Der Bundestag muss kleiner werden. Kein Parlament der Welt braucht 709 Abgeordnete – das wissen auch die Abgeordneten selbst. Aber sie unternehmen nichts.
Der Politiker, der sich selbst abschafft, muss erst noch gewählt werden. 709 Abgeordnete sitzen in dieser Legislatur im Bundestag – so viele wie noch nie. Über alle Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg sind sich diese 709 Abgeordneten sogar darin einig, dass kein Land der Welt ein derart aufgeblähtes Parlament benötigt. In dem Moment jedoch, in dem es an das eigene Mandat geht, sind die Beharrungskräfte stärker als die Kraft der Vernunft. So tückisch die schon mehrfach versprochene Reform des Wahlrechts mit seinem komplizierten System aus Überhang- und Ausgleichsmandaten in der Sache sein mag: Der größte Widerstand gegen eine Verkleinerung des Bundestages kommt bislang aus dem Bundestag selbst.
Jeder ist sich selbst der Nächste. Die CSU will auf keinen Fall die Wahlkreise vergrößern, weil sie in Bayern alle Wahlkreise direkt gewonnen hat und jeder Wahlkreis weniger auch einen CSU-Sitz im Bundestag kosten könnte. Liberale, Grüne und Linke wiederum würden die Zahl der Wahlkreise und damit die Zahl der direkt gewählten Abgeordneten gerne von 299 auf 250 reduzieren – sie haben allerdings auch leicht reden, weil sie selbst, wenn überhaupt, kaum Parlamentarier mit einem Direktmandat haben und damit auch keine Mandate verlieren können.
Baldige Reform des Wahlrechts nötig: Ab Juni können Kandidaten für Bundestagswahl nominiert werden
Die Lösung liegt vermutlich, wie so oft, irgendwo dazwischen – wenn diese Lösung aber nicht bald Gesetz wird, kann der nächste Bundestag sogar auf mehr als 800 Abgeordnete anwachsen. Ab Juni dürfen in den Wahlkreisen die Kandidaten für die Wahl im Herbst 2021 nominiert werden, bis dahin muss also klar sein, ob es bei den alten Wahlkreisen bleibt oder ob Deutschland völlig neu aufgeteilt wird – in etwas weniger und dafür entsprechend größere Wahlkreise.
Es ist eine Operation, die großes Fingerspitzengefühl erfordert. Im Prinzip hat sich die gegenwärtige Praxis ja bewährt: Eine Hälfte der Abgeordneten wird direkt gewählt, die andere zieht über die Parteilisten in den Bundestag ein – alles zusammen 598 Abgeordnete. Vor allem die direkt gewählten Parlamentarier sind häufig die ersten Ansprechpartner vor Ort, sie wissen, wo die Menschen in ihrer Region der Schuh drückt. Jedes Direktmandat weniger bedeutet damit auch einen Verlust an Bürgernähe. Andererseits jedoch kann der gegenwärtige Zustand auch kein Dauerzustand sein, in dem mehr als 100 Überhang- und Ausgleichsmandate das Wahlergebnis in einer erodierenden Parteienlandschaft zwar bis auf das letzte Zehntelprozent genau abbilden, das Parlament dabei aber gleichzeitig immer teurer und ineffizienter machen.
Im Bundestag sitzen 111 Abgeordnete mehr als nötig: Das heißt die Kosten steigen
Diskutiert wird über eine Änderung des Wahlrechts bereits seit einigen Jahren, passiert ist bislang nichts. Gerade jetzt jedoch, in einer Zeit zunehmender Politikverdrossenheit, stünde dem Bundestag eine kritische Überprüfung seiner selbst gut zu Gesicht. 111 Abgeordnete mehr als nötig – das bedeutet auch Hunderte von Mitarbeitern mehr, Hunderte von zusätzlichen Büros, mehr Dienstreisen, mehr Spesen, Diäten, Pensionen, kurz: Millionen an Steuergeld.
Für die Verkleinerung könnte der Vorschlag von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, die Zahl der Wahlkreise auf 270 zu senken, eine Kompromisslinie sein – ergänzt womöglich um eine Begrenzung der so genannten Ausgleichsmandate. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2012 lässt dem Gesetzgeber hier jedenfalls einen gewissen Spielraum. Das alles noch rechtzeitig zur nächsten Wahl zu regeln, ist schwierig, aber nicht unmöglich. Und selbst wenn dadurch eine Reihe von Abgeordneten ihre Mandate verlieren wird: der Bundestag selbst kann nur gewinnen.
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Und Schuld daran ist nur die CSU (in Abwandlung eines Liedes von Rudi Carrell).
Warum?
Der Bundestag hat normalerweise 598 Mitglieder, davon 299 Direktmandate und 299 Listenmandate.
Die CSU hat bei der Bundestagswahl 2017 46 Direktmandate errungen und nur 6,5% der Zweitstimmen erreicht. Da ja die Abgeordneten im Verhältnis zu den Zweitstimmen im Parlament sitzen sollen, stünden der CSU also etwa 6,5% der 598 Abgeordneten zu, also ca. 39. Da aber 46 Direktmandate erreicht wurden - und keiner der CSU-Spezis freiwillig einen Rückzieher macht - sind also 7 sog. Überhangmandate für die CSU fällig. Um das Verhältnis der Abgeordneten zu den Zweitstimmen wieder herzustellen, werden jetzt die anderen Parteien mit weiteren sog. Ausgleichsmandaten bedacht, bis die 46 CSUler wieder 6,5% der Abgeordneten ausmachen. Er wird also dann etwa 46*100/6,5 also ca. 707 Abgeordnete insgesamt groß. Und die CSU ist die einzige Partei bei der das Mißverhältnis zwischen Anzahl der Direktmandate und Anteil der Zweitstimmen sprich Mandatsanteil am "Grundbundestag598" so groß ist.
Wie läßt sich das jetzt lösen?
1. Verringerung der Wahlkreise; Gegenargument: Der direkte Ansprechpartner der Wähler, der direkt gewählte Wahlkreisvertreter rückt weiter weg.
2. Aufgabe des Verhältniswahlrechts, keine Ausgleichsmandate, the winner takes it all - will wohl keiner außer der CSU
3. Benachbarte Wahlkreissieger einer Partei, die Überhangmandate erringt, sprechen sich ab, einer tritt freiwillig zurück oder der der in seinem Wahlkreis anteilig am wenigsten Stimmen errungen hat scheidet aus, und beide Wahlkreise werden nur noch von einem Direktkandidaten vertreten, bis keine Überhangmandate mehr auftreten.
Vielleicht löst sich das Problem aber bei der nächsten Wahl von allein, wenn mindestens 7 Wahlkreise in Bayern von Direktkandidaten anderer Parteien gewonnen werden.
Vielleicht löst sich das Problem von ganz allein …
Ist das wirklich verantwortungsvolle Politik?
Ich denke schon, dass das Problem jetzt wo es evident wurde, unverzüglich einer eindeutigen Lösung zuzuführen ist: Hat die Erststimme oder die Zweitstimme im Konfliktfall die höhere Bedeutung. Sollte die Antwort die Zweitstimme sein, dann sollte auch gleich die Regelung, dass drei gewonnene Direktmandate ausreichend für die Vergabe von Listenplätzen sind, außer Kraft gesetzt werden.
Hallo Rudi, so ist das eben in der repräsentativen Demokratie, die Interessen des Volkes können übergangen und die Eigeninteressen der Politiker vorangestellt werden.