Ein Jahr nach Beginn ihres Schulstreiks ist Greta Thunberg zur Ikone der globalen Klimaschutzbewegung geworden. Und polarisiert. Ist ihre Rolle bald vorbei?
Zwischen Hass und Heiligsprechung, das lehrt die Geschichte, passt oft nicht viel mehr als ein Blatt Papier. Oder ein Pappschild mit der Aufschrift "Skolstrejk för klimatet". Das zeigt jedenfalls die Geschichte der Greta Thunberg, ja, sie zeigt es sogar exemplarisch – und damit auch die Funktionsweise unserer Erregungs- und Mediengesellschaft.
Denn wie aus einer damals 15-jährigen Schülerin mit ihrem selbst gebastelten Schild binnen eines Jahres die Initiatorin und Ikone einer globalen Klimaschutzbewegung wurde, vom Time-Magazin als eine der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten gelistet, unterstreicht ja erst mal nur aufs Neue unseren Hang zur Personalisierung, der umso stärker auszufallen scheint, je komplexer die dahinterliegenden Sachverhalte. Man schaue sich dazu nur die Politik(-berichterstattung) an. Oder überlege sich, wann man das letzte Mal im Biergarten beispielsweise über die Vorteile des Emissionshandels gegenüber einer CO2-Besteuerung diskutiert hat. Eben. Über Greta reden aber bekanntlich alle, und das bekanntlich nicht nur gut.
Das Phänomen Greta Thunberg
Ja, es scheint sogar so, dass die Schülerin dermaßen polarisiert wie sonst allenfalls noch ein Donald Trump. Und das hat mit dem Wesen der Personalisierung zu tun, an deren Oberfläche eben keine Person, nie ein Mensch zu sehen ist, sondern lediglich eine Figur, etwas Konstruiertes, eine Projektionsfläche ähnlich der in Hollywood-Filmen oder im globalen Pop-Business: Man identifiziert sich oder eben nicht, im gesteigerten Fall wird auf der einen Seite überhöht und auf der anderen gehasst. Das kann man schon in der Fiktion erkennen, vor allem, wenn die Figur eindeutig moralisch aufgeladen wird (der Held, der Schurke), und das schlägt beim Phänomen Greta Thunberg umso mehr durch.
Denn was gäbe es moralisch Aufgeladeneres als die "Rettung des Planeten", noch dazu eingefordert von fast noch einem Kind? Auch das ja ein kulturgeschichtliches, starkes Narrativ: das Kind als Erlöserfigur, in das dann überweltliche Heils- und Entlastungsfantasien projiziert werden, gerade auch von sich diffus schuldig fühlenden Erwachsenen. Und das als eigenes Kind dann, wie im letzten Jahr tausendfach geschehen, nach der Freitagsdemo am Küchentisch sitzt – und einen zwingt, sich ganz weltlich und konkret zu verhalten: Wie hältst du’s mit dem Klimaschutz? Die Greta-Frage eben.
Wir müssen anfangen zu reden
Das macht selbst Menschen, die dem Thema aufgeschlossen gegenüberstehen, bisweilen betroffen oder bringt sie gar in eine Position gereizter Selbstverteidigung. Von dem betroffen machenden Hass der Leugner des Klimawandels ganz zu schweigen, die neben Kommentaren zu Greta Thunbergs Aussehen, ihrer Erkrankung undsoweiter nun etwa hämisch darauf hinweisen, dass der Segeltörn in die USA ja gar nicht klimaneutral ist. Natürlich ist er das nicht. Und natürlich ist das Ganze auch eine Inszenierung (ähnlich der, wenn der lokale Abgeordnete mal eben im BMW angerauscht kommt, um fürs Foto einen Fahrradweg zu eröffnen). Figuren eben, denen zu huldigen oder sie zu verdammen gleich naiv ist.
Die zur Figur gewordene Greta hat aber immerhin geschafft, was zuvor der Wissenschaft nicht gelang: Aufmerksamkeit, Handlungsdruck in Politik und Alltag zu erzeugen. Dass sie, die sich selbst als unpolitisch bezeichnet, dabei keine Lösung hat außer den schnellstmöglichen Ausstieg aus allem, was stinkt, fällt bei dieser Art der personifizierten Gesinnungsethik kaum ins Gewicht. Denn nun, da das Thema gesetzt ist, geht es darum, praktische Antworten zu finden, die eben nicht entweder Welt oder Wirtschaft, Klima oder Gesellschaft kollabieren lassen. Mit anderen Worten: Wir müssen anfangen zu reden. Und zwar nicht über Greta.
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Zuerst war es die kommende Eiszeit, dann das Waldsterben, danach verbrennen wir alle unter dem Ozonloch und jetzt ist es die Klima-Krise. Ich vermisse einfach etwas Demut vor der Komplexität der Natur und dem Unwissen der Menschen. Die Erkenntnisse von heute sind die Irrtümer von morgen. Eine Mehrheitsmeinungen ist auch kein Qualitätskriterium in der Wissenschaft. Wir haben derzeit 400 ppm CO2 ( Teilchen pro eine Million Teilchen) in der Atmosphäre. In der Erdgeschichte ein extrem niedriger Wert: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/0/01/CO2_60Mio.jpg
Für mich hat die Diskussion alle Rationalität verloren. In 12 Jahren soll ja schon der "point of no return" sein und wir alle sterben. Viel wichtiger als der CO2 Ausstoß ist für mich die Erhaltung der Urwälder diese Planeten. Gebt das Geld doch den Ländern in den Tropen, anstatt unsinnige Windräder zu bauen.
>> Von dem betroffen machenden Hass der Leugner des Klimawandels ganz zu schweigen, die neben Kommentaren zu Greta Thunbergs Aussehen, ihrer Erkrankung undsoweiter nun etwa hämisch darauf hinweisen, dass der Segeltörn in die USA ja gar nicht klimaneutral ist. <<
Bemerkenswert, wie hier die Brücke zwischen dem Hinweis auf die fehlende Klimaneutralität des Segelbootes zu dem "Hass der Leugner des Klimawandels" geschlagen wird.
Nein Herr Imminger, mit solchen Texten glaube ich nicht dass Sie wirklich reden wollen.
Es ist eine naturwissenschaftliche Tatsache, dass ein einfacher Linienflug weniger CO2 produziert hätte als diese Show mit dem Boot.
Im ARD Deutschlandtrend haben sie ja gestern herausgefunden, dass #FFF und Greta Thunberg auf über 70% der Deutschen keinen Einfluss ausüben bei ihrem Verhalten zum Klima. Am meisten bewegt haben sie nur bei den Grünen. Vielleicht ja deshalb, weil die bis jetzt am meisten falsch gemacht haben? Stichwort Flugreisen.
Entschuldigung aber wir müssen nicht reden sondern handeln! Jeder für sich seinen Anspruch an den Lebensstandard hinterfragen, sein Konsumverhalten ändern und nicht mit dem Finger auf andere zeigen. Bekanntlich zeigen dann nämlich drei Finger auf einen selbst.