterntaxis im Blick, vor allem am Frauenplatz vor dem Gymnasium und an der Staatlichen Realschule Neuburg (RSN) sei die Problematik sehr präsent, sagt er. „Manche stehen zu lange im Parkverbot oder blockieren Zufahrtswege. Teilweise stehen sie so lange auf Bushaltestellen, dass die Busse auf sie warten müssen“, beschreibt Sailer die Situation. Dies sei nicht nur ärgerlich, sondern bedeute auch eine erhöhte Gefahr für Schülerinnen und Schüler, die mit dem Rad oder zu Fuß in die Schule kommen. „Der Verkehr ist so dicht, dass man sie schnell übersieht. Dadurch wird der Schulweg für Fußgänger und Radfahrer immer unfreundlicher.“
Seit rund einem Jahr ergreift die Polizei Neuburg Maßnahmen gegen das morgendliche Verkehrschaos. Durch stichprobenartige Kontrollen in den Stoßzeiten – wie am Dienstag vor der RSN – habe sich laut Sailer die Situation verbessert, von einem geregelten Verkehr sei man aber noch weit entfernt. „Man kann nur an die Eltern appellieren“, so sein Fazit. Die Elternbriefe, die viele Schulen zu dieser Thematik verschicken, dringen nach seiner Erfahrung kaum durch.
Am Descartes-Gymnasium und der Realschule Neuburg ist die Situation besonders kritisch
Peter Seyberth, Rektor des Neuburger Descartes-Gymnasiums, hat ganz ähnliche Erfahrungen gemacht. Weil es direkt vor dem Schuleingang so schwer sei, umzukehren, staue sich der Verkehr, insbesondere an der Einfahrt zum Nachtbergweg. „Da kommt es mitunter zu skurrilen Situationen, bei denen sich Autos frontal gegenüberstehen und keiner Platz macht“, erzählt Seyberth. Seitens der Schule und des Elternbeirates hat man auf Elternbriefe zur Problematik gesetzt, laut Seyberth allerdings ohne spürbaren Erfolg. Mit einem Hauch von Resignation appelliert die Schule an die Eltern, ihre Kinder zumindest am Wolfgang-Wilhelm-Platz aus dem Fahrzeug zu lassen, weil die Schleife dort wenigstens das Wenden einfacher mache.
Ähnlich problematisch ist die Situation zu Stoßzeiten an der Realschule Neuburg, besonders in der kalten Jahreszeit. „Die Anordnung der Parkplätze und Buseinfahrten ist nicht ideal, da gibt es bei uns schon eine Problematik“, sagt Schulleiter Christian Aschenbrenner. „Der Verkehr birgt schon ein gewisses Gefahrenpotenzial, auch wenn bisher nichts passiert ist.“ Allerdings wolle er Eltern nicht verurteilen, schließlich gebe es oft gute Gründe für das Elterntaxi. „Es ist nicht die ideale Lösung für jeden, eher ein Kompromiss“, sagt Aschenbrenner, man müsse die Situation weiter im Auge behalten, auch im Austausch mit der Stadt, und weiterhin vorsichtig an die Eltern appellieren. Auch die Initiative „Wir sind freuNDlich“ für mehr Respekt im Neuburger Straßenverkehr sieht Aschenbrenner als Teil einer Lösung.
An der Maria-Ward-Realschule hält sich die Verkehrsproblematik nach den Worten von Schulleiterin Petra Schiele aufgrund ihrer Lage in der Oberen Altstadt in Grenzen. „Es geht aber auch ums Prinzip. Wir sind eine weiterführende Schule, in dem Alter kann man Kindern auch eine gewisse Eigenverantwortung und Selbstständigkeit zutrauen“, so Schiele. Zudem sei etwa die Bushaltestelle auch ein Ort der persönlichen Begegnung, wo sich wichtige soziale Kompetenzen erlernen und Kontakte pflegen lassen.
Statt auf Elternbriefe setzt Augsburg auf Anreize – und zwar für die Kinder
Will man nicht auf Straßensperrungen zurückgreifen, wie an einigen deutschen Schulen bereits praktiziert, bleiben Polizei und Schulen außer Verkehrskontrollen und Elternbriefe allerdings kaum Möglichkeiten, den Elterntaxis das Leben schwerer zu machen. Eine mögliche Alternative zum erhobenen Zeigefinger wird währenddessen in Augsburg praktiziert, wo man auf Anreize setzt. Und die richten sich nicht unbedingt an die sturen Eltern, sondern belohnen Kinder, die sich der Sache selbst annehmen. „Lass das Elterntaxi stehen“ heißt die Aktion, bei der Stempelkarten an Schulkinder verteilt werden. Hinter jeden autofreien Tag dürfen die Kinder ein Häkchen setzen, und wer die meisten Tage sammelt, erhöht die Chancen auf Eintrittskarten für Freibäder, Museen und andere Freizeitaktivitäten. „Die Aktion war ein voller Erfolg. Rund 4000 Stempelkarten sind eingegangen, was zeigt, dass die Kinder Spaß hatten. Außerdem haben sich sechs Kommunen mit ähnlicher Problematik gemeldet und sich informiert“, sagte Augsburgs Bildungsreferentin Martina Wild nach der ersten Auflage der Aktion 2024, die auch in diesem Jahr wieder läuft. Vielleicht gehen die Elternbriefe also an die falschen Adressaten.
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