Es ist eine Zahl, die in der politischen Diskussion in den vergangenen Jahren breiten Raum eingenommen hat: Auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit sollte die Erderwärmung begrenzt werden. Das Ziel wurde im Pariser Klimaabkommen festgeschrieben – und im vergangenen Jahr zum ersten Mal gerissen. Das Jahr 2024 ist neuesten Daten des EU-Programms Copernicus zufolge sogar 1,6 Grad wärmer als die geschätzte Mitteltemperatur von 1850 bis 1900 gewesen. Zugleich gehörte jedes der letzten zehn Jahre (2015-2024) zu den zehn wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen.
Die globale Durchschnittstemperatur lag 2024 laut Copernicus bei 15,10 Grad und damit 0,12 Grad über der von 2023, dem bisher wärmsten Jahr der Aufzeichnungen. Ein neuer Rekord für den heißesten Tag wurde demnach am 22. Juli 2024 mit einer globalen Temperatur von 17,16 Grad aufgestellt. 2024 war zudem das wärmste gemessene Jahr in Europa und laut Deutschem Wetterdienst auch in Deutschland.
Klima-Trends ohne menschlichen Einfluss nicht erklärbar
„Für mich gibt es hier keine Überraschungen“, sagt Mojib Latif, Klimaexperte am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Das liege auch am Klimaphänomen El Niño, das in den vergangenen beiden Jahren aufgetreten war. El Niño lässt unter anderem die Meerestemperatur ansteigen. Die Ozeane sind sehr bedeutend für das Klima der Erde, denn sie nehmen rund 90 Prozent der durch den Anstieg der Treibhausgase entstehenden Wärme auf. Zudem beeinflussen sie wiederum das Wetter, indem sie Wärme und Feuchtigkeit an die Atmosphäre abgeben. Doch allein anhand dieses natürlichen Phänomens sei der Anstieg der Erdtemperatur nicht zu erklären, betont Latif. „Alle dargestellten Trends der vergangenen Jahrzehnte sind ohne den menschlichen Einfluss nicht zu erklären“, sagt er. „Wir stecken mitten im vom Menschen verursachten Klimawandel und der bestimmt im zunehmenden Maße die Klimaentwicklung. Wir leben inzwischen in einer neuen Welt, die wir nicht kennen und an die wir nicht angepasst sind.“
Zwar bezieht sich das Pariser Klimaziel auf Temperaturabweichungen, die über einen Zeitraum von mindestens 20 Jahren gemittelt werden. Doch selbst, wenn das Jahr 2025 wieder kühler wird, weil sich El Niño abschwächt, gehen die meisten Wissenschaftler inzwischen nicht mehr davon aus, dass das gesteckte Ziel noch realisierbar ist, denn nur ein Absenken der CO2-Emissionen auf null könnte das rechnerisch überhaupt noch ermöglichen. „Ich halte das 1,5-Grad-Ziel für nicht mehr haltbar“, sagt Andreas Fink, Professor für Meteorologie in Karlsruhe. Daran könne auch der Einsatz moderner Technologien zur Entnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre nichts ändern. Vielmehr sei politisches und gesellschaftliches Handeln gefragt. „Es besteht daher die unbedingte Notwendigkeit, die Emissionen der Treibhausgase sehr rasch zu reduzieren, um zumindest das 2-Grad-Ziel noch zu erreichen“, sagt Fink. „Es muss immer wieder betont werden, dass die Kosten eines eskalierenden Klimawandels deutlich höher sein werden als die Transformation zu einer dekarbonisierten Wirtschaft.“
Erde steht unter Hitzestress
Wie folgenreich der Temperaturanstieg ist, zeigte sich im Verlauf des vergangenen Jahres immer wieder. Die Temperaturrekorde führten laut Copernicus etwa auch zur höchsten jemals gemessenen Menge an Wasserdampf in der Atmosphäre. Sie lag 2024 um rund fünf Prozent über dem Durchschnitt von 1991 bis 2020. Die Kombination aus hohen Meerestemperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit habe zu schweren Stürmen einschließlich tropischer Wirbelstürme beigetragen. Zudem erreichte das Ausmaß der Fläche der Erde, die von mindestens „schwerem“ Hitzestress betroffen war, am 10. Juli einen neuen Rekord, als rund 44 Prozent der Erde „schweren“ bis „extremen Hitzestress“ erlebten.
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