
Gewaltbereite Rechte protestieren bei Corona-Demo neben Hippies


Während eine eigentümliche Allianz in Berlin friedlich ohne Maske demonstriert, stürmt eine gewaltbereite Gruppe durch eine Absperrung auf die Reichstagstreppe.
Der Spätsommer hatte sich schön gemacht für Kämpfer für die Freiheit. Die Goldelse auf der Siegessäule blinkt und prangt im Licht der Sonnenstrahlen, als sich zu ihren Füßen Tausende versammeln. Es ist warm aber nicht heiß. Auf der Straße des 17. Juni, die den Namen nach dem Freiheitskampf vergangener Zeiten trägt, schlendern am frühen Nachmittag höfliche, rücksichtsvolle Bürger. Einige haben Blumen im Rucksack. Wenn sie lächeln, ist es für jeden zu sehen, denn kein Stück Stoff verhüllt den Mund.
Sie laufen in losen Gruppen oder im Zug. Rechts und links das Grün des Tiergartens. Es wird eifrig diskutiert. Aus Lautsprechern ertönt Musik, aber nicht so laut, dass man sich nicht mehr unterhalten kann. „Freiheit“ von Marius Müller-Westernhagen wird gespielt. „Frei-heit, Frei-heit, wurde wieder abbestellt.“
Hippies und gläubige Christen schreiten neben beinharten Neo-Nazis
Die Staatsmacht hat sich an die Ränder verzogen. In unregelmäßigen Abständen stehen Grüppchen gepanzerter Polizisten am Rande. Ihre Gesichter sind nicht leicht zu lesen, denn sie tragen eine Maske. Mehrere Zehntausend sind gekommen, um die Bereitschaft des Staates zu testen, seine Regeln gegen eine Seuche durchzusetzen.
Es sind Junge und Alte, Familien mit Kindern, Hippies und Wandervogel-Jugend mit Klampfe und der Neffe von John F. Kennedy. Es sind tiefgläubige Christen, die Jesus unter uns wähnen. Es sind selbsterklärte Querdenker, wie auf ihren Oberteilen zu lesen ist. Es sind Leute, die davon überzeugt sind, dass Präsidenten, Kanzler und Staatschefs einen internationalen Kinderhändlerring bilden.
Einige erklären bereitwillig, was sie auf die Demo führt und warum sie keine Masken tragen wollen. Andere wollen nicht mit der Presse reden, weil in der Zeitung gelogen wird, wie sie beklagen. Ihr Weg hat aus allen Teilen des Landes nach Berlin geführt, selbst aus dem Ausland haben sich ihnen Gleichgesinnte angeschlossen, die ihre Befürchtungen teilen. Sie sind nicht aggressiv, aber angespannt. Das unsichtbare Virus, das sie für ungefährlich oder nicht-existent ist, hält sie dennoch im Griff. Indem sie versuchen, den Erreger schwach zu machen, gewinnt er noch mehr Macht über ihr Leben.
Polizei scheiterte mit Demo-Verbot vor Gericht
Diese eigentümliche, irritierende Allianz schreitet Seite an Seite mit beinharten Neo-Nazis, die schwarz-weiß-rote Fahnen wedeln lassen. Diese wiederum laufen mit einem Pulk Holländer in Orange. Dazwischen Hooligans mit Russlandfahnen. Niemanden stört die Kollision der Weltbilder. Gemeinsam fordern sie laut Freiheit für sich ein. Die Polizei wollte ihnen die Freiheit, nach der Freiheit zu rufen, eigentlich nicht gewähren. Sie verbot die Demonstration, weil sie annahm, dass Masken- und Abstandspflicht von Bürgern, die das für eine Zumutung halten, nicht eingehalten wird.
Doch die Polizei unterlag vor Gericht. Die Demonstranten durften zusammenströmen unter der Auflage, Münder und Nasen zu bedecken und Abstand zu halten. Weil der Zweck ihres Protests genau der Kampf gegen solche Auflagen ist, hatten sich die Ordnungskräfte gut vorbereitet. 3000 Polizisten standen bereit, der Hubschrauber kreiste knatternd über Berlin, die Wasserschutzpolizei hatte Schnellboote bereit gemacht und die Wasserwerfer waren aufgefahren. Die Auflagen sollten durchgesetzt werden, zumindest ein bisschen.

