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Schönesberg: Probelauf für sein neues Programm: Claus von Wagner in Schönesberg

Schönesberg

Probelauf für sein neues Programm: Claus von Wagner in Schönesberg

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    Claus von Wagner hat in Schönesberg eine Vor-Premiere absolviert, bevor er am Dienstag im Münchner Lustspielhaus die offizielle Premiere seines neuen Soloprogramms „Projekt Equilibrium“ gibt.
    Claus von Wagner hat in Schönesberg eine Vor-Premiere absolviert, bevor er am Dienstag im Münchner Lustspielhaus die offizielle Premiere seines neuen Soloprogramms „Projekt Equilibrium“ gibt. Foto: Reinhard Köchl

    Soll man jetzt feixen oder soll man vor Wut schreien? Immer wenn sich auf diese Frage keine Antwort finden lässt, dann hat politisches Kabarett seinen eigentlichen Zweck zu 100 Prozent erfüllt. Denn kundige, wortstarke Beobachter wie Claus von Wagner halten der Gesellschaft permanent den Spiegel vor; schonungslos, ungeschminkt, mit aberwitzigen Pointen garniert. Denn die Realität ist sowieso schon schwer genug zu ertragen. Warum dann nicht gleich Tränen lachen?

    Dass einer der bekanntesten Kabarettisten der Republik und Co-Gastgeber der monatlichen ZDF-Reihe „Die Anstalt“ ausgerechnet Schönesberg als Ort für die Vorpremiere seines brandneuen Solo-Programms „Projekt Equilibrium“ wählt, hat einen guten Grund. Hier bekam von Wagner vor gut 20 Jahren, als ihn noch niemand kannte, eines seiner ersten Engagements. Und weil er nun mal solche Dinge nicht vergisst, kommt der Grüne Dorfkreis Ehekirchen jetzt in den Genuss einer Quasi-Generalprobe, bevor sich der 47-Jährige am Dienstag im Münchner Lustspielhaus der Kulturszene der Landeshauptstadt und den Medien zum Fraß vorwirft.

    Nur eine kleine Ankündigung im Gemeindeblatt hat ausgereicht, um den Abend in Windeseile auszuverkaufen. Der Name zieht, ohne Zweifel. Die Menschen sind aus Neuburg und sogar Ingolstadt gekommen, weil sie als Test-Zielgruppe für einen Künstler, Autor und Mimen fungieren möchten, der Themen serviert, die verdammt noch mal eigentlich gar nicht komisch sind.

    Claus von Wagner erobert Schönesberg mit "Projekt Equilibrium"

    Aber was hilftʼs? Claus von Wagner tut dies in einem irrwitzigen Tempo. Er grast beinahe die gesamte zeitgeistige Themenpalette ab, zeigt sich als Erklärer von Zusammenhängen, zum Glück ohne den erhobenen Zeigefinger-Gestus anderer Kollegen, bleibt spontan und macht sich immer wieder Notizen für sein München-Gastspiel am Dienstag („Die wissen ja noch nicht, was auf sie zukommt!“). Aktuelles wie die beiden Asyl-Abstimmungen im Bundestag bleibt allerdings weitgehend außen vor, vielleicht auch deshalb, weil die jüngsten Ereignisse in Berlin selbst für eine kabarettistische Note noch zu surreal erscheinen mögen.

    Viel lieber arbeitet sich von Wagner da an der Klimakrise, an Trump, an der FDP, an seinem Lieblingspolitiker, dem CDU-Bundestagsabgeordneten Philipp Amthor, an anderen Figuren wie Andi Scheuer und Markus Söder oder der Nachhaltigkeit seines Berufes ab. „Seit 20 Jahren mache ich politisches Kabarett mit dem Ziel, die Welt zu verändern. Und was hat sich in dieser Zeit verändert, was ist meine Bilanz? Eigentlich hätte ich mit meiner Zeit auch Sinnvolleres anstellen können!“ Auf Satiriker wolle heute sowieso niemand mehr hören, wer brauche angesichts der Dinge, die im wirklichen Leben passieren, überhaupt noch die Kunstform der Übertreibung?

    Trotzdem probiert er es – unverdrossen brillant, witzig, gnadenlos auf die Zwölf. Claus von Wagner vollführt einen wortgewaltigen, satirisch-furiosen Tanz am Rand der Apokalypse, weil die Welt längst aus den Fugen geraten ist. Er will dabei helfen, das Equilibrium (lateinisch für Gleichgewicht) wiederzufinden. Natürlich geht es dabei um die Sinnhaftigkeit von Wahlen: „Demokratie ist nicht Lieferando. Du musst schon mitmachen!“ Die Schuldenbremse spricht für ihn bayerisch, „weil sie Horst Seehofer erfunden hat. Deswegen versteht sie in Berlin auch keiner!“ Außerdem fragt er das Publikum, wie sich klimaschädliche SUVs sabotieren ließen, ohne dass man dabei gleich den Straftatbestand der Sachbeschädigung erfüllen würde.

    Claus von Wagner in Schönesberg: Lachen und Nachdenken zugleich

    Der Mann resoniert über die Superreichen, über Milliardäre wie Klaus-Michael Kühne oder Susanne Klatten. Deutschland sei das Land mit dem größten Ungleichgewicht bei der Vermögensverteilung. „Überlegen Sie mal, wie viel Geld uns durch die minimale Besteuerung der Milliardäre und die niedrige Erbschaftssteuer verloren geht. Und dann reden wir doch tatsächlich über das Bürgergeld!“ Generell fühle sich Standup-Comedy über Vermögenssteuer an, „als würde man während einer wilden Knutscherei fragen, ob der Partner an eine Patientenverfügung gedacht hat“. Im Daferner-Saal glaubt man in Augenblicken wie diesen eine Stecknadel fallen zu hören – bis von Wagner die kollektive Betroffenheit wieder mit verblüffend originalgetreuen Stimmimitationen auf Christian Lindner oder Robert Habeck in ein befreiendes Prusten auflöst.

    Schönesberg erlebt einen hinreißenden, über zwei Stunden dauernden Abend mit minutenlangen Ovationen eines restlos begeisterten Publikums. Sie applaudieren für das atemlose, rasante Solo eines Wortarbeiters, der spätestens mit diesem Programm die Fackel der großen deutschen Kabarett-Tradition wieder neu entzünden könnte.

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