Die Verleiher des Filmpreises ehren Greta Thunberg – und machen sich selbst unglaubwürdig. Was die Zuschauer daraus lernen sollten.
Gäbe es bei der Goldenen Kamera eine Kategorie für das Fettnäpfchen des Jahres, müssten die Stifter sich – wären sie konsequent – in schöner Regelmäßigkeit selbst nominieren. Genüsslich oder schmerzlich, je nach Perspektive, erinnert man sich an die Preisverleihung 2017, als die Fernsehprofis Joko und Klaas einen falschen Ryan Gosling auf die Bühne schickten, damit der eine Goldenen Kamera für seinen Kinohit „La La Land“ entgegennahm. Berichterstatter weltweit spotteten, Gosling-Double Ludwig Lehner wurde für seinen Auftritt mit dem Grimmepreis ausgezeichnet. 2018 dann, im Jahr darauf, schläferten sich Preisträger und Laudatoren gegenseitig ein. Bleierne Trägheit ist immer noch besser als ein neuer Skandal, schienen sich die Verleiher von der Funke-Mediengruppe gedacht zu haben.
Goldene Kamera: SUV für Nachwuchsschauspielerin Tscharntke
Doch am Samstag war es wieder so weit. Diesmal haben sich die Veranstalter anders als bei „Gosling Gate“ ihr Fettnäpfchen selbst bereitet. Sie führten extra einen Sonderpreis für Klimaschutz ein, um die Schwedin Greta Thunberg zu ehren. Und verschenkten später einen SUV von Volkswagen mit Verbrennungsmotor an die Gewinnerin des Nachwuchspreises, die aus der Jugendserie „Druck“ bekannte Milena Tscharntke – verbunden mit der Aufforderung, sie solle mit dem Auto zu ihren Casting-Terminen fahren. Die Veranstalter hatten VW als Sponsor für die Gala im ZDF an Bord geholt. Der Autobauer hat heute eine ganze Reihe an Elektroautos im Portfolio. Wenn schon ein Auto verschenken, dann doch so eines, denkt man sich.
Hundertfach tauchten nach dem Auto-Geschenk Kommentare entsetzter Zuschauer im Internet auf: „Zynischer geht’s kaum.“ „Nie war die Goldene Kamera heuchlerischer als heute.“ Oder einfach: „Schämt ihr euch nicht?“ So lauten exemplarisch drei der Sätze, die nach der Verleihung der Goldenen Kamera auf Internet-Portalen wie Twitter und Facebook geteilt wurden. „Wäre ich Greta Thunberg würde ich jetzt aufstehen und gehen“, schreibt ein Twitter-Nutzer weiter.
Die schwedische Klima-Aktivistin hatte kurz zuvor – diesmal ohne Strickmütze und ihre charakteristischen Zöpfe – eine ihrer eindringlichen, mahnend-strengen Reden gehalten und dafür Standing Ovations von 1200 Gästen im stillgelegten Flughafen Berlin-Tempelhof geerntet.
Greta Thunberg nimmt bei „Goldener Kamera“ Stars in die Pflicht
„Wir leben in einer komischen Welt“, sagte die 16-Jährige immer wieder. Einer Welt, „in der Kinder ihre Ausbildung opfern müssen, um gegen die Zerstörung ihrer Zukunft zu protestieren“. Und in einer Welt, in der sich Stars – von denen bei der Gala viele aus der deutschen Filmbranche vertreten waren – nicht für Klimaschutz engagierten, weil sie „dann nicht mehr um die Welt fliegen könnten, um ihre Lieblingsrestaurants, Strände und Yogaseminare zu besuchen“. Sie rief die Prominenten auf, ihren „Einfluss auf Milliarden Menschen“ zu nutzen und ihre Stimme für den Umweltschutz zu erheben.
Greta hier, der Verbrennungsmotor da – die Goldene Kamera, bei der unter anderem die britische Schauspielerin Vanessa Redgrave für ihr Lebenswerk geehrt wurde, hat wieder einen Skandal. Man kann sich über die unglaublich kurzsichtige, unsensible Herangehensweise des Veranstalters nur aufregen. Wer den Klimaschutz ernst nimmt, sollte sie als zusätzlichen Ansporn nehmen, um Greta Thunbergs Botschaft umzusetzen.
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Danke für diesen klaren und notwendigen Kommentar!
Ob die Funke-Mediengruppe & VW umkehren werden?
Raimund Kamm