IS reklamiert Attentat von Wien für sich: Auch eine Deutsche unter den Toten
Nach dem Anschlag in Wien mit mehreren Toten, darunter auch eine Deutsche, bleiben Fragen. Der mutmaßliche Täter war vergangenes Jahr in Haft. Wurde er zu früh freigelassen?
War der Anschlag von Wien doch das Werk eines Einzeltäters? Nachdem ein Großaufgebot der Polizei noch in der Nacht zum Dienstag weite Teile der Innenstadt nach möglichen Komplizen des Attentäters durchkämmt hatte, beurteilt Österreichs Innenminister Karl Nehammer die Dinge am Tag nach dem Anschlag mit insgesamt fünf Toten und mehr als 20 Verletzten in einem etwas anderen Licht. "Die bisher ausgewerteten Hinweise", räumte er ein, "ergeben keine Hinweise auf einen zweiten Täter." Trotzdem nahmen die Sicherheitskräfte insgesamt 14 Personen fest.
Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat den Anschlag für sich reklamiert. Ein "Soldat des Kalifats" habe die Attacke mit Schusswaffen und einem Messer verübt, teilte der IS am Dienstag auf seiner Plattform Naschir News mit. Das österreichische Innenministerium prüfe die Echtheit des Bekennerschreibens, hieß es gegenüber der Nachrichtenagentur APA. Bei dem Terroranschlag ist auch eine Deutsche getötet worden. "Wir haben jetzt die traurige Gewissheit, dass auch eine deutsche Staatsangehörige unter den Opfern des Angriffs in Wien ist", teilte Außenminister Heiko Maas am Dienstag in Berlin mit.
Der in Wien erschossene Attentäter ist ein 20-Jähriger
Bei dem von der Polizei erschossenen Attentäter handelt es sich um den 20-jährigen Kujtim Fejzulai, einen gebürtigen Wiener, der neben dem österreichischen auch einen nordmazedonischen Pass besitzt und den Behörden als Islamist bekannt war. Weil er versucht hatte, aus Österreich auszureisen und sich dem Islamischen Staat in Syrien anzuschließen, wurde er im April vergangenen Jahres zu 22 Monaten Haft verurteilt, im Dezember aber schon wieder freigelassen. Es sei ihm gelungen, kritisierte Nehammer, die Justiz durch die Teilnahme an einem Deradikalisierungsprogramm zu täuschen und eine günstige Prognose für eine vorzeitige Haftentlassung zu bekommen. Bei dem Anschlag war er offenbar mit mehreren Schusswaffen und einer Machete bewaffnet. Außerdem habe er, so Nehammer, die Attrappe eines Sprengstoffgürtels und noch viel Munition bei sich getragen.
Innenminister: "Zu wenige Hinweise auf das aktive Tun des Attentäters"
Nach Angaben des Innenministers hatten die Wiener Behörden ein Verfahren angestrengt, um Fejzulai die österreichische Staatsbürgerschaft aberkennen zu lassen. Es habe aber wohl "zu wenige Hinweise auf das aktive Tun des Attentäters" gegeben, um das Verfahren erfolgreich abzuschließen. Noch am Montag ordnete die Regierung eine dreitägige Staatstrauer an. Bundeskanzler Sebastian Kurz sprach von einem Anschlag auf die Freiheit und die Demokratie. Es sei in Europa zu hart um diese Freiheit und Toleranz gerungen worden, "als dass wir jetzt klein beigeben", betonte Bundespräsident Alexander Van der Bellen.
Deutschland: Bedrohungslage weiterhin hoch
In Deutschland schätzt der Verfassungsschutz die Bedrohungslage durch Islamisten weiterhin als hoch ein. "Deutschland wird von dschihadistischen Organisationen nach wie vor als Feind wahrgenommen und steht unverändert in deren Zielspektrum", warnt der Inlandsgeheimdienst. Wie real diese Bedrohung ist, hat erst Anfang Oktober der Messerangriff von Dresden gezeigt, bei dem ein Tourist von einem syrischen Extremisten erstochen und ein weiterer schwer verletzt wurde. Seit dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt 2016 haben die Sicherheitsbehörden nach Angaben des Bundeskriminalamts rund ein Dutzend Terror-Attacken verhindert. Als größte Gefahr fürchten Polizei und Verfassungsschützer radikale Einzeltäter, die auf der Straße wahllos Unschuldige angreifen, wie es jetzt auch in Wien geschehen ist. Der Verfassungsschutz rechnet in Deutschland 28000 Personen zur radikalen Islamistenszene. Von ihnen werden etwa 630 als sogenannte Gefährder eingestuft, von denen ein hohes Risiko für Anschläge und Gewalttaten ausgeht. Etwa ein Viertel von ihnen befindet sich in Haft.
Die Anschläge in Wien, Lyon und Dresden unterstrichen, wie groß die Gefahr von Terroranschlägen vor allem aus dem islamistischen Spektrum derzeit sei, betonte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei, gegenüber unserer Redaktion. "Leider zeigt die Erfahrung, dass insbesondere die freie Religionsausübung und die Freizeitgestaltung ein Dorn für islamistische Terroristen ist."
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