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Entdeckung: Warum Luther Bauernaufstand ablehnte - Vortrag Insights

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Vortrag in Nördlingen: Wieso Luther von den aufständischen Bauern abrückte

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    Der Memminger Pfarrer Claus Ortmann referierte im Gemeindezentrum St. Georg in Nördlingen über die Memminger Zwölf Artikel und die theologische Kontroverse zwischen den aufständischen Bauern und Reformator Martin Luther. Veranstalter war das Evangelische Bildungswerk, hier mit im Bild Christa Müller als dessen Leiterin.
    Der Memminger Pfarrer Claus Ortmann referierte im Gemeindezentrum St. Georg in Nördlingen über die Memminger Zwölf Artikel und die theologische Kontroverse zwischen den aufständischen Bauern und Reformator Martin Luther. Veranstalter war das Evangelische Bildungswerk, hier mit im Bild Christa Müller als dessen Leiterin. Foto: Matthias Link

    Ein geschichtliches Ereignis verbindet Memmingen und das Nördlinger Ries: der Bauernaufstand. Im Februar 1525 hatte Sebastian Lotzer, unterstützt von Christoph Schappeler, mit den Memminger Zwölf Artikeln das zentrale Manifest des Bauernaufstands verfasst, das als Flugschrift weite Verbreitung fand – bis ins Ries, wie Heimatforscher annehmen. „Die zwölf Memminger Bauernartikel und die Theologie“ lautete der Titel des Vortrags des Memminger Pfarrers Claus Ortmann, den er im voll besetzten kleinen Saal des evangelischen Gemeindezentrums St. Georg am Dienstagabend hielt.

    Ortmann ist Inhaber der Projektstelle „Mir wöllet frei sein“. Ortmann erläuterte zu Beginn die damalige Lage der Bauern, die mit 80 Prozent die größte Bevölkerungsgruppe darstellten und die größte Last in den feudalen Territorialstaaten tragen mussten. Politisch hatten sie aber kein Mitbestimmungsrecht. In den Zwölf Artikeln forderten sie soziale, wirtschaftliche, rechtliche, politische und religiöse Freiheiten: Die Bauern wollten unter anderem ihren eigenen Pfarrer wählen können, die Leibeigenschaft sollte abgeschafft werden, Frondienste und Abgaben sollten ebenso zum Teil abgeschafft oder auf ein erträgliches Maß reduziert werden, Jagd und Fischfang sollten frei sein und die Wälder und Forsten sollten in Gemeindehand zurückgegeben werden.

    Ortmann: Bauern begründen ihre Forderungen mit Glaube und Bibel

    Wie Ortmann darlegte, begründeten die Bauern ihre Forderungen mit ihrem Glauben und der Bibel. Dazu sahen sie sich von den Reformatoren ermutigt. Der Reformator Thomas Müntzer unterstützte die aufrührerischen Bauern und wurde später dafür enthauptet, Martin Luther hingegen rückte nach anfänglichem Verständnis für deren Sache von ihnen ab. Für Luther galt die Freiheit eines Christenmenschen nur für den „inneren Menschen“, also in Glaubensfragen und gegenüber der geistlichen Obrigkeit in der Welt, der katholischen Kirche. Gegenüber der weltlichen Obrigkeit jedoch, der Fürstenherrschaft, sollte der Christ gehorsam sein.

    Luther habe den Bauern Egoismus vorgeworfen, so Ortmann. Ein Widerstandsrecht, auch gegen eine illegitime weltliche Herrschaft, gebe es bei Luther nicht. Hinzu kam: Für Luther war die Bibel nur in Glaubensfragen relevant, die Bauern jedoch verstanden die Bibel als Quelle von weltlichen Rechtsnormen und hielten sie den Fürsten als „göttliches Recht“ entgegen. Dass die aufständischen Bauern teilweise Gewalt befürworteten und im April 1525 einen verhassten Adligen beim Spießrutenlauf töten, prägte das öffentliche Bild vom mordenden und plündernden Bauern. Dies war ebenso ein Grund, warum sich Luther, wie auch andere, von den Bauern distanzierte und die Niederschlagung des Aufstands befürwortete. Am Ende starben 70.000 Bauern.

    Kritik am Reformator Luther

    Historisch und theologisch kenntnisreich sowie mit schriftlichen Quellenzeugnissen belegt schilderte Ortmann lebendig die damaligen Ereignisse. Der Referent kritisierte an Luther, dass dieser den dialogischen Charakter der Zwölf Artikel nicht erkannt habe. Für Ortmann sind die Zwölf Artikel noch heute ein wegweisendes Dokument dafür, welche Kraft und welcher Mut von gelebtem Glauben ausgehen können. Er schloss mit der These, dass sich auch heute die evangelische Kirche nicht darauf zurückziehen dürfe, eine Innerlichkeit zu leben und allein fürs Seelenheil zuständig zu sein. Mehrere Besucher stimmten ihm in der Diskussionsrunde zu, dass Kirche die Gesellschaft mitgestalten solle.

    Das evangelische Bildungswerk als Veranstalter des Vortrags wird im Juni auch eine Städtefahrt nach Memmingen unternehmen und sich bei einer Stadtführung auf Spurensuche zu den Zwölf Artikeln begeben und die Bayernausstellung des Hauses der Bayerischen Geschichte dazu ansehen.

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