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Erlass in Kalabrien: Italienischer Bürgermeister verbietet Kranksein!

Italien

Kranksein verboten! Ein italienischer Bürgermeister verzweifelt am maroden Gesundheitssystem

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    In Italien ist das Gesundheitssystem in Schieflage. Vor allem im Süden ist die Gesundheitsversorgung schlecht.
    In Italien ist das Gesundheitssystem in Schieflage. Vor allem im Süden ist die Gesundheitsversorgung schlecht. Foto: Marijan Murat, dpa

    Es ist Grippe-Zeit, auch in Süditalien. Doch im Dorf Belcastro, tief in Kalabrien an der Spitze des italienischen Stiefels, sollte man lieber nicht krank werden. Der Bürgermeister hat das Krankwerden den 1300 Einwohnern kürzlich sogar per Erlass verboten. Krankheiten, „die einen medizinischen Eingriff erfordern, insbesondere in Notfällen“ seien „zu vermeiden“, schrieb Antonio Torchia in seiner Verordnung. Seine Mitbürgerinnen und Mitbürger sollten sich „so viel Ruhe wie möglich gönnen“. 

    Ein Witz? Nicht ganz. Die italienische Nachrichtenagentur Ansa bezeichnete den Erlass gar als „Schock“. Gewiss steckt eine Provokation hinter der Aktion, jedoch mit ernstem Hintergrund. „Die Verordnung ist ein Hilferuf“, erklärte der Bürgermeister dem Corriere della Calabria. Er wolle „die Aufmerksamkeit auf eine inakzeptable Situation lenken“. Die besteht darin, dass der ärztliche Bereitschaftsdienst im Ort häufiger geschlossen als geöffnet ist, einen festen Arzt gibt es nicht. „Wir alle haben ein Recht auf angemessene Gesundheitsversorgung, vor allem in einem Dorf, in dem die Hälfte der Bewohner über 65 Jahre alt ist“, reklamierte Torchia.

    An den Weihnachtstagen war die medizinische Versorgung des Dorfes nicht mehr gewährleistet. An der Tür des Bereitschaftsdienstes klebte ein Zettel, der dazu aufrief, sich bei Bedarf in das 45 Kilometer entfernte Krankenhaus von Catanzaro zu begeben. Laut Bürgermeister Torchia besteht die Unterversorgung seines Dorfes bereits seit Juni, der Grund: Ärztemangel. „Alle meine Reklamationen blieben unbeantwortet und die Leute hier waren krank“, berichtete der Bürgermeister.

    Ein Mann starb im Krankenwagen, weil er zu lange warten musste

    Die medizinische Unterversorgung in Süditalien ist seit Langem bekannt. In Belcastro kam es bislang glücklicherweise nicht zu einem schlimmeren Unglück wie 65 Kilometer weiter nördlich in San Giovanni in Fiore. Anfang Januar starb dort ein 48-Jähriger an Bord eines Krankenwagens. Der Mann hatte in kritischem Zustand mehrere Stunden in der Notaufnahme einer örtlichen Klinik auf seine Verlegung ins Krankenhaus der Provinzhauptstadt Cosenza gewartet. Der Arzt war mit anderen Patienten beschäftigt, heißt es. Die Verlegung kam für ihn zu spät. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

    Wer in bestimmten Gegenden Kalabriens einen Arzt benötigt, hat mitunter ein Problem.
    Wer in bestimmten Gegenden Kalabriens einen Arzt benötigt, hat mitunter ein Problem. Foto: Philip Dulian, dpa

    An den Krankenhäusern in Cosenza, Catanzaro oder Lamezia Terme hissten die Protestierenden in den vergangenen Wochen Spruchbanner mit der Aufschrift: „Schluss mit den Todesfällen wegen schlechter Gesundheitsversorgung!“ Kalabrien gilt als die Region mit der bei Weitem schlechtesten Gesundheitsversorgung in Italien, einer von fünf Patienten begibt sich für stationäre Behandlungen in norditalienische Krankenhäuser. Es fehlt an Ärzten und Krankenpflegern. 

    Zum Missstand tragen nicht nur die schlechte Bezahlung des Personals, sondern auch strukturelle Probleme bei. Wegen Sparmaßnahmen wurde die Zahl der Krankenhausbetten drastisch reduziert, die Schulden im Gesundheitssystem lagen 2023 bei rund 1,5 Milliarden Euro. Das regionale Gesundheitsamt ist seit Jahren wegen Misswirtschaft in den Schlagzeilen, die Regierung in Rom setzte im Januar 2024 einen Kommissar zur Leitung ein. Die größte Gesundheitsbehörde in Kalabrien, das für die Provinz Reggio Calabria zuständig ist, war 2019 wegen Infiltration der Organisierten Kriminalität aufgelöst worden. 

    Belcastros Bürgermeister Torchia appelliert an seine Landsleute, sich doch selbst einmal ein Bild von der Lage vor Ort zu machen. „Kommen Sie und leben Sie in unserem Dorf. Probieren Sie es aus und sagen mir dann, ob diese Situation für Sie akzeptabel ist!“

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