Nördlingen 1. Mai, Tag der Arbeit: Aus den Lautsprechern vor dem Ochsenzwinger erschallt „Venceremos“, die Hymne der sozialistischen Bewegung im Chile der 70er Jahre, zur Zeit Salvador Allendes. Bei schönstem Frühlingswetter haben sich rund 60 Besucher eingefunden, um an der 1.-Mai-Kundgebung des DGB teilzunehmen, darunter zahlreiche Gewerkschafts- und SPD-Mitglieder. Das Motto lautet „Mach dich stark mit uns!“
Als Hauptredner kam Gewerkschaftssekretär Roman Martynez aus Augsburg, er ist bei Verdi für den Bereich Gesundheit zuständig. In „stürmischen Zeiten“ befänden wir uns, meinte Martinez. Der DGB stehe dabei für Stabilität und Aufbruch, was man an den erfolgreichen Tarifverhandlungen für 12,5 Millionen Beschäftigte sehe. Über alle Branchen hinweg hätten die Gewerkschaften eine durchschnittliche Entgeltsteigerung von 5,5 Prozent erreicht und damit eine Steigerung der Reallöhne. Das im Bundestag beschlossene 500-Milliarden-Sondervermögen lobte Martynez als „bitter nötig“. Es brauche Zukunftsinvestitionen in Schulen, Kitas, Krankenhäuser, den öffentlichen Nahverkehr und den Netzausbau für die Energiewende. Dass das gesetzliche Rentenniveau nicht unter 48 Prozent sinken soll, begrüßte er ebenso.
Neues Arbeitszeitgesetz: DGB lehnt Reform ab
Die geplante Reform des Arbeitszeitgesetzes lehnte er jedoch entschieden ab: Wenn es keine tägliche, sondern nur noch eine wöchentliche Höchstarbeitszeit gebe, drohten 13-Stunden-Tage – Belastungen, mit denen nicht jeder zurechtkommen würde. Union und SPD begründen das Vorhaben mit dem Wunsch vieler Beschäftigter nach mehr Flexibilität, auch um Familie und Beruf besser vereinbaren zu können. Zudem heißt es im Koalitionsvertrag: „Kein Beschäftigter darf gegen seinen Willen zu höherer Arbeitszeit gezwungen werden.“ Und: „Zur konkreten Ausgestaltung werden wir einen Dialog mit den Sozialpartnern durchführen.“
Zur schlechten Wirtschaftslage sagte Martynez, dass es nicht die Schuld der Arbeitnehmer sei, dass Tausende Arbeitsplätze auf der Kippe stünden. Teilweise sei auch Missmanagement betrieben worden. Überhaupt teilte er die pessimistische Sicht nicht. Die Arbeitgeberverbände „redeten“ vielmehr den Standort Deutschland „kaputt“. Als Ursache für die Wirtschaftskrise nannte Martynez einen Mix aus fehlender Kaufkraft, hohen Energiekosten, hohen Zinsen, die Baukrise, eine Flaute der Weltwirtschaft und die Zollpolitik von Donald Trump. Der Sozialstaat sei auch keine Wachstumsbremse, meinte Martynez, sondern er schaffe vielmehr die Voraussetzungen für qualifizierte und gesunde Beschäftigte und für sozialen Frieden. Er kritisierte zudem die AfD scharf und bekannte sich zu Deutschland als Einwanderungsland. Menschen mit Migrationsgeschichte spielten eine wichtige Rolle in der Wirtschaft, vor allem im Gesundheitswesen, der Pflege, dem Nahverkehr und der Gastronomie.
Rita Ortler: Mehr Solidarität und Gemeinschaft
Weitere Redebeiträge hielten Bruno Schönherr (DGB Donau-Ries) und Rita Ortler (Zweite Bürgermeisterin der Stadt Nördlingen und SPD-Stadträtin). Auch Schönherr lobte das Sondervermögen und sprach sich aus für sichere Arbeitsplätze, faire Löhne, Tarifbindung, ein stabiles Rentenniveau, ein stabiles Gesundheitswesen und den Acht-Stunden-Tag. Ortler unterstrich die Bedeutung des DGB beim Finden von Kompromissen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. „Es ist nicht so, wie es die Arbeitgeber oft darstellen, dass der DGB mit zu hohen Forderungen das Problem sei“, meinte sie. Der DGB sei vielmehr „die Lösung“. Es brauche mehr Solidarität und Gemeinschaft, sagte Ortler.
Eine Abordnung der Reimlinger Blaskapelle spielte politische Lieder wie „Bella Ciao“ oder „Die Gedanken sind frei“.
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