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Ingolstadt: Gibt es in der Welt Anstand? Kästners „Fabian“ feiert in Ingolstadt Premiere

Ingolstadt

Gibt es in der Welt Anstand? Kästners „Fabian“ feiert in Ingolstadt Premiere

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    Das Stück „Fabian oder Der Gang vor die Hunde“ von Erich Kästner überzeugte mit (von links) Matthias Gärtner, Edda Wiersch, Peter Thiessen (Musik).
    Das Stück „Fabian oder Der Gang vor die Hunde“ von Erich Kästner überzeugte mit (von links) Matthias Gärtner, Edda Wiersch, Peter Thiessen (Musik). Foto: Kerstin Schomburg

    Die ersten drei Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts übten schon immer eine große Faszination auf die Nachwelt aus. Gerade in letzter Zeit haben sich Stoffe aus den „roaring Twenties“ verkauft wie geschnitten Brot, man denke an Berlin Babylon. Allein fünf verschiedene Fassungen des Romans „Fabian oder der Gang vor die Hunde“ von Erich Kästner zogen in Deutschland Zuschauer in die Theater, plus eine Verfilmung des Stoffs, die zweite schon und sicher nicht letzte.

    Regisseurin Mirja Biel und Dramaturgin Dinah Wiedemann sehen sich mit ihrer Inszenierung des 1931 erschienenen Zwischenkriegs-Romans offenbar weitestgehend der neuen Sachlichkeit verpflichtet, nix Berlin Babylon. Sie straffen den Gang der Handlung gelungen, bringen Fabers wesentliche Begegnungen mit den wichtigen Personen auf eine weite abstrakte Bühne und zeichnen doch ein sehr konkretes, schmerzhaft genaues Bild einer gewissenlosen Gesellschaft am Rand der Katastrophe. Fabians Frage, ob die Welt denn überhaupt Talent für Anstand habe, ist von Anfang an beantwortet, und zwar negativ. Da ist die kurze, so viel versprechende Romanze mit Cornelia Battenberg (Edda Wiersch) kein Gegenbeweis.

    „Fabian oder Der Gang vor die Hunde“ überzeugt im Stadttheater Ingolstadt

    Matthias Gärtners Fabian ist ein gewinnender Typ und ein gutgläubiger Menschenfreund und damit der geborene Verlierer unter lauter moralisch längst bankrotten Zeitgenossen. Alle um ihn herum strecken die Waffen vor der Zeit und arrangieren sich mit dem „was da kommt“. Allein Fabians Freund Labude (Marc Simon Delfs) widersteht und hätte es beinahe geschafft, sein Ideal zu leben. Die Premiere im Großen Haus leistete, was sie sollte: klar machen, wie groß die Gefahren einer politisch gespaltenen Gesellschaft sind. Mit dem schalen Geschmack eine Woche nach dem historischen Ergebnis der Bundestagswahl möge jeder selbst klarkommen.

    Unzweideutig das Schlussbild: Feuer auf der Bühne, will sagen, die Welt steht in Flammen. Der Eiserne Vorhang schließt sich, die Gefahr scheint gebannt. Im richtigen Leben aber gibt es keinen eisernen Vorhang, also Vorsicht, sogar Brandmauern taugen, wie man hört, nicht viel. Erich Kästner (Sascha Römisch) hält vor dem Eisernen Vorhang eine Rede an das verehrte Publikum, über das Zuspätkommen, über Macht und Gewalt und das Dennoch-Widerstehen. Für den Fall, dass sich so etwas wie damals wiederholen sollte. Langer, dankbarer Applaus, Bravorufe und Pfeifen – wie im Walde?

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