Der Fall Nawalny bringt das Fass zum überlaufen. Europa darf sich nicht alles bieten lassen.
Es ist bezeichnend, dass EU-Diplomaten an diesem Montag insbesondere die Einigkeit der 27 Mitgliedstaaten herausstellten. Das klingt, als ob die Reaktionen der Gemeinschaft auf den Umgang Moskaus mit Kremlkritiker Nawalny wichtiger sind als das, was man mit immer neuen Nadelstichen erreichen kann. Das ist zu wenig. Gebraucht wird eine Politik, die in Russland etwas bewirkt. Und da kann man nur festhalten: Trotz aller Versuche in den zurückliegenden Jahren, den Kreml von seiner Linie abzubringen, machen Präsident Putin und seine Entourage unbeirrt weiter.
Fall Nawalny: Moskau provoziert Europa
Der Eindruck, dass Moskau den Westen nahezu unbeirrt provozieren kann, um dann ein paar unbeholfene Sanktionen wegzustecken und somit die EU immer neu zu brüskieren, verfestigt sich. Wenn die Führung in Moskau tatsächlich an einem konstruktiven Miteinander mit den Europäern interessiert sein sollte, wie es der Botschafter des Kremls in Brüssel sagte, dann steht dem nichts im Weg: Nawalny freilassen, die rüden Polizeiattacken gegen die Demokratie-Bewegung einstellen und sich mit der EU an einen Tisch setzen. So, wie man das eben unter Partnern macht.
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Nawalny hätte sehr wohl seinen Meldepflichten nachkommen und eine russische Botschaft aufsuchen können als er seinen Film drehte und anscheinend wieder gesund war. Seine Freilassung zu fordern bedeutet aber auch Ungerechtigkeit gegenüber jenen russischen Staatsbürgern zu akzeptieren, die ebenfalls wegen der Verletzung der Meldepflicht eine Strafe abbüßen müssen. Man kann sich darüber streiten, ob die Verletzung der Meldepflicht eine so hohe Strafe rechtfertigt und die Strafen bei Nichteinhaltung der Meldepflicht in Deutschland gerechter sind. Doch darüber haben allein die Russen zu entscheiden. Wir lassen uns von Russland auch nicht vorschreiben, wie hoch die Strafen in Deutschland bei Gesetzesverstoßen sind.
Mein Eindruck ist jedoch, dass es im Fall Nawalny gar nicht um Gerechtigkeit oder um Menschenrechte geht, denn dann müsste überall der gleiche Maßstab angelegt werden und z.B. auch die USA wegen der Todesstrafe, dem Gefangenenlager in Guantanamo, der Führung des Irakkrieges, usw. mit Strafen belegt werden. Ganz zu schweigen von anderen Staaten im Nahen Osten, die trotz der Menschenrechtsverletzungen mit Waffen beliefert werden und Kriege z.B. gegen Jemen führen. Der Fall Nawalny wird zur Durchsetzung von politischen und wirtschaftlichen Interessen instrumentalisiert, um Fracking-Gas gegen durch Nord Stream 2 zu ersetzen, um die massive Erhöhung der Rüstungsausgaben mit einem schlimmen Feind begründen zu können. Man muss kein Freund des russischen Oligarchen-Systems sein, doch die Hetze und Verschärfung des Konflikts mit Russland kommt uns sehr teuer, nicht nur mit den steigenden Rüstungsausgaben, sondern auch mit den Verlusten von Handelsbeziehungen und die steigenden Gefahr eines Krieges. Die Doomsday Clock (Atomkriegsuhr) zeigt die Gefahr eines Atomkrieges so hoch wie niemals zuvor.
@Nikolaus Stampfer: Warum lassen sich alle 27 Staaten darauf ein? Man könnte endlos viele Beispiele aufführen, bei denen die EU nicht so handelt wie hier.
Die EU und insbesondere Deutschland können sich kein instabiles Russland leisten.
Wer mehr zu Nawalny wissen will, möge seine politischen Äußerungen, auch zu Minderheiten oder nicht Russen, aus der Vergangenheit nachlesen. Man möge dann auch aktuelle Äußerungen nachlesen, wonach der Herr Nawalny sich nicht von früheren Äußerungen distanziert.
Freilich hat auch ein Herr Nawalny Anspruch auf körperliche und geistige Unversehrtheit. Diesen Anspruch haben aber auch alle anderen, wie etwa die Herren Assange, Snowden, Kashoggi, etc. Leider setzt bzw. setzte man sich für diese Personen nicht wirklich ein. Da verwundert das erhebliche Engagement für den Herrn Nawalny doch sehr. Es liegen erkennbar politische Gründe vor.
Die Linie der Bundesregierung in der Causa Nawalny wird erst wieder glaubhaft, wenn andere Fälle mit gleicher Vehemenz verfolgt werden, anstatt weiterhin an Regime wie Saudi Arabien Waffen zu liefern und mit dem mutmaßlichen Drahtzieher des Kashoggi Falls Hände zu schütteln und gute Partnerschaft zu betonen.
@Andreas B.: mir fällt kein Land ein, daß wir danmn nicht mit Sanktionen belegen müßten. Aber um Rußland muß man sich keine Sorgen machen... .Ich, als Rußland, würde jetzt mal die Sputnik Karte ziehen.
Kann irgendein Politiker mal sagen, was die bisherigen Sanktionen bewirkt haben? Soweit mir bekannt ist darf u.a. kein Obst und Gemüse aus EU Ländern exportiert werden, was z.B. in Griechenland zu weiteren Problemen geführt hat.
Ich kann Andreas B. hier nur beipflichten und aus dem Handeln der Beteiligten schlussfolgern dass Russland der ausgemachte Feind ist. Nur verstehen kann ich das nicht.
Inzwischen finde ich es schon sehr ärgerlich, dass jeden Tag in den Nachrichten hierüber berichtet wird. Als wenn es nichts anderes auf der Welt geben würde als diesen Herrn Nawalny.