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Medizin: Immer mehr Corona-Intensivfälle: Kliniken verschieben OPs

Medizin

Immer mehr Corona-Intensivfälle: Kliniken verschieben OPs

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    Auch ausländische Corona-Patienten werden derzeit auf deutschen Intensivstationen behandelt.
    Auch ausländische Corona-Patienten werden derzeit auf deutschen Intensivstationen behandelt. Foto: M. Kusch, dpa (Symbol)

    Was bedeutet der starke Anstieg der Corona-Infektionen für die Kliniken?

    Georg Baum: Die stark steigende Zahl der Neuinfektionen ist besorgniserregend. Wir wissen aus dem Frühjahr, dass aus diesen Neuinfektionen zwangsläufig stationäre Behandlungsfälle folgen. Damals lag die „Hospitalisierungsquote“ bei etwa 14 Prozent der Infizierten, das heißt, jeder siebte Infizierte musste laut Robert-Koch-Institut ins Krankenhaus. Und für die Planung der Kliniken müssen wir das auch jetzt als Worst Case annehmen. Das heißt, bei täglich mehr als 10000 zusätzlichen Infektionen folgt zeitlich verzögert der Behandlungsbedarf in der Krankenhaus- und Intensivversorgung.

    Wie stark steigt die Zahl der Patienten derzeit?

    Baum: Schon jetzt hat sich die Zahl der Corona-Patienten auf den Intensivstationen seit Anfang Oktober von 373 auf 1296 verdreieinhalbfacht, davon waren am Wochenende 578 Patienten beatmungspflichtig. Stand jetzt haben wir mehr als 30.000 gemeldete Intensivbetten, von denen 8400 frei sind. Zudem gibt es weitere über 12.000 Betten, die bei Bedarf aktiviert werden können. Die Krankenhäuser haben zudem im Frühjahr gezeigt, wie schnell durch das Verschieben von nicht notfallmäßigen Eingriffen 150.000 oder auch 200.000 normale Betten frei gemacht werden können. Die Kapazitäten reichen noch lange, ehe es bedenklich wird.

    Heißt das, es wird wieder dazu kommen, dass solche planbaren Operationen verschoben werden müssen?

    Baum: Wir müssen davon ausgehen, dass elektive Leistungen, also nicht notfallmäßige Eingriffe in besonders belasteten Regionen und Krankenhäusern, wieder verschoben werden müssen. Auch muss mit Freihaltequoten gerechnet werden. Anders als im Frühjahr wird es aber keinen flächendeckenden und unkoordinierten Lockdown geben.

    Was sind die Hauptprobleme für die Kliniken?

    Baum: Zentrales Problem ist der Engpass beim Pflegepersonal. Im Extremfall müssten wir innerbetrieblich mit einer Personalumsetzung und Konzentration in den vordringlichen Bereichen reagieren. Dazu brauchen die Krankenhäuser aber maximale Flexibilität, deshalb müssen politische Personalbesetzungsvorgaben, die in normalen Zeiten schon problematisch sind, wie im Frühjahr ausgesetzt werden. Die von der Bundesregierung geplanten neuen Pflegeuntergrenzen dürfen nicht ab Januar gestartet werden. Deshalb appellieren wir an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, nicht auch noch die großen Versorgungsbereiche der Inneren Medizin und der Chirurgie und damit in fast allen Krankenhäusern neue Untergrenzen für den Einsatz des Pflegepersonals mitten im Winter einzuführen. Wenn die Bundeskanzlerin von höchsten Gefahrenlagen spricht, kann es keine Begründung dafür geben, Januar den Krankenhäusern noch engere Personalbesetzungsvorgaben zu machen.

    Wie können die Krankenhäuser die Erfahrungen der ersten Welle nutzen?

    Baum: Es gibt viel Erfahrung aus der ersten Welle, medizinisch wie auch organisatorisch. Es gibt Medikation wie Remdesivir und Dexamethason, die eingesetzt werden können. Wir wissen besser, wann und wie schnell Covid-Patienten beatmet werden müssen, und wir haben vor allen Dingen in den ersten Monaten der Pandemie gezeigt, dass die regionalen Netze, die die Krankenhäuser von sich aus aufgebaut haben, sehr gut funktioniert haben. Aus diesen Erfahrungen können wir jetzt natürlich schöpfen. Durch den Aufbau von Reservekapazitäten, gerade im Intensivbehandlungsbereich, verfügen wir über deutlich mehr Beatmungsbetten, als dies noch im März der Fall war. Insgesamt sind mehr als 10000 Beatmungsbetten aufgestockt worden. Ein Problem bleibt aber die Ausstattung dieser zusätzlichen Kapazitäten mit dem entsprechenden Fachpersonal. Eine gewisse Entspannung konnte dadurch erreicht werden, dass Beschäftigte in Kurzqualifikationen für den Einsatz in Teams im Intensivbereich vorbereitet wurden.

    Georg Baum, ist Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft.
    Georg Baum, ist Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Foto: DKG

    Das heißt, auch auf die Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger rollt wie in der ersten Welle eine große Arbeitsbelastung zu. Ist ihr Schutz jetzt besser gewährleistet?

    Baum: Wir werden aber von unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erneut eine große Flexibilität und Einsatzbereitschaft abverlangen müssen, um in dieser Ausnahmesituation den Schutz der Bevölkerung zu organisieren. Es wurden organisatorische Maßnahmen getroffen, um Infektionen in den Kliniken selbst zu vermeiden. Die Behandlung infizierter Patienten erfolgt strikt getrennt und auch der Infektionsschutz für die Krankenhausmitarbeiter wurde optimiert. Die Möglichkeiten für die Tests von Mitarbeitern und Patienten sind deutlich besser als noch im Frühjahr.

    Erwarten Sie Probleme mit der Ausstattung mit Schutzausrüstung?

    Baum: Bei den Schutzausrüstungen ist die Bevorratung und der Nachschub heute deutlich besser als im Frühjahr. Die weiteren Lieferungen sind derzeit gesichert. Vereinzelt gibt es jetzt Hinweise, dass es Probleme bei Handschuhen und Schutzanzügen geben könnte. Aber dies können wir bis dato noch nicht flächendeckend bestätigen. Der Aufwand der Krankenhäuser für die Infektionsprävention bleibt sehr hoch. Wieder steigende Freihalteerfordernisse und Begrenzungen der Krankenhausbehandlungen auf notwendige Fälle erfordern zudem schon jetzt, die finanzielle Absicherung der Krankenhäuser für das gesamte nächste Jahr durch die Politik zu organisieren.

    Entstehen durch die jetzt regionale statt bundesweite Lockdown-Politik besondere Herausforderungen für die Kliniken?

    Baum: Die lokalen Belastungen führen natürlich auch dazu, dass es in bestimmten Regionen zu einer Überlastung von Krankenhauskapazitäten kommen kann. Hier wird es vor allen Dingen darum gehen, Verlegung und Zusammenarbeit von Krankenhäusern auch über Landkreise und Regionen hinweg gut zu gewährleisten. Regionale Lockdowns bedeuten allerdings nicht, dass überregionale Krankenhausversorgungsmöglichkeiten nicht genutzt werden können.

    Zur Person: Der 65-jährige Volkswirt leitete lange die Abteilung Krankenhauswesen im Bundesgesundheitsministerium. Seit 2012 ist er Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft DKG.

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