„Ich hab‘ als Kind schon immer im Sandkasten gebaut“, sagt Marion Hilgart, während sie gerade den Henkel für die keramische Teekanne formt, die vor ihr auf der Arbeitsfläche steht. „Oder auch kleine Figürchen aus Schokoladenpapier, die hast du doch auch immer gemacht“, erwidert ihre Kollegin Maria Emslander-Haugg, die auf der anderen Seite des Raumes vor einer Drehscheibe sitzt, auf der sie einer Tasse den letzten Schliff gibt.
Während Hilgart und Emslander-Haugg in Erinnerungen schwelgen, sitzen sie in ihrer kleinen Werkstatt im beschaulichen Dörfchen Ochsenhart, einem Ortsteil von Pappenheim im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen, und arbeiten ruhig, aber konzentriert vor sich hin. Hier, zwischen Viehweiden, Jagdständen und Jura-Felsen, fertigen sie allerhand Küchengeschirr, von der Espressotasse bis zur Brotbox. Von hier aus beliefern sie ihre beiden Läden in Eichstätt und Neuburg. Es ist Ende November 2024, die beiden Töpferinnen sind laut eigener Aussage im großen Stress der Vorweihnachtszeit, allerdings merkt man ihnen davon wenig an, wenn man ihnen beim Töpfern zuschaut. Auch wenn bis zu Heiligabend noch viele Kannen, Schüsseln und Krüge fertig getöpfert werden wollen, wirken die beiden Frauen gelassen.
20 Jahre ist es nun her, dass Emslander-Haugg und Hilgart mit ihrer Firma Mema den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt haben. Beide haben Keramikerin gelernt, wie die Töpfer-Ausbildung richtig heißt. Beide waren danach Hausfrau und Mutter und beide hatten den Traum, irgendwann einmal eine eigene Töpferwerkstatt zu eröffnen.
„Wir haben uns über meine Schwägerin auf einer Gartenparty kennengelernt“, erzählt Marion Hilgart von den Anfängen der gemeinsamen Firma. Ausgebildete Töpferinnen waren schon damals selten, da gab es natürlich sofort ein gemeinsames Interesse. „Damals haben wir dann gesagt, wenn die Kinder größer sind, starten wir da mal etwas zusammen.“ Als sie schließlich beide für eine Weihnachtsausstellung im ehemaligen Eichstätter Pferdestall angefragt wurden, war endgültig eine Gelegenheit gekommen, sich zusammenzutun und ein gemeinsames Töpferprojekt zu realisieren. Aus diesem gemeinsamen Kunstprojekt entstand dann wiederum drei Jahre später, 2004, die gemeinsame Firma.
Seit 2015 hat Mema auch in Neuburg ein Geschäft
Den Namen leiten die beiden aus ihren Initialen ab, die bei handgefertigten Töpferwaren üblicherweise in den Boden geritzt werden. Aus Marion Hilgart (Signatur: „ma“) und Maria Emslander-Haugg (Signatur: „me“) wurde somit der Name „Mema“, der seitdem alle Topf- und Tassenböden aus ihrer Hand ziert. 2004 eröffneten sie mit der Firma einen kleinen Laden in Eichstätt, 2015 expandierten die zwei Frauen mit einem zweiten Laden auch nach Neuburg. Neben ihrem selbst produzierten Geschirr bieten sie hier auch weitere „Handelsware“ an, wie Emslander-Haugg sagt – hauptsächlich Wohnaccessoires sowie Küchen- und Haushaltsware. Allerdings sind gerade in Neuburg die Tonkrüge sehr beleibt – „wegen des Schlossfests“, verrät Hilgart schmunzelnd.
Produziert wird jedoch immer noch in der kleinen ehemaligen Wirtsstube in Ochsenhart, über der Marion Hilgert auch wohnt. Keine 20 Quadratmeter ist ihr Töpferraum groß. In den Regalen stehen Tonblöcke, Eimer mit Glasuren oder noch nicht fertiggestellte Stücke, die sich in einer der unzähligen Produktionsstadien befinden. Die Tasse, die Emslander-Haugg gerade formt, muss danach trocknen, bevor sie einen Henkel bekommt, ein erstes Mal gebrannt, glasiert und danach noch einmal gebrannt wird. „40 bis 50 Mal hat ein Töpfer ein Stück in der Hand, bis es endgültig fertig ist“, sagt Emslander-Haugg. Bevor die Stücke final in den Brennofen wandern, der im noch wesentlich kleineren Nebenraum steht, sind unzählige Produktionsschritte zu befolgen. Wer den beiden Frauen zuhört, merkt schnell, dass die Töpferei genauso komplex wie alt ist.
Über Konkurrenz müssen sie sich keine Sorgen machen. Dass sie mit einer Töpferwerkstatt im digitalen Zeitalter alleine auf weiter Flur sind, ist ihnen bewusst. Noch vor 20 bis 30 Jahren habe es große Töpfereien gegeben, erzählt Emslander-Haugg. „Da haben manchmal 20 Dreher gleichzeitig gearbeitet.“ Wegen der Konkurrenz von großen Konzernen wie Ikea, die Keramikwaren nicht mehr per Hand und deswegen viel günstiger herstellen, sind diese Betriebe allerdings verschwunden.
Mema gibt es allerdings immer noch. Ihre Produkte werden mit der Zeit immer beliebter. „Keramik und Töpfern ist immer mehr gefragt. Ich merke auf jeden Fall, dass die Wertschätzung da steigt.“ Maria Emslander-Haugg glaubt, das hängt auch mit der modernen Zeit, mit der Digitalisierung zusammen. Wenn jeder nur noch am Computer arbeitet, gewinnen Produkte, die in mühevollen Stunden per Hand auf einer Töpferscheibe produziert wurden, plötzlich immens an Wert. Auch Töpferkurse, die Mema in der Vergangenheit schon angeboten hat, stehen aus den gleichen Gründen hoch im Kurs, auch wenn dafür aktuell die Kapazitäten fehlen.
Und obwohl auch die beiden Töpferfrauen ihre Läden in Eichstätt und Neuburg nicht ohne einen Computer verwalten könnten, in ihrer Werkstatt gibt es nur sie und den Ton – nicht einmal ein Smartphone haben die beiden in der Tasche. „Geht auch gar nicht“, sagt Marion Hilgart, während sie sich gerade die mit einer nassen Tonschicht überzogenen Hände abwischt. „Das würden wir ja total einsauen.“
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