Ein kleiner, aggressiver Teil der Virus-Leugner wirft Flaschen und Steine
Die Einsatzleitung entscheidet sich dafür, nicht zu eskalieren. Sie hat dafür einen guten Grund. Denn die Polizisten sind trotz des Großaufgebots von Beginn an in der unterlegenen Position. Sie müssen einerseits den Corona-Regeln in Zeiten steigender Infektionen Geltung verschaffen, andererseits ist es nur schwer mit der Verhältnismäßigkeit zu vertragen, Zehntausende mit Gewalt von der Straßen zu treiben, weil sie ihr Gesicht nicht verbergen.
Und so wird Stärke demonstriert. Helme werden aufgesetzt, die Lautsprecherdurchsagen dringlicher, Wasserwerfer für einsatzbereit erklärt und Schnellboote über die Spree gejagt. Es ist eine Schein-Stärke. Bis zur Dämmerung bleibt es bei Scharmützeln mit dem kleinen, aggressiven Teil der Virus-Leugner. Es fliegen vereinzelt Flaschen und Steine, Gewaltbereite werden abgeführt. Laut Innensenator Andreas Geisel (SPD) wurden über den Tag verteilt rund 300 Menschen festgenommen, darunter der ehemalige Koch und Neu-Verschwörungstheoretiker Attila Hildmann. Insgesamt haben nach Schätzungen der Behörden rund 38.000 Menschen an den Protesten in Berlin teilgenommen.
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Reichsflaggen vor dem Deutschen Bundestag: Demonstranten stürmen Absperrung
Der Demonstrationszug Unter den Linden wird aufgelöst, weil keiner Maske trägt. Auf der Wiese vor dem Reichstag werden die Rasensprenger eingeschaltet, um Demonstranten zu vertreiben, die Absperrungen überwinden. „Öffnet die Tore“, riefen sie Richtung Parlament gewandt. Attila Hildmann hatte die Menge angeheizt.
Dann gelingt es Demonstranten mit schwarz-weiß-roten Reichsflaggen doch noch, auf die Treppe des Deutschen Bundestages zu stürmen. Zunächst stellen sich ihnen nur wenige Polizisten in den Weg, wie ein im Netz kursierendes Video zeigt. Die Schein-Stärke der Polizei wird hier erschreckend deutlich. Am Ende drängen Beamte die Menschen zurück, wobei es zu Rangeleien kommt. Außenminister Heiko Maas (SPD) twitterte am Abend: "Reichsflaggen vorm Parlament sind beschämend."
Auch vor der russischen Botschaft kommt es am Abend zu heftigeren Auseinandersetzungen, sieben Polizisten werden verletzt. Die Polizei schafft es bis zum Abend nicht, den Virenschutz durchzusetzen. Der Menschenzug zieht einfach weiter Richtung Siegessäule zur Abschlusskundgebung. Das Virus kennt keine Juristerei. Ihm ist es gleich, ob sich eine Menschenschlange als angemeldete Demonstration voranschiebt oder als Zusammenkunft Zehntausender.
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Die Diskussion ist geschlossen.
Das Gericht hat das ganz richtig gehandhabt.
Zuerst Auflagen - dann bei nichteinhaltung eingreifen - wie in einem Rechtsstaat; anstatt pauschal verbieten - wie in einem unrechtsstaat.
Der wie vom Berliner Innensenator und der Polizei erwartete und angekündigte erneute massenhafte öffentliche Rechtsbruch ist eine krachende Niederlage für den Rechtsstaat und für alle rechtschaffenen Bürger. Wenn dies zur künftigen Normalität im "freiheitlichen Rechtsstaat" wird, dann kann er gleich einpacken - und die Demokratie gleich mit.
Die Dämlichkeit oder Feigheit des Berliner Verwaltungsgerichts ist beeindruckend.
erschreckend zu sehen, wie sich Mütter, Väter, Omas, Opas, Leitende Angestellte usw verhalten wenn sie sich im Schutz der Masse bewegen und das Innere Tier so richtig raus lassen. Am Montag sind dann alle wieder auf der Arbeit und schütteln den Kopf über die Bilder weil keiner von denen das Niveau hat anderen gegenüber dafür einzustehen dabei gewesen zu sein.
"Die Demonstranten durften zusammenströmen unter der Auflage, Münder und Nasen zu bedecken und Abstand zu halten." Die AUSSAGE IST FALSCH . Das OVG hat ausdrücklich keine Mund Nasen Bedeckung verlangt.
Zudem erhält man beim betrachten der Filme den Eindruck dass der unzureichende Abstand durch die Absperrungen provoziert wurden.
