Natürlich klingt es erst mal irgendwie witzig und man will abwinken: ja, ja, Tamagotchi und so, die Japaner. Hikikomori ist aber alles andere als eine nette oder nervige Modeerscheinung, es ist ein soziales Phänomen, das schon unter anderen Namen unsere Aufmerksamkeit haben wollte, es aber irgendwie bestenfalls zum zeitlich limitierten Trendthema schaffte: Cocooning, Homeing, und all die vielen Vereinzelungsbemühungen vom freiwillig gewählten Rückzug bis zur nicht mehr beeinflussbaren Isolation. Die Erfahrungen mit Corona haben erst den nötigen Druck aufgebaut, dass sich heute viele Medien endlich differenzierter mit dem Thema Einsamkeit befassen.
An welchem Punkt seiner individuellen Einsamkeitsgeschichte sich M (Philip Lemke), ein nicht näherhin beschriebener junger Mann, befindet, das versucht das Stück „Im Sog – Hikikomori“ zu zeigen, das jetzt im Studio im Herzogskasten in Ingolstadt Premiere hatte. „New Works“ ist die Reihe überschrieben, mit der es jungen Regieführenden ermöglicht werden soll, ihre aktuellen Arbeiten vorzustellen. Text und Regie bei „Hikikomori“ verantwortet Emma Mae Zich, die den Alltag dieses in die selbstgewählte Isolation im Haus seiner Mutter (Renate Knollmann) zurückgekehrten M in sieben kurzen Skizzen schildert.
Ein Versuch, der schon viel Schönes hatte: etwa Ms alter Ego Jack (Sebastian Fink), der noch nicht ganz klar erkennen lässt, ob er der Schutzengel oder der Teufel auf Ms Schulter ist. Nichts Überflüssiges im Text, der erfreulich wenig gekünstelt klingt, stilsicher die Bühne (Felis Glawion), der bewegliche Türrahmen als zentrales Symbol des Getrenntseins, eine ausgeklügelte Lichtregie, eine Videokamera im Spiel, die tatsächlich mehr Nähe herstellt und nicht, wie so oft, Distanz schafft.
Vielleicht wird noch unnötig viel mit dem Zaun gewunken: wenn die Mutter ausgerechnet Kiki heißt und M die ganze Zeit im Pokemon-Overall herumspringt. Und welche nun die speziellen Gründe für Ms Rückzug sind: schlechte Erfahrungen, Weltekel, Angst vor Veränderung, Selbstzweifel oder gar Selbstauflösungswünsche, das bleibt letztlich unklar. Wie M unter anderem sagt: Es gibt viele Gründe, nicht vor die Tür zu gehen.
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