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Interview: Conchita Wurst: "Ich wollte immer Céline Dion sein"

Interview

Conchita Wurst: "Ich wollte immer Céline Dion sein"

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    "Ich war noch niemals in New York": Der österreichische Musiker Conchita Wurst in den Straßen von Manhattan.
    "Ich war noch niemals in New York": Der österreichische Musiker Conchita Wurst in den Straßen von Manhattan. Foto: Philipp Hedemann

    Vor 50 Jahren stürmte die Polizei die Schwulenbar Stonewall Inn in der New Yorker Christopher Street. Die anschließenden gewalttätigen Proteste waren der Beginn der modernen Schwulen- und Lesbenbewegung und der Christopher- Street-Märsche. New York feiert den Aufstand am Wochenende mit der bislang größten Gay-Pride-Parade. 4,5 Millionen Besucher werden erwartet. Unter ihnen ist auch Conchita Wurst, 30. Der schwule österreichische Sänger, der mit bürgerlichem Namen Thomas Neuwirth heißt, gewann 2014 den Eurovision Song Contest und ist seitdem eine Ikone der internationalen LGBT (Lesbian, Gay, Bisexuell und Transgender) -Gemeinschaft.

    Conchita Wurst, warum sind Sie zum 50-jährigen Jubiläum der Stonewall-Proteste nach New York gereist?

    Conchita Wurst: Um den Männern und Frauen, die vor 50 Jahren mutig und unter großer Gefahr für ihre und die Rechte aller nachfolgenden Generationen gekämpft haben, meinen Respekt zu zollen. Für mich ist es eine riesige Ehre, dass ich eingeladen worden bin, an einem historischen Ort, dem Stonewall Inn, sprechen zu dürfen. Und: Ich war noch niemals in New York.

    Sie wurden fast 20 Jahre nach den Ausschreitungen geboren. Welche Bedeutung hat dieses Ereignis für Sie?

    Wurst: Meine Generation hat das Glück, in eine Welt hineingeboren zu sein, in der mit schwulen und lesbischen Menschen mit mehr Selbstverständlichkeit umgegangen wird. Zumindest in einigen Teilen der Welt. Auf mich geht niemand mit Schlagstöcken los, so wie damals die Polizisten auf die Teilnehmer der Stonewall Riots.

    Wenn Sie damals schon gelebt hätten: Hätten Sie mitgemacht?

    Wurst: Ich bin ein Mensch, der für Gerechtigkeit einsteht. Ich denke, ich wäre dabei gewesen.

    Die Proteste waren gewalttätig. Ist Gewalt legitim, um die Rechte unterdrückter Menschen einzufordern?

    Wurst: Gewalt ist wohl nie legitim. Aber damals kam es wohl auch zur Gewalt, weil viele der Protestierenden nichts zu verlieren hatten und entsprechend frustriert waren.

    Sie sind in einem Dorf groß geworden. Wann hatten Sie Ihr Coming-out?

    Wurst: Ich bin mit Mädchenkleidern in den Kindergarten gegangen. Meine Mutter hatte Angst, dass ich deshalb ausgelacht werde, aber das ist nicht passiert. Mein bewusstes Coming-out hatte ich mit ungefähr zwölf oder 13 Jahren, als ich in Worte fassen konnte, was ich fühle. Auch in meinem kleinen Heimatdorf habe ich deshalb nie Probleme gehabt.

    Als Sie vor fünf Jahren den Eurovision Song Contest gewannen, sagten sie: „We are unstoppable!“ Hat sich Ihre Prognose bestätigt?

    Wurst: Ja, denn durch meinen Auftritt wurden Menschen in aller Welt dazu motiviert und inspiriert, ihr Leben in die Hand zu nehmen. Ich habe ihnen gezeigt: Man kann wirklich so sein, wie man sein möchte. Ich bin ein hoffnungslos positiv denkender Mensch. Alles wird gut.

    Bei einem Konzert im Rahmen der Pride-Feierlichkeiten werden Sie auch zwei Ihrer neuen Songs präsentieren. Sie machen jetzt nicht mehr Pop, sondern teilweise harte elektronische Musik. Warum?

    Wurst: Seit ich denken konnte, wollte ich Céline Dion sein – und ich hatte meinen Céline-Dion-Moment. Aber wenn ich etwas erledigt habe, muss ich etwas Neues machen.

    Gibt es Conchita Wurst überhaupt noch?

    Wurst: Irgendwann dachte ich: Ich bin nicht mehr Conchita Wurst. Ich brauche einen neuen Namen. Jahrelang habe ich versucht, den Nachnamen Wurst abzulegen, weil ich ihn nicht mehr schön fand. Er ist so brachial, und ich wollte doch immer glamourös sein. Aber wenn ich ganz ehrlich zu mir bin, dann kann ich auch sehr unglamourös sein. Darum trage ich jetzt manchmal ein Abendkleid und manchmal habe ich so wenig an, dass ich in einem Schaufenster im Amsterdamer Rotlichtviertel tanzen könnte. Conchita ist die Präsidentengattin und Wurst ist Berghain – auch wenn ich erst 20 Minuten in meinem Leben im Berghain war. (Anmerkung: Das Berghain ist der wohl wichtigste Techno-Club der Welt in Berlin. Bekannt unter anderem dafür, dass homo- und heterosexuelle Gäste hier knappbekleidet und ausgelassen feiern.)

    Und wie soll man Sie jetzt eigentlich nennen?

    Wurst: Hey Du, Tom, Conchita, Wurst – mir doch wurscht!

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