Soll man eine 99-Jährige für ihre bürokratische Unterstützung des Holocausts vor Gericht stellen, 80 Jahre nach ihrer Tätigkeit im KZ Stutthof? Eine Frage, die oft zu hören ist, nicht selten mit einem Unterton, der sagt, „habt ihr keine anderen Sorgen?“ Man soll. Zunächst aus juristischer Logik: Auch Beihilfe zum Mord verjährt nicht. Im aktuellen Fall kam für die nun letztinstanzlich Verurteilte erschwerend hinzu, dass sie eine enge, mit allen Taten Vertraute des Lagerkommandanten war.
Andere kritisieren diesen und ähnliche Verfahren mit der Bemerkung, dass in den Jahrzehnten nach dem Weltkrieg viele der großen Nazi-Verbrecher unbehelligt geblieben seien, einige „kleine Lichter“ zuletzt aber mit aller Härte verfolgen worden sind. Doch dass die Justiz bei der Aufklärung in bestürzend vielen Fällen versagt hat, heißt ja nicht, dass man diesen Fehler immer wieder neu begehen muss.
NS-Prozess hält Erinnerungen an Gräuel-Taten wach
Der vielleicht letzte Prozess seiner Art trägt dazu bei, die Erinnerung an die Nazi-Gräuel wachzuhalten. Und er ist eine Warnung an Helfer und Bürokraten krimineller Diktaturen: Sie sind nicht vor Strafverfolgung sicher, wenn sie heute oder in Zukunft bestens über die Verbrechen der Regime informiert sind. Insofern ist das Urteil von Leipzig brandaktuell.
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