Nach dem, was ich gelesen habe, hat das OVG das Demoverbot aufgehoben und ABSTAND VERLANGT. Als die Demoteilnehmer sich nicht an das Abstandsgebot gehalten haben, hat die Polizei die Maskenpflicht angeordnet und dies dem Versammlungsleiter mitgeteilt. Dieser musste dies dann verkünden.
Nachdem sich aber die Demoteilnehmer nicht an diese Maskenpflicht gehalten haben, hat die Polizei aus Gesundheitsschutzgründen die Demo aufgelöst.
Raimund kamm
"Das OVG hat ausdrücklich keine Mund Nasen Bedeckung verlangt."
Wollen sie im Ernst damit sagen, dass die Demonstranten ohne Mund-Nase-Schutz und Abstandsregeln demonstrieren dürfen?
Das OVG hat ausdrücklich festgestellt, dass die Demo aufgelöste werden kann, sollten sich die Demonstranten nicht an die Bedingungen halten.
Woher haben sie die info, dass das OVG einen MNS und Abstand ausdrücklich nicht verlangt. Nach meinen Infos hat das OVG die Demo u.a. deswegen genehmigt, weil der Veranstalter ein Hygienekonzept vorgelegt hat und Teams zur Einhaltung aufgestellt hat. Was war das für ein Hygienekonzept? Keine Zungenküsse zwischen nicht haushaltsangehörigen?
Wenn der Platz zu gering ist, wie wäre es mit dem Tempelhofer Feld. Da wäre genug Platz. Zudem muss man halt trotzdem etwas Abstand halten wenn es eng wird.
Es ist richtig, dass das superschlaue OVG keinen MNS für notwendig befunden hat - lediglich das Einhalten von Abstandsregeln.
"Das Verwaltungsgericht (VG) Berlin hatte am Freitag entschieden, dass die Veranstaltung am Samstag stattfinden könne (Beschl. v. 28.08.2020, Az. VG 1 L 296/20); allerdings müsse der Veranstalter diverse Auflagen zur Einhaltung des Mindestabstandes einhalten. Das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen falle nicht darunter. "
https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/ovg-berlin-demonstration-berlin-anti-corona/
Möglich, dass es damit die Regelung herstellen wollte, die generell im öffentlichen Raum gilt. Da ist das ja so. Man muss am Badesee ja auch keinen MNS tragen oder wenn man durch die Straßen der Stadt geht.
Was fehlte, war die Verpflichtung, einen MNS zumindest dabei zu haben, um ihn dort aufsetzen zu können, wo der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann. DANN hätte die Polizei Probleme bekommen, die Veranstaltung aufzulösen, wenn viele Teilnehmer auf Aufforderung ihren MNS aus der Tasche gezogen hätten.
Ohne Mindestabstand Seit an Seit mit Neonazis und Rechtsextremisten oder kollektiver Rechtsbruch mit Ansage, gerichtlich abgesegnet. So oder ähnlich kann der gestrige Berlin-Event beschrieben werden.
Es wird sehr spannend, wie der demokratische "Rechts"-Staat demnächst mit "null Toleranz" gegen organisierte Nazis, Reichsbürger, Flügel- und andere AfDler, Antisemiten, Reichskriegsflaggenschwenker und sonstige Faschisten in unheiliger Allianz mit Impfgegnern, Esoterikern, Verschwörungstheoretikern und sonstigen Spinnern vorgeht . . .
@Maya S. Danke für die Info.
@Klaus D. Das Gericht hat eine Verpflichtung eines MNS nur bei ausreichenden Abstand als nicht notwendig angesehen. Wenn es wo eng wird dann muss man eben das ganze in die Länge ziehen. Der Veranstalter hat den Ort gewählt. Nicht die Polizei.
An diesem Chaos sind nur die Menschen schuld, die meinen, Corona leugnen zu müssen. Und denen der Tod von Anderen egal ist..
"Sperrt sie endlich weg" steht auf dem Transparent und gemeint sind: Merkel, Söder, Spahn, Bill Gates sowie die Prof. Drosten und Wieler.
Zum Glück sind wir nicht auf die zur Stunde in Berlin versammelte Geisteskraft angewiesen - einen wirksamen Impfstoff könnten wir uns sonst für lange Zeit abschminken - es sei denn wir greifen die Idee des renommierten Virologen Donald T. auf und versuchen es mal mit Sagrotan - intravenös versteht sich.
Schuld an diesem Chaos haben nach meiner Meinung nur die Gerichte.