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Neuburg: „Ein echtes Neuburger Unikat“ – Der Steckenreitertanz wird 70 Jahre alt

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„Ein echtes Neuburger Unikat“ – Der Steckenreitertanz wird 70 Jahre alt

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    Die Uraufführung des Steckenreitertanzes fand am 17. Juli 1955 anlässlich der 450-Jahrfeier des Fürstentums Pfalz-Neuburg statt. Heuer feiert der Tanz seinen 70. Geburtstag.
    Die Uraufführung des Steckenreitertanzes fand am 17. Juli 1955 anlässlich der 450-Jahrfeier des Fürstentums Pfalz-Neuburg statt. Heuer feiert der Tanz seinen 70. Geburtstag. Foto: Historischer Verein Neuburg

    Wenn rund 80 Kinder mit bunten Kappen, ernsten Gesichtern und hölzernen Pferden in den Schloßhof einziehen, dann wissen die Neuburgerinnen und Neuburger: Jetzt beginnt die Vorstellung, die für viele das Herz des Schloßfests bildet. Der Steckenreitertanz, der 2025 sein 70-jähriges Bestehen feiert, ist weit mehr als nur eine Kinderdarbietung. Er ist ein Ritual geworden, ein lebendiges Bild, das Vergangenheit erzählt und in eine andere Zeit einlädt. Auf eine Art und Weise, die selbst gar nicht so historisch ist, wie Historiker Dr. Marcus Prell im Vortrag des Historischen Vereins mit einem Schmunzeln betont.

    Neuburger Steckenreitertanz ist eine Erfindung der Nachkriegszeit

    „Der Tanz ist eine Erfindung der Nachkriegszeit“, erklärt Prell. „Aber er ist ein schönes Spiel mit der Geschichte.“ 1955 wurde der Steckenreitertanz anlässlich der 450-Jahr-Feier der Gründung des Fürstentums Pfalz-Neuburg ins Leben gerufen – mit Musik von Paul Winter und einer Choreografie von Senta Maria Schmidt. Das erste offizielle Schloßfest fand erst 1976 statt. Der Tanz aber war schon 21 Jahre vorher da.

    Die Choreografie ist streng strukturiert: Zwei Gruppen von Kindern stellen die Armeen Ottheinrichs und Philipps dar, die um die Gunst einer Prinzessin buhlen. „Die Prinzessin hat es übrigens nie gegeben“, ordnet Prell ein. Herolde treten auf, Hofdamen tanzen mit Fächern, die Steckenreiter formieren sich – der Höhepunkt des Tanzes ist das Bruderduell zwischen Ottheinrich und Philipp. Die Prinzessin steckt dem Pferd des Verlierers Philipp ihre Rose an. Am Ende steht symbolisch die Versöhnung der beiden Brüder. Gemeinsam tanzen dann die Kinder die Buchstaben „O“ und „H“. „Korrekt heißt unser ehemaliger Pfalzgraf übrigens Otto-Heinrich“, ergänzt Prell, „aber jeder sagt Ottheinrich.“ Der Tanz wurde im Laufe der Jahre behutsam angepasst, die Grundstruktur von Senta Maria blieb aber erhalten.

    Durch den großartigen Aufzug der Reiter, Herolde, Pagen und Edelfräulein in ihren farbenfrohen Gewändern( siehe Bild) ,  allesamt in der prächtigen Atmosphäre des Schlosshofes,  wurden damit einmal mehr historische Geschehnisse auf eindrucksvolle Art mit der Gegenwart verknüpft
    Durch den großartigen Aufzug der Reiter, Herolde, Pagen und Edelfräulein in ihren farbenfrohen Gewändern( siehe Bild) , allesamt in der prächtigen Atmosphäre des Schlosshofes, wurden damit einmal mehr historische Geschehnisse auf eindrucksvolle Art mit der Gegenwart verknüpft Foto: Johannes Seifert

    Prell ordnet die Choreografie in eine lange Tradition ein: „Es ist kein Renaissancetanz. Aber er trägt Züge des Barock und lehnt sich an Rossballette an.“ Diese prunkvollen Reiterspiele waren im 17. Jahrhundert in Florenz, Wien, München und auch in Neuburg (1678) sehr verbreitet. Auch die Hochzeiten bayerischer Fürsten dienten als Vorlage – etwa die von Herzog Wilhelm V. 1568 in München oder von Philipp Ludwig 1574 in Neuburg. Sie gaben dem heutigen Schloßfest seine Struktur und galten laut Prell als „Blaupause für das heutige Schloßfest“. Historisch deckungsgleich sei das alles aber nicht wirklich. „Der Tanz ist wie das ganze Fest ein geschichtliches Patchwork aus dem 16. und 17. Jahrhundert“, sagt Prell. „Aber es ist ein historisch inspiriertes Werk mit großer Wirkung auf die Zuschauer. Der Steckenreitertanz ist ein echtes Neuburger Unikat und steht mittlerweile sinnbildlich für das altertümliche Neuburg.“

    Steckenreiter tanzen auch am zweiten Schloßfest-Wochenende wieder

    Und das nicht ohne Vorbild: Schon 1506 zeigten Abbildungen des Wappens von Neuburg reitende Knaben mit Steckenpferden. „Die Buben auf dem Wappen sind Ottheinrich und Philipp – beide sind mit einem Steckenreiter abgebildet“, so Prell. „Heute könnte man ein solches Wappen mit zwei nackten Jungen wohl nicht mehr machen“, scherzt er. Auch auf barocken Gemälden sind bereits Kinder mit Steckenreitern zu entdecken.

    Prell hat all das in einer reich bebilderten Präsentation für die Kinder zusammengetragen, die auf dem diesjährigen Schloßfest den Tanz aufführen. „Ich wollte den jungen Protagonisten etwas über die damalige Geschichte erzählen, die sie heute im Steckenreitertanz darstellen. Ich bin nicht der Erste, der das Thema historisch erforscht, aber ich bin vermutlich der Erste, der es in dieser Tiefe für die Kinder bebildert aufbereitet hat“ – sagt er mit einem Augenzwinkern. Neue Forschung? Nein. Aber: ein neues Verständnis für alte Bilder. Und ein eindrückliches Erlebnis für Kinder und Zuschauer.

    Und so wird auch am zweiten Schloßfest-Wochenende wieder getanzt: am Freitag, 4. Juli, um 17 und 18 Uhr, sowie am Samstag, 5. Juli, und Sonntag, 6. Juli, jeweils um 15 und 17 Uhr. Alles wie immer: im Schloßhof, mit roten wie blauen Gewändern – und mit viel Gefühl für die Geschichte Neuburgs.

    Ob die Geschichte des Steckenreitertanzes nun exakt stimmt oder nicht – für die Zuschauer zählt, was auf der Bühne passiert: große Kunst auf kleinen Pferden.

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