Vorhang auf, Vorhang zu. Und zack, fertig: Theater – wer glaubt, mit einem fetzigen Thema und etwas Auslastungsarithmetik stellt man eine Spielzeit auf die Beine, der hat sich geschnitten. Der neue Intendant des Stadttheaters Ingolstadt, Oliver Brunner, und sein künstlerisches Team, machen in den Beiträgen ihres Spielzeithefts 2024/25 deutlich, was es bedeutet, heute Theater zu machen. Lektüre dringend empfohlen!
Neben dem, was an den gewohnten Spielstätten über die Bühne geht, nehmen die unter der Rubrik „Zugabe“ gemachten Angebote kaum weniger Raum ein, als die Neuinszenierungen und Wiederaufnahmen. Hier ist der Dialog mit den Ingolstädtern und allen Besuchern von weiter her angesiedelt, der der Theaterleitung ein besonderes Anliegen ist. So sollen, unter anderem mit dem zuletzt seltener bespielten Studio im Herzogskasten, sogenannte „Möglichkeitsräume der Stadt“ geschaffen werden, deren sich besonders die Chefdramaturgin und Stellvertreterin des Intendanten, Sonja Walter, annimmt. Die gebürtige Hannoveranerin studierte Theaterwissenschaften, Literaturwissenschaft, Publizistik und Kommunikationswissenschaft sowie Betriebswirtschaftslehre. Seit 2010 arbeitet sie an verschiedenen Häusern als Dramaturgin und in Kooperationsprojekten auf nationaler und internationaler Ebene, zuletzt fest am Badischen Staatstheater Karlsruhe.
Intendant Oliver Brunner und Sonja Walter laden in Ingolstadt zu „Fleißers Kinder“
„Fleißers Kinder“ hat Walter, „etwas frech“, wie sie selbst sagt, ein Projekt überschrieben, mit dem das Theater sozusagen einen Nachschlag zum beachtlichen Gedenkjahr-Programm bringt, das man in der Geburtsstadt der lange umstrittenen Autorin zu ihrem 50. Todestag 2024 zugeeignet hat. In Erinnerung an die kontroversen Autoren des modernen, sozialkritischen Volkstücks - Fassbinder, Sperr und Kroetz -,die Fleißer selbst ihre „Söhne“ nannte, soll an drei Abenden nach weiteren „Familienangehörigen“ Ausschau gehalten werden. Mit zwei Autoren und einer Autorin wird jeweils deren Debütroman in Lesung und Gespräch auf offene oder verborgene Verbindungen zu Gehalt und Gestalt des Fleißerschen Werkes hin beleuchtet.
Franziska Gänsles Erstling „Ewig Sommer“, mit dem sie bereits im November vergangenen Jahres im Studio zu Gast war, wurde vom Verlag der sogenannten „Climate fiction“ zugerechnet. Die Leserschaft nahm eher die Beschreibung einer Frau in toxischen Beziehungen wahr. Der Stoff soll im kommenden April in Erlangen als Bühnenstück Premiere haben. Die Auseinandersetzung mit Brauchtum und Dialekt sowie die Suche nach Heimat beschäftigt den Helden in Johannes Laubmeiers „Das Marterl“. Autobiografische Bezüge wollte der Autor nicht leugnen, welche zur Fleißerin wagten weder Moderatorin Walter noch das andächtig lauschende Publikum zu erfragen. Am 9. April ergibt sich die nächste Gelegenheit die Literatenfamilie der berühmten Tochter Ingolstadts zu vergrößern. Vielleicht sprengt irgendetwas den möglicherweise etwas zu straffen Rahmen der Veranstaltung und der literarischen Welt zeigt sich plötzlich und unerwartet ein weiterer Sohn Fleißers.
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