Fragen zur Vergangenheit von Papst Franziskus
Welche Rolle spielte Bergoglio beim Verschwinden zweier Jesuiten während des argentinischen Militärregimes? Die beiden erhoben schwere Vorwürfe gegen den jetzigen Papst Franziskus.
Im Leben des neuen Papstes Franziskus gibt es ein dunkles Kapitel. Jorge Mario Bergoglio soll als Jesuitenprovinzial während der argentinischen Militärdiktatur (1976 bis 1983) zu Verbrechen geschwiegen und entführte Mitbrüder nicht geschützt haben. Sonst gilt er als einer, der das offene Wort und die Auseinandersetzung mit Politikern nicht scheut.
Papstwahl2013: Seit Mittwoch ist Bergoglio Papst Franziskus
Die Schatten der Vergangenheit: Schon Joseph Ratzinger wurde 2005 kurz nach seiner Wahl zu Papst Benedikt XVI. mit seiner Mitgliedschaft in der Hitlerjugend konfrontiert. Bei Ratzinger wie bei Bergoglio bewegt die Welt: Wie verhielten sie sich in Unrechtsregimen?
Im Schatten der Vergangenheit: Welche Rolle spielte Jorge Mario Bergoglio?
Die 1976 entführten und gefolterten Jesuiten heißen Orlando Yorio und Franz Jalics. Sie hielten Bergoglio vor, sie im Stich gelassen zu haben. Yorio ist im Jahr 2000 gestorben, seine Schwester klagt den neuen Papst aber weiterhin scharf an: Er habe ihren Bruder an das Regime verraten und nicht verhindert, dass Yorio und Jalics ins Gefängnis kamen. Bergoglio hat alle Anschuldigungen stets von sich gewiesen. „Ich habe getan, was ich – angesichts meines Alters und meiner wenigen Beziehungen – tun konnte, um den Verschwundenen zu helfen“, sagte er in einem 2010 erschienenen Buch.
Die Frage ist, ob er anders mit der Junta hätte umgehen sollen
Der argentinische Journalist Horacio Verbitsky, der sich intensiv mit Bergoglios Vergangenheit beschäftigt hat, hält das für wenig plausibel. Der deutsche Sozialethiker und Jesuit Friedhelm Hengsbach spricht von einem „Schatten“ in der Biografie des neuen Papstes. Im Deutschlandradio Kultur sagte er gestern: „Die argentinischen Jesuiten sind ja während der Junta ungeheuer gespalten gewesen, weil die Mehrheit der Jesuiten doch sehr stark verfilzt war mit den konservativen und nationalistischen Kräften.“
Hengsbach zufolge habe Bergoglio die Jesuiten Yorio und Jalics gewarnt. Die Frage sei: Hat er „kooperiert, um Leben zu schützen, um Mitbrüder wirklich aus Lebensgefahr zu befreien, oder hätte er besser konfrontativ mit der Junta umgehen sollen?“ Für den Friedensnobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel ist die Antwort klar: „Bergoglio war kein Komplize der Diktatur“, sagte er BBC Mundo am Donnerstag.
Franz Jalics wurde 1927 in Budapest geboren, 1978 kam er nach Deutschland. Er leitete 20 Jahre das Exerzitienhaus Gries im oberfränkischen Wilhelmsthal. Bis heute lebt er dort, begleitet Exerzitienkurse und veröffentlicht Bücher. Der Kreis seiner Leser hielt sich bislang in Grenzen. Mit der Papstwahl am Mittwoch ist er in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt.
Jesuitenpater hat sich mit Papst Franziskus versöhnt
Am Donnerstag noch schwieg Jalics. Er befinde sich in Exerzitien in Ungarn, sagte Thomas Busch, Sprecher der Deutschen Provinz der Jesuiten in München. Vor einigen Jahren habe es ein Treffen zwischen Jalics und Bergoglio in Buenos Aires gegeben. Es sei zur Aussprache zwischen beiden Männern gekommen und „seitdem ist Jalics mit der Geschichte von damals im Reinen“. Am Freitag veröffentlichte das Provinzialat der deutschen Jesuiten dann eine Stellungnahme. In ihr erklärt Jalics: „Ich bin mit den Geschehnissen versöhnt und betrachte sie meinerseits als abgeschlossen. Ich wünsche Papst Franziskus Gottes reichen Segen für sein Amt.“
Die Geschehnisse, wie sich Jalics’ an sie erinnert: 1974 sei er mit Erlaubnis des Erzbischofs und seines Provinzials Bergoglio mit einem Mitbruder in ein Elendsviertel von Buenos Aires gezogen. Unter bürgerkriegsähnlichen Zuständen habe die Militärjunta damals ungefähr 30 000 Menschen umgebracht, linksgerichtete Guerillas wie unschuldige Zivilisten. „Wir zwei im Elendsviertel hatten weder mit der Junta noch mit den Guerillas Kontakt“, so Jalics. „Durch den damaligen Informationsmangel bedingt und durch gezielte Fehlinformationen war jedoch unsere Lage auch innerkirchlich missverständlich.“
In dieser Zeit hätten sie die Verbindung zu einem ihrer Laienmitarbeiter verloren, er hatte sich den Guerillas angeschlossen. Neun Monate später sei der Mitarbeiter von Soldaten gefangen genommen worden. „In der Annahme, dass auch wir mit den Guerillas zu tun haben, wurden wir verhaftet. Nach einem fünftägigen Verhör hat uns der Offizier, der die Befragung geleitet hat, mit diesen Worten entlassen: ,Patres, Sie hatten keine Schuld. Ich werde dafür sorgen, dass Sie ins Armenviertel zurückkehren können‘“, schreibt Jalics. Trotzdem seien sie fünf Monate mit verbundenen Augen und gefesselt inhaftiert worden. „Ich kann keine Stellung zur Rolle von Pater Bergoglio in diesen Vorgängen nehmen“, schließt Jalics.
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