Für den Jakobsweg, der im spanischen Wallfahrtsort Santiago de Compostela endet, sind schon einige Rekorde verzeichnet worden. 2024 etwa wurden nahezu 500.000 Pilgerinnen und Pilger gezählt, die auf ihm gingen. Doch mit steigenden Pilgerzahlen stiegen auch die Probleme. So gab es in Santiago bereits Proteste von Einheimischen gegen lärmende Pilgerkarawanen und die zunehmende Umwandlung von städtischem Wohnraum in Airbnb-Unterkünfte. Zuletzt sorgten, wieder einmal, Schilderungen pilgernder Frauen über sexuelle Belästigungen für Schlagzeilen und Diskussionen.
Sexuelle Belästigung auf dem Jakobsweg? Die spanischen Behörden beruhigen
In diesem Fall war ein Bericht der britischen Zeitung The Guardian der Auslöser. In dem kamen neun Frauen zu Wort, die in den vergangenen fünf Jahren allein auf Etappen des Jakobswegs in Spanien, Portugal und Frankreich unterwegs waren und von Männern belästigt worden seien, die vor ihnen masturbiert oder sie betatscht hätten. Statt spirituelle machten sie nach eigenen Aussagen erschreckende Erfahrungen.
Angesichts der Schilderungen und der geäußerten Ängste, auf dem Jakobsweg nicht sicher zu sein, beruhigten spanische Behörden und sprachen von Einzelfällen. In der Region Galicien, durch die die letzten 200 Kilometer des Weges führen, habe es im Jahr 2024 nur acht Anzeigen wegen sexueller Aggressionen gegeben, vor allem wegen Exhibitionismus, demütigender Äußerungen und anderer Formen sexueller Belästigung, erklärte ein Polizeisprecher. Gemessen an den etwa 250.000 Frauen, die 2024 auf dem Jakobsweg gezählt wurden, sei die Zahl der angezeigten Fälle gering. Dies sei auch 2023 nicht anders gewesen. Damals habe man in Galicien sieben Anzeigen von Pilgerinnen wegen sexualisierter Gewalt registriert. Allerdings gehen Experten davon aus, dass nicht alle Vorfälle angezeigt und nur schwerere öffentlich werden.
In den vergangenen Jahren machten einzelne Vorfälle Schlagzeilen
Einer dieser schweren Vorfälle war der Angriff auf eine 24 Jahre alte Deutsche, die im Dezember 2023 auf einem Teilstück des Jakobswegs in der nordspanischen Rotweinregion Rioja attackiert worden war. „Die junge Frau fand am Ende ihrer Wanderetappe keinen Übernachtungsplatz”, berichtete die Polizei. Daraufhin habe ihr ein Mann angeboten, sie könne sich in seinem Haus im Ort Nájera ausruhen. Dort sei die Frau dann begrapscht worden. Als sie sich gewehrt habe, habe der Mann versucht, sie in seinem Haus einzusperren. Schließlich sei es der Deutschen gelungen, sich zu befreien. In einem weiteren Fall aus dem Sommer 2023 wurde ebenfalls eine junge Deutsche Opfer: Sie schlief in ihrem Hotelzimmer in der galicischen Stadt Vigo, als ein portugiesischer Tourist versuchte, sie zu vergewaltigen. Die spanische Politikerin Gloria Santiago machte publik, dass sie 2021 plötzlich einen Exhibitionisten hinter sich entdeckt habe. „Ich habe noch nie so viel Angst gehabt”, erzählte sie. Sie sei um ihr Leben gerannt, um sich in Sicherheit zu bringen. Nachdem die 37-Jährige darüber in sozialen Netzwerken geschrieben hatte, meldeten sich weitere Frauen bei ihr.
Ob Einzelfälle oder nicht: Die Angst läuft bei vielen allein pilgernden Frauen offensichtlich mit. Erst recht nach dem Raubüberfall und der Ermordung einer US-Pilgerin 2015. Der Täter wurde zu 23 Jahren Haft verurteilt. In der Folge verstärkte die spanische Polizei ihre Präsenz auf dem Jakobsweg – sogar mit deutschen Beamten, um die Kommunikation mit den zahlreichen Pilgerinnen und Pilgern aus dem deutschsprachigen Raum zu verbessern. Auch wurde das Personal der Pilgerherbergen geschult und für die Notruf-App „Alertcops” geworben, die per Knopfdruck der Polizei den Standort einer Hilfe suchenden Person übermittelt.
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