Auf dem Veteranentag der Bundeswehr geht es um Soldaten wie Jens Ruths. Während seines Einsatzes im Kosovo trat er auf eine Mine, ein Fuß wurde ihm abgerissen. Und es geht um Rentner wie Herrn Fischer, der vor guten fünf Jahrzehnten zum Wehrdienst in die Kaserne eingerückt ist und nun sein Veteranenabzeichen beantragt. „Ich finde das gut und ich will mich engagieren“, sagt Fischer. Im Schatten des Reichstages füllt der Mann ein Papier aus, das ihn zurück zu seiner Militärzeit bringt. Name, Anschrift, Dienstrad, Telefonnummer. Das Veteranenabzeichen soll in zwölf Wochen mit der Post kommen, Fischer könnte es sich aber auch im Veteranenbüro ganz in der Nähe des Berliner Hauptbahnhofes abholen.
In Deutschland gibt es rund zehn Millionen Veteranen, doch die Distanz zwischen Gesellschaft und Armee ist in kaum einem Land Europas größer. Der Kalte Krieg ist lange her, der Wehrdienst ausgesetzt und die deutsche Geschichte zwischen 1933 und 1945 wiegt noch immer schwer. Wegen des russischen Einmarschs in die Ukraine ist die Ignoranz, teilweise eine offene Verachtung für die Bundeswehr, einem Abtasten gewichen. Deutschland entdeckt das Militärische wieder.
An den Ukrainern ist der Schrecken des Krieges sichtbar
Vergangenes Jahr hat der Bundestag beschlossen, jeweils am 15. Juni die aktiven und ehemaligen Soldaten zu ehren. Im ganzen Land gibt es dazu Veranstaltungen, am Bundestag in Berlin wird die Premiere größer gefeiert. Um das Parlament herum schwitzen Generäle in der Sonne, während sich ehemalige Soldaten umarmen. Sie tragen olivgrüne T-Shirts mit den Namen ihrer früheren Einheiten. Ein massiger Motorrad-Rocker hat das schwarze Barett der Panzertruppe aufgezogen und lässt sich von einem Kumpel fotografieren. Die Gebirgsjäger haben zwei Mulis aus Bad Reichenhall nach Berlin gebracht, die in einem Gatter Heu fressen und von Kindern getätschelt werden.
An einer Bratwurstbude holt sich ein ukrainischer Veteran etwas zu essen, während die Militärkapelle ein paar stimmungsvolle Lieder spielt. Der Soldat sitzt im Rollstuhl. Er und seine Kameraden haben auch einen Stand an der Seite des Reichstages. Nach schweren Verwundungen im Kampf gegen Russland werden sie in Deutschland behandelt. Einem von ihnen fehlt ein Arm, an der Schulter ist eine dicke Narbe zu sehen. Im Reichstag stellt Rockstar und Fotograf Bryan Adams Portraits britischer Soldaten aus in Schwarz-Weiß aus. Sie sehen aus wie die Ukrainer.
„Es war höchste Zeit für diesen Schritt“, sagt Parlamentspräsidentin Julia Klöckner (CDU) in ihrer Eröffnungsrede: „Denn dieser Tag schafft etwas, das lange gefehlt hat: öffentliche Sichtbarkeit, Anerkennung und Respekt für alle, die in den Streitkräften unseres Landes gedient haben.“
Auch die Bundeswehr wusste lange nicht mit ihren Veteranen umzugehen
Veteran ist jeder, der bei der Bundeswehr war und ehrenhaft entlassen wurde. Jeder, der seinen Wehrdienst geleistet hat, gehört dazu, genau wie die Zeit- und Berufssoldaten. Die Soldaten der ehemaligen NVA der DDR zählen nicht zu diesem weiten Kreis, was einige ältere Ost-Berliner Herren in Gesprächen am Stand des Veteranenbüros bemängeln.
In der offiziellen Broschüre der Bundesregierung zum Veteranentag ist auch Jens Ruths zu sehen. Der Stabsfeldwebel hat darin die Hosen seiner grünen Felduniform nach oben gekrempelt. In seinem linken Stiefel steckt eine Prothese. Vor 26 Jahren verlor er seinen Fuß im Kosovo. Nach der schweren Verwundung war zunächst unklar, wie die Streitkräfte mit seinem Fall umgehen.

Psychologische Betreuung gab es kaum. Und manche Soldaten waren in einem Selbstbild gefangen, sich keine Schwäche leisten zu können. „Nachdem ich zurück in der Kaserne war, kam der Sozialberater zu mir und sagte, ‚wir müssen reden‘. Ich sagte: ‚Der Fuß ist ab, über was sollen wir reden?‘ “, erinnert sich Ruths. Der Stabsfeldwebel leistet heute seinen Dienst in einem Materialdepot der Truppe in Pfungstadt in der Nähe von Frankfurt am Main. Damals wollte ihn die Bundeswehr entlassen. Doch der damalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) habe sich persönlich für ihn verwendet, so durfte Ruths bleiben.
Erst vor einem halben Jahr hat der Bundestag die Versorgung von Versehrten und Invalidin verbessert. Die Einsätze in Afghanistan und der Ukrainekrieg haben dazu beigetragen, dass die Bundeswehr ein anderes Verhältnis zu ihren Veteranen gefunden hat. „Die Soldaten wollen kein Tohuwabohu haben mit Umzügen, die wollen einen Tag für Gespräche, sie wollen zusammensitzen und reden“, sagt Ruths. Er habe ein gutes Auge dafür, wenn es einem Kameraden nicht gut gehe. „Dann gibt man seine Handynummer und sagt, dass er sich melden kann.“
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